Wie die Kunstleidenschaft Basel zwei Fähren brachte

Vor 175 Jahren wurde der Basler Kunstverein gegründet. Am präsentesten ist dieser in der Stadt durch die Kunsthalle. Ein Fest soll ihn der Bevölkerung nun wieder näherbringen. Grund, den Verein zu feiern, haben auch Fährifans.

Zu Wein und Gesang lädt nicht nur Carl Brünners Wandgemälde im Restaurant Kunsthalle – sondern auch der Kunstverein am Jubiläumsfest. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Vor 175 Jahren wurde der Basler Kunstverein gegründet. Am präsentesten ist dieser in der Stadt durch die Kunsthalle. Ein Fest soll ihn der Bevölkerung nun wieder näherbringen.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Rhein in Basel noch von einer einzigen Brücke überspannt, der Mittleren Brücke. Wer vom Gross- ins Kleinbasel wollte und umgekehrt, dem boten sich nicht allzu viele Möglichkeiten. Und so hatte ein schlauer Mann eine Idee: Die Einrichtung einer Fähre, welche ungefähr auf Höhe der heutigen Wettsteinbrücke den Rhein querte.

Der Mann hiess Johann Jacob Im Hof, und er hatte einen Hintergedanken. Nicht etwa der Schiffsbau lag ihm am Herzen, sondern die Kunst: Als Präsident der damaligen «Basler Künstlergesellschaft» wollte er den Erlös der Fähre für den Bau eines Basler «Künstlerhauses» nutzen.

Gewagt, gewonnen: Nicht nur eine, sondern gleich zwei Fähren fuhren bald zu diesem Zweck über den Rhein, und 1869 konnte Im Hof den Grundstein für das «Künstlerhaus» legen, das wir heute unter dem Namen Kunsthalle kennen. Weil die Künstlergesellschaft aber inzwischen mit dem «Basler Kunstverein» fusioniert hatte, war es der Verein, der stolz deren Eröffnung feiern konnte – ein Umstand, der bis heute nachwirkt (vgl. «Der Anspruch der lokalen Künstler an die Kunsthalle»).

Am kommenden Wochenende wird in der Kunsthalle wieder gefeiert: Das 175. Jubiläum des Kunstvereins fällt an. Es soll ein Volksfest geben, wünscht sich Präsident Martin Hatebur. Alle sind eingeladen, das Haus zu erkunden. Das Haus, von dem man oft vergisst, dass es mehr umfasst als nur den Ausstellungstrakt. Denn auch die Räumlichkeiten des Restaurants Kunsthalle, der Kunsthalle-Bar, der Campari-Bar, des Architekturmuseums und des Stadtkinos gehören dazu. Büros, Werkstätten und die hauseigene Bibliothek füllen die restlichen Räume.

Kostspieliger Unterhalt

Den Verantwortlichen beim Kunstverein hingegen ist die Grösse des Anwesens bewusst – fast schmerzlich. Denn obwohl das Land, auf dem der Gebäudekomplex steht, der Stadt gehört und dem Verein im Baurecht kostenlos übergeben wurde, ist er verpflichtet, ihn instand zu halten. Eine kostspielige Angelegenheit.

Gartenfassade der Kunsthalle nach einem Stich, um 1892.

Gartenfassade der Kunsthalle nach einem Stich, um 1892. (Bild: Christian Baur, © Basler Kunstverein)

Immer wieder führte der Verein in der Vergangenheit deshalb Fundraisings durch, um dringend nötige Renovationen bezahlen zu können. Die grösste Summe bislang verschlang die letzte Sanierung der Kunsthalle vor rund zehn Jahren. Acht Millionen kostete sie – ein Betrag, der mit den üblichen Einnahmen unmöglich zu stemmen war. Diese setzen sich zusammen aus Mitgliederbeiträgen, Spenden, Sponsoring, Erträgen aus der Liegenschaft sowie Staatssubventionen – wobei Letztere beide einen Zusammenhang aufweisen.

Denn der Kunstverein hat sich verpflichtet, seine Räumlichkeiten nur für gastronomische und kulturelle Zwecke zu vermieten. So kommt es, dass ein Stadtkino zu sehr günstigen Konditionen dort seine Filme zeigen kann – so kommt es aber auch, dass der Kunstverein auf Einnahmen verzichtet, die er durch etwa ein gastronomisches Angebot an derselben Stelle mehr einnehmen würde.

Der Kanton wiederum dankt diese implizite Kulturförderung durch höhere Subventionen. Diese werden hauptsächlich für den Ausstellungsbetrieb verwendet. Für alles, was einmalig anfällt, müssen andere Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden. Dazu gehören zum Beispiel Auktionen, wie sie im Vorfeld der grossen Sanierung 2003/04 durchgeführt wurden. Dem Verein blieb damals nichts anderes übrig, als einen Teil der vereinseigenen Sammlung zu versteigern. Da man damit deren Wert beträchtlich schmälerte, sorgte dieses Ansinnen für erhebliche Diskussionen.

