Wochenstopp: Wildwuchs

Das Festival Wildwuchs erweitert im sechsten Jahr sein thematisches Spektrum.

iner von mehreren internationalen Acts: «The Freak & The Showgirl». (Bild: zvg)

Das Festival Wildwuchs erweitert im sechsten Jahr sein thematisches Spektrum.

Das «radikale Bildtheater» (NZZ) des italienischen Regisseurs Romeo Castellucci rüttelt auf. Im Wiener Burgtheater löste die im Rahmen der Wiener Festwochen angesetzte Produktion laute Proteste aus. Jetzt ist «Sul concetto di volto nel figlio di Dio» am Wildwuchs-Festival in Basel zu sehen.

Castellucci, dessen Lebenswerk eben mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig ausgezeichnet wurde, zeigt in aufwühlend direkten Bildern das trostlos bittere Zusammenleben zwischen einem greisen und von Inkontinenz geplagten Vater und seinem Sohn – dies alles spielt sich vor dem riesigen Antlitz von Jesus ab, das am Schluss mit Handgranaten beworfen wird. Grundthema dieses Abends ist das Elend des Altseins bzw. des Umgangs mit alten Menschen. Dass das Thema Alter bei Wildwuchs vorkommt, ist als Zeichen dafür zu lesen, dass das Festival, das 2001 als Plattform für Kulturprojekte über und vor allem mit Menschen mit körperlicher und geistiger «Behinderung» lanciert wurde, seinen Themenkreis erweitert hat.

Störfaktor

«Wir haben das Spektrum um weitere Menschen erweitert, die am normalen Gesellschaftsleben nicht ungehindert teilnehmen können», sagt Gunda Zeeb, neben der Festivalgründerin Sibylle Ott neue künstlerische Co- und designierte Leiterin von Wildwuchs ab 2015. Konkret erweitert wurde es um «Behinderungen» aus sozialen, migrantischen und demografischen Gründen. Aus dem ehemaligen, etwas arg politisch korrekt klingenden Motto «Kulturfestival für Solche und Andere» wurde dadurch neu der selbstbewusste Ausruf «Wir stören!»

Wildwuchs hat sich gleichzeitig aus der lokal verankerten Initiative endgültig zum internationalen Festival gemausert. Dafür spricht die Tatsache, dass dieses Jahr gleich mehrere international gefeierte Acts auf dem Programm stehen. Neben dem eingangs erwähnten Projekt von Castellucci gehört sicherlich auch die choreografische Installation «Mobile/Evolution» der schottischen Tänzerin Claire Cunningham dazu oder die Burlesque-Performance «The Freak & The Showgirl» mit Julie Atlas Muz und Mat Fraser.

Wildwuchs bietet aber nach wie vor auch lokalen Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform. Stellvertretend für viele sei hier das Projekt «Mein Basel» im Rahmen der transkulturellen Theateraktion «fremd?!» unter der Regie von Patrick Gusset genannt. Jugendliche mit Migra­tionshintergrund führen das Publikum vom Festivalzentrum auf dem Kasernenplatz aus durch die Strassen, die ihren Alltag bestimmen. Es handelt sich um eine von mehreren «Störmobil»-Aktionen, mit denen das Festival auch über die Festivalzentren Kaserne Basel und Roxy Birsfelden hinaus im Stadtraum seine «störenden» Spuren hinterlassen wird.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 24.05.13

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