Schwere Kost in Riehen: Drei Kunstschaffende blicken auf die Bilder und Lebenssituationen ihrer Eltern und Grosseltern und fragen sich, was sie mit diesen zu tun haben und worin jetzt ihre Verantwortung besteht.
Sammeln, auswählen, verändern und Stellung nehmen: Diese künstlerischen Strategien verfolgen drei Kunstschaffende, deren Werke derzeit im Kunstraum Riehen ausgestellt werden. Gemein ist ihnen, dass sie die Zukunft des Vergangenen reflektieren und sie Geschichten aus ihrer persönlichen Betroffenheit und ihrer gesellschaftlichen und künstlerischen Verantwortung heraus schreiben. Eine anspruchsvolle Ausstellung – für Anspruchsvolle!
Gerahmtes Rom
Annette Ambergs Farbvideo «Roma» beginnt mit dem Ankommen in Rom, der Autofahrt durch den hektischen Verkehr. Verschiedene historische Stätten ziehen im Eiltempo vorbei. Der Blick geht durch die Windschutzscheibe, dadurch wird die Stadt ein erstes Mal gerahmt. Die zweite Rahmung, die auch schon eine Übersetzung ist, erfolgt auf dem Display des Navigationsgerätes, auf dem die historischen Gebäude als 3D-Ansichten erscheinen.
Ausstellung: «Futures of the Past», Kunstraum Riehen, bis 23.6.2013.
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation mit Texten von Wolfgang Brückle, Heidi Brunnschweiler und Gabrielle Schaad.
Diese ersten Schichten sind programmatisch für das ganze Video: In der Folge wird die Kamera stillstehend und stoisch die homogene Flut der Touristenströme aufnehmen. Es sind Bilder der Massen, welche die historischen Baudenkmäler füllen und verstellen. Aus dem Off ertönt eine weibliche Erzählstimme, die ein «You» durch die Strassen der Stadt führt. Dieses «You» kann als «Du» oder «Man» gehört werden und legt eine weitere Ebene der Rahmung über die «Ewige Stadt».
Spanien revisited
Asier Mendizabal stammt aus dem Baskenland und lebt in Bilbao. In «Futures of the Past» setzt er sich mit enzyklopädischen Darstellungen seiner Heimat auseinander. Mittels der Doppel-Diaprojektion «Das Unbekannte Spanien/España, tipos y trajes» zeigt der Künstler Ansichten von Spanien aus zwei Fotobüchern der 1920er- und 1930er-Jahre. Aufnahmen von Menschentypen und Trachten werden in einer Folge von Überlappungen mit Bildern von Baukunst, Landschaft und Volksleben zusammengebracht. Man wähnt sich in eine andere Zeit versetzt und kommt nicht umhin, sich zu fragen, wie stark sich das Leben der Enkelgeneration im heutigen Spanien verändert hat.
In der Fotoserie «Auñamendi» (Pyrenäen) aus 38 C-prints schafft Mendizabal in einer Rasterhängung einen dokumentarischen Blick auf kleine baskische Orte. Die aus der Ferne oder aus der Luft aufgenommenen Bilder ganzer Dörfer stammen aus der gleichnamigen Enzyklopädie für Regionalkunde. Obwohl man nun eine Vielzahl von Ansichten vor Augen hat, sagen diese wenig über die Lebenssituation in diesen Orten aus. Die Hüllen der Häuser und die Eingriffe in die Täler der Pyrenäen stehen hier im Vordergrund.
Ändern, was geändert werden muss
Yelena Popova, geboren 1978, verbrachte ihre Kindheit in einer der «geschlossenen» Städte der ehemaligen Sowjetunion, wo sich 1957 in der kerntechnischen Anlage Majak ein schwerer Nuklearunfall ereignete. In ihren filmischen Essays reflektiert sie ihre persönliche Betroffenheit sowie die kollektive Tragweite dieser geheim gehaltenen oder verdrängten Ereignisse und stellt sich der Verantwortung, ihnen heute Sichtbarkeit zu geben. Deren Auswirkungen evoziert sie in ihrer Zeichnungsserie «Mutatis Mutandis»: Die Künstlerin fügt den Bildern aus einem ornithologischen Bestimmungsbuch, zeichnerisch Verformungen hinzu und spielt damit auf die Veränderung der Gewebes durch radioaktive Verstrahlung an.
In anderen Arbeiten setzt sich Popova mit der Tradition des Gemäldeportraits und klassischer Ausstellungshängungen auseinander. In «Portrait Gallery Revisited» übermalt sie Postkarten berühmter Gemälde indem sie mit weisser Farbe Konturen und Formen hervorhebt. In der Installation «The Portrait Gallery» oder ihren beiden «Painting, after Holbein» – letztere wurden für die Ausstellung in Riehen geschaffen und können als Erasmus revisited gelesen werden –, reduziert sie die Darstellungen auf gerade diese Formen und Konturen. Es ist überraschend zu sehen, wie stark in diesen abstrahierten Gemälden sich trotzdem eine (vermeintliche) Individualität und Präsenz entfaltet.