Wochenstopp: Sophie Hunger

Die 29-jährige Schweizerin präsentiert in der Kaserne Basel ihr neues Album «The Danger of Light».

Leuchtet auf der Bühne: Sophie Hunger. (Bild: zVg)

Die 29-jährige Schweizerin präsentiert in der Kaserne Basel ihr neues Album «The Danger of Light».

Gut 200 Konzerte hat sie seit Januar 2010 hinter sich und mit «1983» sowie «The Danger of Light» dazu noch zwei ­Alben veröffentlicht. Das geht an niemandem spurlos vorbei. Auch nicht an Sophie Hunger. Mit 29 Jahren beherrscht sie ihr Metier. Ihre Stimme wirkt. Sie setzt dieses intimste aller Instrumente nach Belieben ein, immer im Dienst ihrer Lieder. Sie kann und weiss das. Punkt.

Die Band spielt kompakt, präzise, ­konzentriert. Klingt dabei leicht unter­instrumentiert, darum roher, reduzierter als vor zwei Jahren in Basel. Sara Oswald am Cello ersetzt Michael Flurys Posaunenparts. Einige werden sein dramatisches Blech und Christian Praders virtuose Gitarre vermissen. Dafür erlaubt sich der Unter-anderem-Keyboarder Alexis Ané­rilles kleine Solofreiheiten, die den ­ansonsten so streng (nicht eng!) arran­gierten 3:30-Kompositionen als Frischluftzufuhr guttun!

Weniger expressiv

Sophie Hungers Bühnenpräsenz 2012 ist asketisch, wie man im November in Paris feststellen konnte. Im ausverkauften «Café de la Danse» war ihre Körper­sprache und Mimik weit weniger expressiv als bei ihren letzten Basler Gastspielen im Volkshaus und in der Kaserne vor zwei Jahren. Die 29-Jährige wirkt abgeklärter, kühler, auch abgebrühter vielleicht, pro­fessioneller im besten Sinne. Wer damals dachte, das stehe die Hunger nie durch auf Dauer, sich in jeden Song so reinzustürzen und dabei dermassen zu verausgaben; jedes Lied zu singen, als wärs das erste und für immer letzte Mal; sich alle fünf Minuten das Herz aus dem Leib zu reissen und es, noch schlagend, in zur Schale geformten Händen, mit ausgestreckten Armen ins Auditoriumsdunkel zu halten – wer das ­alles dachte, der sieht sich auf ihrer aktuellen Tour bestätigt.

Sie ist – zum Glück für sie – distanzierter. Kaum je der entrückte Blick gen Himmel, mit dem sie während fast jedem Lied das Publikum verzauberte. Sophie Hunger interpretiert ihre Stücke neuerdings, sie verkörpert sie nicht mehr. Ihre Auftritte sind jetzt Konzerte, sehr gute Konzerte, aber keine Messen mehr für Hunger-Jüngerinnen und -Jünger.

Fallende Stecknadeln

Will man objektivieren, wie aufmerksam ihr Publikum bei der Sache ist, gibt es einen einfachen, in allen Konzerten beobachtbaren Gradmesser. Wenn am Ende des Songs «Train People» der Chor die letzte Zeile («while we’re passing, time is passing») hingetupft und sich der Klang im Saal verloren hat, wenn es so still ist, dass man eine Stecknadel zu Boden fallen hört: Wie viele Sekunden dauert es dann, bis das Publikum aus der Versenkung auftaucht und zu klatschen beginnt?

Im Pariser «la Cigale» im Juni 2010 blieb das Schlussbild der zerrinnenden Zeit in den tausend Köpfen rekordverdächtige 66 Sekunden lang stehen, veri­fizierbar in einem Video auf vimeo.com. 2012 im «Café de la Danse» hielt es ­knappe 20 Sekunden. Basel, das gilt es zu toppen – sie hat es verdient!

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.12.12

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