Wochenstopp «Hallo Geliebte»

Die neu gegründete Volksbühne Basel wagt sich gleich an «Romeo und Julia».

Szene aus Selam Habibi. (Bild: Georgios Kefalas)

Die neu gegründete Volksbühne Basel wagt sich gleich an «Romeo und Julia».

Romeo liebt Julia, Julia liebt Romeo – also alles gut? Natürlich nicht, wie wir alle wissen. Und das wiederum ist gut für uns als Theatergängerinnen und -gänger, denn nur durch die grossen Konflikte und die unglücklichen Verstrickungen wurde Shakespeares Liebestragödie zum unsterblichen Jahrtausendwerk oder zur «ganz vorzüglichen und höchst beklagenswerten Geschichte von Romeo und Julia», wie die neu gegründete Volksbühne Basel den ursprünglichen Originaltitel des Dramas als Untertitel zu ihrem Projekt «Selam Habibi» (Hallo Geliebte) zitiert.

Die zeitlose Gleichnishaftigkeit, die dem Stoff innewohnt, hat unzählige Autoren, Theaterleute und Filmer angeregt, ja geradezu aufgefordert, die Geschichte aus dem adligen Umfeld des 16. Jahrhunderts heraus in neue, aktuelle Konstellationen zu bringen. «Romeo und Julia» auf dem Dorfe, im Konflikt zwischen den Kulturen im New Yorker West Side etc. Und nun also im multikulturellen Kleinbasel.

Zwei Liebende, aufgerieben und geopfert im Konflikt zwischen den Kulturen? Zwischen Neubaslerinnen aus muslimischen Kulturen und Altbaslern mit christlichem Hintergrund etwa? «Nein», gibt Anina Jendreyko, Regisseurin und Mit-initiantin der Volksbühne Basel, deutlich zu verstehen. «Wir erzählen die Geschichte nicht aus zu erwartenden Polarisierungen heraus, uns geht es nicht um Arm gegen Reich, nicht um den Konflikt in- gegen ausländisch», sagt sie.

Romeo und Julia finden sich hier im transkulturellen Umfeld der heutigen städtischen Bevölkerung, in dem ein grosser Teil der Menschen in mehreren Lebens­modellen zu Hause ist.

Es ist tatsächlich eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft, die sich hier auf der Bühne respektive im Schalandersaal des Restaurants Zum Alten Warteck zusammenfindet: Zeynep Yasar als Julia ist eine junge kurdischstämmige Laiendarstellerin, die aus dem transkulturellen Theaterprojekt «fremd?!» zur Volksbühne-Truppe gestos­sen ist.

Yasin El Harrouk, der Darsteller des Romeo, ist ein deutscher Schauspieler marrokanischer Abstammung. Dazu kommen weitere Bühnenprofis, Musiker, Jugendliche sowie «zwei Omas» mit türkischen, armenischen, polnischen, iranischen, albanischen, bosnischen, kamerunischen, palästinensischen, deutschen und schweizerischen Wurzeln.

Beim Probenbesuch war faszinierend zu erleben, wie aus dem multikulturellen Ameisenhaufen, in dem sich Regisseurin Jendreyko als grosse sprachliche und organisatorische Multitaskerin beweisen muss, plötzlich eine stimmig-fesselnde Spiel­szene entsteht, wenn die Darstellenden in ihre Rolle treten. Ein rauschendes orientalisch-abendländisches Fest beginnt, mit Musik, Gesang und Tanz, Alt und Jung und zwei Menschen, die sich unsterblich ineinander verlieben…

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.03.13

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