«Wirk.Stoffe» – eine Ausstellung ohne Risiken und Nebenwirkungen

Das Historische Museum Basel widmet sich endlich dem grossen Basler Thema: der Pharmaindustrie. Denkt man. Die Ausstellung «Wirk.Stoffe» aber hat fast nichts Baslerisches – und das ist, obwohl schön gemacht, schade.

Auch für den Schutz gegen schädliche Sonnenstrahlen gab es nicht immer schon das geeignete Mittel.

(Bild: Karen N. Gerig)

Das Historische Museum Basel widmet sich endlich dem grossen Basler Thema: der Pharmaindustrie. Denkt man. Die Ausstellung «Wirk.Stoffe» aber hat fast nichts Baslerisches – und das ist, obwohl schön gemacht, schade.

Basel und seine Chemie und Pharma, das ist eine Geschichte, die – wenn man sie erzählt – ein dickes Buch füllt. 768 Seiten sind es im Falle der Publikation, die dieser Tage im Christoph Merian Verlag erscheint. Gleichzeitig eröffnet im HMB Museum für Geschichte eine Ausstellung, die die Innovationsgeschichten dieser Industrien ins Zentrum stellt. Dabei aber Basel nur am Rande erwähnt.

Wirkstoffe stehen im Fokus der gleichnamigen Schau, 17 an der Zahl: von A wie Aspirin über C wie Coartem bis S wie Salvarsan. Wirkstoffe, die wie der erste künstliche Farbstoff, das Mauvein, durch Zufall entdeckt wurden, oder nach denen speziell geforscht wurde, wie zum Beispiel Gynergen. Manche von ihnen hatten einen Impact auf die Gesellschaft, etwa die Pille. Einige zeitigten aber auch schlimme Nebenwirkungen und verschwanden deshalb wieder vom Markt, zum Beispiel Contergan.

Die Geschichte der Forschung und Wissenschaft ist auch eine Gesellschafts- und Sozialgeschichte. Mit dem ersten Chemotherapeutikum Salvarsan brachte man die Syphilis unter Kontrolle, Coartem hilft, die Malaria im Zaum zu halten, die Pille bietet Frauen Schutz vor ungewollten Schwangerschaften, Delial schützt vor schädlichen Sonnenstrahlen – solche Wirkstoffe, aber auch die Erfindung von Kunststoffen wie Bakelit haben die Gesellschaft grundlegend verändert, wie die Ausstellung im HMB zeigt.




Weil der Verzicht auf Ausspucken alleine gegen Tuberkulose nicht hilft, braucht es Medikamente wie Rimifon. (Bild: Dominique Spirgi)

Die Forschungsgeschichte bietet aber auch Hand für ein kritisches Nach- und Hinterfragen.

Das HMB hat deshalb seine Ausstellung in vier Kapitel unterteilt, die szenografisch in vier unterschiedlichen Farben gehalten sind. Sie widmen sich grossen Fragen: Wie kommen Innovationen zustande? Was für eine Rolle spielen Patente? Wie sieht die Wechselwirkung Innovation – Gesellschaft aus? Und wie gehen wir mit Risiken um?




(Bild: ©Historisches Museum)

Auf viele dieser Fragen gibt es keine klaren Antworten, denn sie sind so umstritten, wie es Innovationen auch sind.

Für den Bereich der Patente haben sich die Kuratoren deshalb Hilfe bei Experten gesucht: Sieben haben sie befragt, aus unterschiedlichen Branchen – vom Pharmalobbyist über die WHO-Sprecherin bis zum Historiker. Ihre Antworten fallen dementsprechend disparat aus, und der Besucher muss sich gezwungenermassen eine eigene Meinung bilden, wenn er sich nicht mit der einfachen Antwort zufriedengeben will, dass es halt kompliziert ist.

Eine Wanderausstellung

Die Ausstellung «Wirk.Stoffe» hat das HMB zusammen mit den «DASA Arbeitswelten» in Dortmund erarbeitet – dort wird sie im Anschluss auch noch gezeigt werden. Das kann auch als Erklärung dafür herhalten, dass die Schau recht wenig mit Basel zu tun hat.

Und das ist schade, auch wenn die Anekdoten um die Wirkstoffe interessant sind und man als Laie einiges lernen und entdecken kann. Auch die Auswahl der Exponate macht Freude, nicht nur wegen der originalen Schimmelkultur von Penicillin-Entdecker Alexander Fleming. Sondern auch wegen der vielen Päckli, die man doch irgendwie schon lange kennt.

Es ist offensichtlich: Hier hat sich jemand Mühe gegeben. Und doch: Es ist eine Ausstellung, die man problemlos auch im Foyer der Novartis zeigen könnte. Eine Ausstellung, die niemandem weh tut. Und die hierin halt doch eine Chance vertan hat: Auf die grosse Schau über die Industriegeschichte der Region müssen wir noch weiter warten.




Hätten wir einen Wunsch frei, wir würden uns mehr Basel-Bezug wünschen. (Bild: Dominique Spirgi)

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«Wirk.Stoffe – Chemisch-pharmazeutische Innovationsgeschichten», HMB Museum für Geschichte, Barfüsserkirche, Basel. 11. November 2016 bis 18. Juni 2017

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