Böcklin und Hodler ade

Dabei war das keineswegs das erste Mal, dass Werke aus der Sammlung veräussert wurden. 1927 beispielsweise bestand die Regierung darauf, dass der Kunstverein Werke an die kantonale Kunstsammlung im Kunstmuseum abgibt.

Zu den insgesamt zwölf Gemälden, die damals den Besitzer wechselten, gehört Arnold Böcklins «Bildnis der Angela Böcklin als Muse» ebenso wie Ferdinand Hodlers Monumentalwerk «Der Blick in die Unendlichkeit» (dass das Kunstmuseum denselben Hodler zehn Jahre zuvor partout nicht hatte kaufen wollen, weil es Hodler keine kunsthistorische Relevanz attestierte, ist eine nette Randnotiz). 200’000 Franken erhielt der Kunstverein im Gegenzug von Basel, um die Kunsthalle zu erweitern und dringend nötige Sanierungen durchzuführen. Eine ähnliche Transaktion hatte bereits 1918 stattgefunden.

Gehörte einst dem Kunstverein: Ferdinand Hodlers «Blick in die Unendlichkeit». (Bild: ©Kunstmuseum Basel, Patrick Bühler)

Nach zahlreichen Verkäufen sind heute die Bestände der einst stattlichen Sammlung, die über fast ein Jahrhundert von einer klaren Sammlungspolitik geprägt war, merklich ausgedünnt. Wer durch den Karteikasten blättert, der die Verkäufe auflistet, der findet dort neben Hodler oder Böcklin noch weitere grosse Namen wie Cuno Amiet oder Hans Arp und weiss, dass man sich von vielen dieser Werke sicher nur ungern getrennt hat.

Ankäufe sind derweil schon länger nicht mehr budgetiert, und auch nach einer Sammlungspolitik fragt man vergebens. Die Sammlung wächst heute nur noch durch Schenkungen, sei es durch Künstler und Künstlerinnen, die in der Kunsthalle ausstellen, oder sei es durch Privatpersonen wie zum Beispiel jenes Ehepaar, das der Sammlung zum letzten Neueingang verhalf: dem Porträt eines ehemaligen Hausmeisters der Kunsthalle, das nun in seinem goldenen Rahmen in der Bibliothek an der Wand hängt und die Bücher bewacht.

Bilder zum Ausleihen für fast jedermann

Der grosse Rest der Sammlung fristet sein Dasein in einem Depot auf dem Dreispitz und sieht selten das Tageslicht. Es sind vor allem Gemälde und Zeichnungen – von den wenigen Skulpturen haben die meisten einen Platz im öffentlichen Raum erhalten. Doch auch ein paar Gemälde sind sichtbar, zum Beispiel im Restaurant Kunsthalle.

Und in manchen Firmen hängt vielleicht ein Kunstvereinsbild an der Wand. Und gar in Privathäusern. Denn die Werke aus der Kunstvereinssammlung können ausgeliehen werden – ein Service, den allerdings kaum mehr jemand nutzt. «Leider», sagt Sören Schmeling, der sich um die Belange der Sammlung kümmert und zudem seit Jahren damit beschäftigt ist, das Fotoarchiv aufwendig zu digitalisieren.

Dabei wäre es so einfach: Mitglied werden beim Kunstverein, eine E-Mail an Sören Schmeling und dann ein Werk aussuchen. Sogar die Versicherung wird vom Kunstverein organisiert, und so investiert man nicht mehr als ein paar wenige Hundert Franken und hat dafür zwar keinen «Blick in die Unendlichkeit» im Wohnzimmer hängen, dafür aber vielleicht eine Hodler-Lithografie, eine Zeichnung von Kulturpreisträgerin Silvia Bächli oder ein Werk von Bruce Nauman.

Solche Möglichkeiten der Öffentlichkeit wieder in Erinnerung zu rufen, den Kunstverein wieder bekannter zu machen, auch darum geht es dem einst grössten Basler Verein bei seinem Jubiläumsfest am Wochenende. Und so haben die Künstler und Künstlerinnen, die in der Vereinskommission einsitzen, ein reichhaltiges Programm zusammengestellt, das mit Film, Musik, Kunst, Gesprächen, Speis und Trank den gesamten Gebäudekomplex der Kunsthalle mit einbezieht. Kunstvermittlung im breitesten Sinn, könnte man dies nennen. Johann Jacob Im Hof hätte es hoffentlich gefallen.

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175 Jahre Basler Kunstverein, Kunsthalle Basel, Samstag 8. November 2014, 14–2 Uhr. Detailprogramm zum Herunterladen als pdf.

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