Bevor sie im Herbst den Basler Pop-Preis erhielten, kannte hier kaum jemand Klaus Johann Grobe, im Ausland tourten sie jedoch schon gross auf. Heute Mittwoch spielt das retroverliebte Duo sein Album «Spagat der Liebe» erstmals in Basel vor. Wir haben den Sänger Sevi Landolt getroffen.
«Fest in der Subkultur verankert und doch breit zugänglich» begründete die Jury des Basler Pop-Preises im vergangenen Herbst ihren Entscheid, als sie den mit 15’000 Franken dotierten Preis Klaus Johann Grobe zuschob. Wer bis dahin noch nicht wirklich über die Hecken der lokalen Musikszene geschaut hatte, musste erst mal googeln.
Klaus Johann Grobe, ein Duo aus Basel/Zürich, ergänzt mit zwei Livemusikern, hatte in seinen knapp fünf Jahren Projektgeschichte zwar bereits zweimal die USA durchreist, mehrfach England, Deutschland, die Benelux-Länder – die erste Schweizer Tournee beginnt allerdings erst jetzt. Acht Konzerte stehen in den nächsten Wochen an, darunter der Auftritt in der Kaserne Basel. Es ist erst das dritte Konzert vor hiesigem Publikum.
Die Karriere lief bei Sevi Landolt und Daniel Bachmann etwas anders als üblich: Vor fünf Jahren verkaufte Landolt über eine Online-Plattenbörse ein Album aus seiner Sammlung nach Liverpool und legte gleich noch die erste EP von Klaus Johann Grobe bei.
Was er nicht wusste: Der Käufer war Betreiber eines Plattenlabels und war von der Beilage so angetan, dass er gleich den Restbestand der EP – 170 Stück – aufkaufte und neu veröffentlichte. Kurz darauf spielte das Duo am Mersey am International Festival of Psychedelia, dort wurde ein amerikanisches Label auf sie aufmerksam und bot ihnen einen Vertrag an. Da war das Duo gerade mal sechs Konzerte alt.
Das Blubbern, Zischen und Summen muss die Engländer und Amerikaner an den versponnenen deutschen Krautrock erinnert haben.
Eine Geschichte, wie sie nur in jugendlichen Proberaumträumen oder – vor ein paar Jahren – in den Utopien der sozialen Netzwerke gesponnen wird. Aber es waren keine ausgeklügelten viralen Kampagnen, die Klaus Johann Grobe bereits in frühen Stunden über die Landesgrenzen hinaustrugen, sondern die Musik.
Farfisa-Orgel und analoge Synthesizer prägten diese vordigitale, retrospektive Soundästhetik, dessen Blubbern, Zischen und Summen die Engländer und Amerikaner an den versponnenen deutschen Krautrock von Can oder Neu! erinnert haben muss.
Aber Landolt und Allemann sind auch grosse Freunde des tiefsinnigen Kitschs, wie ihm der Schauspieler Manfred Krug als Sänger für schmissigen Schlagerjazz frönte. Mit amüsiertem Blick schaut das Duo zurück auf die Sechziger-, Siebziger-, Achtzigerjahre, greift mit offenem Blick auf, was ihnen Kurioses vors Auge gerät, und erlaubt sich, wo nötig, die ironische Brechung.
«Wir sind durch die Gegend gelaufen im grossen Stil / Ohne Wenn und Aber, das war unser Deal», heisst es an einer Stelle auf ihrem aktuellen Album «Spagat der Liebe», und man hört aus den charmant hingenäselten Texten, wie viel Spass das doch machen muss. Das Tüfteln und das Trippen, und nicht zuletzt das Tanzen.
Aber lassen wir den Sänger für sich selbst sprechen – im Interview:
Sevi Landolt, was hat sich durch den Pop-Preis für Klaus Johann Grobe verändert?
Sevi Landolt: Das ist schwierig zu sagen. Abgesehen von den anstehenden Schweizer Konzerten machen wir in diesem Jahr vor allem Pause. So lässt sich die Wirkung schlecht messen.
Brauchen Sie Abstand? Klaus Johann Grobe hat in wenigen Jahren viel erreicht.
Ja, aber wir halten uns deswegen nicht für die Grössten. Wir geniessen den Spass, aber Distanz ist wichtig. Wer sich zu fest von Erfolgen mitreissen lässt, konzentriert sich weniger auf die Musik, sondern auf das Image, und das wäre eine Gefahr. Aber wir sind zum Glück keine Anfänger, sondern beide 30 Jahre alt, verheiratet …
… also geerdet?
Ich glaube, ja. Wir lassen uns nicht so einfach verrückt machen. Es ist ein guter Moment, runterzufahren, den Kopf frei zu haben und rumzutüfteln. In den vergangenen zwei Jahren war viel los, und wenn ich zurückkomme von einer Tournee, brauche ich einige Zeit, um wieder meinen Rhythmus zu finden. Und ich habe ja auch noch einen Beruf.
Sie betreiben Ihr eigenes Grafikbüro und sind auch für den visuellen Auftritt von Klaus Johann Grobe verantwortlich. Was ist das Konzept?
