«Wir sind kein Wir, wir sind ein Es»

Das Basler Kollektiv Bufo Makmal tanzt im Roxy seine erste abendfüllende Performance. Auf der Bühne verschmelzen sie zu einem einzigen Körper. Klar, haben wir ihre vier Stimmen im Interview zu einer gemacht.

Das Verknäulen ist den Frauen von Bufo Makmal zur natürlichen Bewegung geworden. Von links: Margarita Kennedy, Stefanie Fischer, Zoe Gyssler, Clea Onori. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Das Basler Kollektiv Bufo Makmal tanzt im Roxy seine erste abendfüllende Performance. Auf der Bühne verschmelzen sie zu einem einzigen Körper. Klar, haben wir ihre vier Stimmen im Interview zu einer gemacht.

Den schönsten Anblick hatte man während der Premiere am Dienstag beim Applaus: Sehr grosses Glück in den Gesichtern der vier jungen Frauen, die zum ersten Mal ein abendfüllendes Stück choreografiert und getanzt haben.

«All.es», wie das Stück heisst vom Tanzkollektiv Bufo Makmal, ist ein einziger Flow. Der Synthesizersound (Christian Fischer) wird in einer ewigen Entwicklung vom Klang zum Beat und zerfällt wieder zum Geräusch. Auch in der Choreografie der Frauen, die zwischen 25 und 31 Jahre alt sind, ist alles Übergang, Brüche gibt es keine.

Zu Beginn liegen sie als Knäuel auf der Bühne, nicht vier Körper, sondern ein einziger. Sie wabern durch den Raum, bis es sie auseinanderreisst, sie getrennt gehen, um dann wieder eins zu werden. Das Thema ist archaisch: Man wird nackt und allein in die Welt geworfen und steht doch mit allen Dingen in Verbindung.

Doch wie findet man sie? Diese Frage haben wir den vier Tänzerinnen gestellt und ihre Antworten, schlüssigerweise, als Kollektiv notiert.

Bufo Makmal, sind Sie verschmolzen?

Wir sind ein Schwarm geworden. Wir verwechseln manchmal unsere Namen. Zoe, Steffi, es spielt keine Rolle. In der Anfangsszene geht es um die Idee, mit derselben Energie vorwärtszukommen. Dass wir alle aus demselben Material sind. Kein Wir, sondern ein Es.

Wenn Es ein Tier wäre, dann welches?

Verschiedene, es transformiert sich. Wir haben es bis dahin auch noch nicht gekannt. Für einige Bewegungen haben wir Namen. Ein Move heisst Kakerlake. Es gibt Echsen, Würmer.

Wie heisst die Bewegung mit der schwungvollen Rundbewegung?

Echsenschwanz.

Im Ernst?

Das war jetzt erfunden. Eine Figur heisst Fische an Land. Ein Duett, das wir tanzen, fängt menschlich an, dann werden die Bewegungen abstrakt – ein Tier, aber welches?

Sie werden beim Tanzen unmenschlich?

Schwer zu sagen. Wir sind im Stück nicht menschlich, obwohl es Momente von Menschlichkeit gibt. Wir können sie nicht verbergen. Bei der Bewegungsrecherche ging es um den Instinkt. Instinkt hat jeder Mensch, aber heutzutage hört man nicht unbedingt darauf. Man überlegt eher. Die Arbeit des Choreografen ist auch eine intellektuelle Auseinandersetzung mit einem Thema, doch auf der Bühne interessiert uns der Verstand kaum.



So sieht «All.es» auf der Bühne aus (mit 90ties-Schock).

So sieht «All.es» auf der Bühne aus (mit 90ties-Schock). (Bild: Susanna Bruell)

Wie kann ein durchchoreografierter Tanz instinktiv sein?

Obwohl wir eine Choreografie tanzen, haben wir den Anspruch, aus Instinkt zu handeln. So, dass wir über die Bewegungen nicht mehr nachdenken müssen. In diesem Sinne gibt es keinen Unterschied zwischen der Improvisation und der Komposition. Es ist eher eine Frage der Haltung. Wenn alle zugleich diese Haltung einnehmen, entsteht etwas, das mehr ist als die Summe der Teile. Eben ein Es. Wichtig war für die Arbeit: Was fragt das Stück von uns?

Und, was fragt es?

Mit der Zeit wurde klar, wer von uns nackt auf der Bühne stehen muss. Es gab Momente, wo es jede von uns hätte sein können, doch dann hat es sich ergeben.

Was macht Nacktheit?

Ursprung. Die Haut atmet. Wenn man nackt ist, ist man verbunden mit allen Sinnen. Scham ist etwas Späteres, die hat uns die Gesellschaft aufgebürdet. Durch einen Schlitz in einer Wand flutscht eine von uns nackt auf die Bühne. Das ist wie eine Geburt.

Wer nackt ist, ist auch ungeschützt. Treibt Sie ein Gefühl von Verlorenheit an?

Wir choreografieren, weil wir etwas greifen wollen. In der Arbeit am Stück wurde mit der Zeit vieles klar: Wie die Bühne sein muss, das Licht, die Visuals, der Klang, die Bewegungen. Bei der Arbeit im Kollektiv gibt es immer wieder den Moment der Selbstaufgabe. Das Kollektiv bedingt das Verlorensein.

Wodurch entsteht Geborgenheit?

Wenn die Verbindung zum Gegenüber offen ist. Wenn es dich trägt. Während eines Solos zu merken, dass die Anderen da sind, obwohl sie in dem Moment weit weg sind. So wie die Planeten im Universum: Alles hat eine Connection (es lacht) – man merkt schon, dass wir Frauen sind, nicht?

Was wäre anders, wenn Sie Männer dabeihätten?

Ohoho! Das wäre sehr anders. Totales Beziehungsthema, sofort.

Sind Sie das Thema Geschlecht in der Arbeit losgeworden?

Ja. Es ist nicht einfach, mit einem Mann beim Tanzen eine solche Nähe aufzubauen. Wir waren zunächst eine gemischte Gruppe. Damit nahm auch das Vertrauen zwischen den Frauen ab.

Konkurrenz?

Wahrscheinlich.

Sind Sie heterosexuell?

Ja. Bis jetzt (Lachen). Es gab Momente, wo wir dachten, wir wechseln das Ufer. Tanz ist eine Form von Liebe.

Ganz andere Frage: Was können Worte nicht?

Tanz ist ein ganz anderes Ausdrucksmittel. Wenn wir tanzen, denken wir auch. Vor allem in Bildern und Gefühlen, aber auch sprachlich. Über die Bewegungen kann sich das sehr schnell äussern. Der Weg von der Empfindung zum Ausdruck ist kürzer als beim Wort. Kommt dazu: Worte bezeichnen Fakten, Bewegungen zeigen die Entwicklung dorthin.

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«All.es»: 18. bis 20. Dezember, 20 Uhr, 21. Dezember, 18 Uhr, Theater Roxy, Birsfelden.

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