Premiere: Erstmals haben wir für unsere Sommer-Slam-Serie einen Mundarttext erhalten. Der Berner Autor Matto Kämpf musste auf Geheiss von Linus Volkmann die fünf Begriffe «Draufgängerpuppe, Viruslast, Gossenjournalismus, knallindiesexy, Melba» in seinen Text einbauen. Was das mit dem Open Air Frauenfeld 2002 zu tun hat? Gute Frage!
Vor 10 Jahr, im Juli 2002, isch mir sehr längwilig gsi. I bi am früeche Namittag dür Züri glofe u ha ufzmau es Plakat gseh: Ministry of Rock Festival Frauenfeld, übersetzt Ministerium des Rocks Festival Frauenfeld, u zwar mit Shane MacGowan and The Popes, nid The Pogues, The Cure, Gotthard u Cake. Potzwätter hani dänkt u z Datum gsuecht u gseh: Dasch ja hüt. U obwou i mir scho 10 Jahr früecher, auso 10 Jahr vor 10 Jahr, mau ha vorgnoh, nie me an es Open Air zgah, oder ömu a kes grosses, hani dänkt: Da gahni, Cake si cool, Shane Mac Gowan chli gränzwärtig, meh für d Nostalgie u dr Voyeurismus z befridige u klar Gotthard si Scheisse, aber warum nid wieder mau The Cure? U das aus a eim Abe. U Frouefäld isch ja o irgendwie hie ir Nechi.
I bi a Bahnhof u ha dr nächst Zug gno. Uf em sogenannte Festival-Gländ bini chli duum desume gstange u ha gwartet, dass es afaht. Nähr aber e Lutsprächer-Durchsag: Dr Shane MacGowan sig z London so bsoffe am Flughafe itroffe, dass si ne nid heige la istige. Mi het auso müesse uf Cake warte. Di si de am 6i mit ihrne chline Instrumäntli uf di grossi Bühni gstige, klatschet het niemer u es isch no brätschhäu gsi. Mi het de Cake e Stung lang chönne zueluege, wie’s ne nid wou isch. Stimmig isch keni ufcho, nid e mau bi Perhaps Perhaps Perhaps.
Nähr Gotthard. Ke Kommentar.
The Cure hani i gueter Erinnerig, si hei Fröid gha u lang gspieut. Am Afang isch luschtig gsi, wo d Bänd uf d Bühni isch cho, si das aus sehr sympathischi Ängländer zwüsche 40i-50i gsi, cool agleit, schöni Haubschue, schöni Manchester-Hose, schöni Hemli etc. nume dr Chef ir Mitti muess leider immer no so komisch usgseh: höchi wissi Turnschueh, ängi schwarze Jeans, es wisses Hemli u ne schwarze Pulli mit eme wite Uschnitt, u natürlech geng so d Haar ufe u roti Lippe u gschminkt, es kurligs Fashion Victim us de 80er Jahr. Aber süsch tiptop.
So, itze 5 Vorgabe-Wörter iboue, drum frage i mi, ob‘s a däm Open Air o privati Aspäkte het gha. Scho müglech, dass mau so nes Drufgängerpüppli i adrette knallindiesexy Klamotte uf mi zue gstüret isch u mer e Peche Melba het offeriert, aber di minersits bi ihrersits vermueteti Virus-Lascht isch mer doch de z höch gsi. Aber fertig itz mit so Dräck, mir mache hie ja ke Gosse-Journalismus, sondern gepflegte, subjektive Musig-Journalismus.
Nähr het‘s plötzlech gheisse, doch no Shane MacGowan, aber nid uf dr grosse Bühni, sondern im ne Bierzäut. Dert hei sech nähr aui Schouluschtige inequetscht u hei druf gwartet, dass itz de hie grad e schöni Jugend-Erinnerig erschütteret wird. Zersch si The Popes cho, die Bänd wo dr Shane MacGowan nach si Rausschmiss bi de The Pogues het gründet u natürlech äxtra us Trotz so het touft. Die Bänd het öppis dudlet, si hei usgseh wie ne Mischig u Suufkumpels u Sozialarbeiter vom MacGowan.
U nähr, nach e me doch ender lengere Zitili, isch de o är u d Bühni gschwankt. Bleich, ufdunse, wie ne wandelndi Anti-Alkohol Kampagne. Schockiert hei aui uf d Bühni gstarrt. Wär das wott nache erläbe, söu mau bi Google-Bilder Shane MacGowan ighäh. We me das macht, geit me nähr gad ga jogge. Är isch uf dr Bühni umgstange, völlig apathisch, wie ne Gschpänscht. Ab und zue het er öppis i z Mikrophon brümelet, völlig unverständlech, singe het er nüm chönne. Bim irische Klassiker Dirty Old Town het er immer wieder dr Afang verpasst, z Publikum het‘s schliesslech säuber müsse singe, u är het i z Publikum gstarrt, wie we ner das Lied no nie i sim Läbe hät ghört, obwou er’s sicher scho tuusig mau uf ere Bühni het gsunge, aber itz hie i däm Momänt isch es irgendwie glöscht gsi, nüme vorhande, wäg.
I bi ziemlech benomme wieder us däm Zäut use cho, ha uf em Wäg a Bahnhof eis Mineral um z andere trunke u bi de relativ ernüechteret z Züri wieder a cho.
Bis im September veröffentlichen wir jeden Freitag eine Sommergeschichte auf unserer Website. Bisher erschienen Beiträge von Lara Stoll (Winterthur), Sebastian 23 (Bochum), Andy Strauss (Münster), Laurin Buser (Basel) und Linus Volkmann (Köln).
Für seinen Nachfolger Lars Ruppel hat Matto Kämpf folgende fünf Begriffe festgelegt:
– Velo
– Mischwald
– Zahnarzt
– Bratwurst
– Himmugüegeli
Lars Ruppel hat eine Woche Zeit, daraus einen Sommertext zu basteln. Wie der Marburger Poet diese Aufgabe löst, das erfahren Sie ab dem 10. August 2012 online.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13.07.12