Am Anfang haben wir unsere Gesichter auf Promofotos nie gezeigt, davon sind wir mittlerweile zwar etwas weggekommen, aber ich denke, es steckt noch immer viel Humor dahinter. Eine gewisse «Komischheit», ohne vollends als Persiflage zu erscheinen. Man hört das auch unserer Musik an, glaube ich. Wir haben Freude an seltsamen, lustigen, auch kitschigen Einfällen.
Kitsch – was heisst das für Sie?
Den findet man in beispielsweise in pompösen Arrangements oder Harmonien und geschmeidigen Akkordfolgen. Oder ein übertriebener Schlagzeugbreak, der so blöd ist, dass man ihn wieder gut finden muss. Diese Gratwanderung interessiert uns sehr, und das zieht sich durch alle Genres durch. Was wir mit unserem aktuellen Album «Spagat der Liebe» viel stärker ausprobiert haben, sind die klassischen Popsong-Strukturen: Strophe, Refrain, Strophe – es hat ja was Komisches, wie gut diese erprobten Rezepte immer noch funktionieren. Aber die Ironie hat auch Grenzen, eine lachende Zeitreise oder eine musikalische Persiflage wollen wir keineswegs sein. Wir sind kein Comedy-Act. Andere können das brillant, etwa Helge Schneider. Aber wir sind immer noch eine Band, die als solche wahrgenommen werden soll. Wir spielen Konzerte, keine Unterhaltungsabende. Und natürlich findet sich Kitsch auch in Texten, besonders im deutschsprachigen Schlager, wo man ja viel direkter erfährt, worum es geht.
«Wir sind kein Comedy-Act. Wir sind immer noch eine Band.»
Eine besondere Schwäche hegen Sie für den jazzigen Bigband-Schlager des Schauspielers Manfred Krug aus den 1970er-Jahren. Völlig vergessenes Zeug. Wie kommen Sie darauf?
Wir sind beide Plattenfreaks, ich kaufe Platten, seit ich 16 bin. Da findet man dann auch so was. Wie die Texte von Krug von Günther Fischer und seiner Band arrangiert worden sind, ist musikalisch absoluter Wahnsinn. Die Harmonien sind brillant, die Musiker sackstark. Und Krug singt darüber fast schon klassische Schlagertexte, aber mit gewissem Mehrwert, der für viele Leute funktioniert hat. Da geht es etwa um einen Verliebten, der auf einen Zug wartet, doch die Frau kommt nicht, und so wird er verlassen … Herzschmerz, aber auch immer überspitzt und ironisch. Krug macht sich auf eine verdeckte Art lustig über die damalige Schlagerszene, und war dennoch ein Schlagerstar. Und das mit einer Musik, die offen war für Einflüsse aus Funk, Jazz, Progrock. Das fasziniert mich.
Auffallend sind Ihre Texte, die auf Platte wie live immer mitten in den Sound hineingemischt sind. Absicht?
Ja, völlig. Auch wenn wir Songs schreiben, zuerst kommt immer die Musik, dann der Text. Die Stimme hat eher die Funktion eines weiteren Instruments. Wir hatten nie die Idee eines Songwritings, in dem Gesang und Text über allem stehen. Man soll sich ruhig etwas konzentrieren, wenn man die Lyrics hören will.
Was sich lohnt – die Texte sind herrlich absurder Klamauk. Deutsche Rezensenten freuen sich vor allem an Begriffen wie «Affenzahn» oder «vertrackt», die langsam aus dem deutschen Sprachgebrauch verschwinden. Woher kommt das Interesse daran?
Ich hege seit der Schulzeit eine Freude an der deutschen Sprache, besonders auch an alten Filmen oder Büchern, in denen noch ein umständlicheres Deutsch gesprochen wurde. Deutsch lässt einem viele Möglichkeiten, etwas rhythmisch verhackt zu singen. In der Schweiz sind wir uns gar nicht bewusst, wie sich die deutsche Sprache wandelt und Begriffe verschwinden. Wenn wir in Deutschland spielen, lachen die Leute dann im Publikum, in unseren Liedern wieder auf solche Worte zu stossen, die zwar vertraut, aber nicht mehr gebräuchlich sind.
Sie pflegen einen wunderbar entspannten Umgang mit dem Retro-Label.
Ja, wir wurden sogar schon mehrmals gefragt, ob wir eine nostalgische Band seien. Wahrscheinlich hat das schon was, das Gefühl von Aufgehobenheit ist Teil unserer Musik. Aber uns gefällt auch einfach die Klangästhetik der Sechziger- und Siebzigerjahre, dort findet man einen warmen, charakterstarken Sound und eine grosse Offenheit für Innovationen, die aus heutiger Sicht manchmal skurril wirken, aber andererseits uns kulturell auch stark geprägt haben. Aber man muss damit arbeiten und sich intensiv damit auseinandersetzen, damit man nicht nur ein Imitat, sondern was Gutes erhält.
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Klaus Johann Grobe: Kaserne Basel, Mittwoch 25. Januar.