Sirtaki tanzen am Strand, während die Bouzouki immer schneller klimpert – so ist Griechenland, hat uns Anthony Quinn als Zorbas weisgemacht. Die Musik zum berühmtesten aller Griechen schrieb Mikis Theodorakis – ein Komponist, der als linkspolitischer Grandseigneur des geschundenen Landes fast ebenso berühmt ist. Am 29. Juli feiert er seinen 90. Geburtstag.
Man redet viel von Griechenland dieser Tage – natürlich auch vom Euro, von volkswirtschaftlicher Verantwortung und davon, ob Sparen oder Konsumieren die Menschen oder zumindest die Wirtschaftsminister glücklicher macht. Aber man redet, besonders bei unseren nördlichen Nachbarn, auch viel von den Griechen selbst. Wie ihr Staat derart marode werden konnte, und was die griechische Seele selbst dazu beigetragen hat.
Keiner hat uns Alpennordländern mehr über die Griechen erzählt als Alexis Zorbas. Der Schlawiner ist listenreich wie Odysseus, aber eben auch der wandelnde warmherzige Irrsinn, bei dem kaum etwas funktioniert, was er anfasst, wie zum Beispiel die Seilbahn für den Transport von Baumstämmen. «A man needs a little madness to cut the rope and be free», sagt Zorbas seinem steifen Gegenüber aus England danach, als der mit der Seilbahn auch sein Vermögen zusammenfallen sieht. Verrückt, aber freigeistig. Zumindest bis die Troika mit dem nächsten Sparprogramm anrückt.
Ouzo schlürfend und Hammelfleisch kauend
29. Juli feiert er seinen 90. Geburtstag.
«Zorbas the Greek», der Welterfolg von 1964 mit einem überwältigenden Anthony Quinn, hat diese Ouzo schlürfenden, Hammelfleisch kauenden Griechen, die laut und fröhlich am Meer ihre Tänze tanzen, unabwendbar in unseren Stereotypenkatalog hineingepresst. Jede zweite griechische Taverne in unseren Innenstädten und Agglomerationssiedlungen hat sich nach diesem Strandtänzer getauft, der, da Grieche, ja sowieso auch irgendwie Philosoph ist; und kein Werbespot über die blauen Dächer von Santorini, zu dem nicht im Hintergrund eine von Theodorakis‘ unsterblichen Melodien klimpert (siehe Kasten).
Quinn hat aus Zorbas einen mythischen Schelm geformt, der die Welt als grosses absurdes Theater begriffen hat und sich wie Zeus auf seinem Gipfel ob ihr und all den närrischen Menschen, die versuchen, etwas Konstruktives aus ihr zu formen, köstlich amüsiert. Der Zorbas aber, den Nikos Kazantzakis in seinem gleichnamigen Roman, der dem Film zugrunde liegt, beschrieben hat, ist ein komplexerer Geist. Kazantzakis stellt dem jungen, intellektuellen Engländer seinen Zorbas als «Instinktmenschen» gegenüber, eine dionysische Figur jenseits der normativen Strukturen von Moral und Ethik, der seinem jungen Schützling den berühmten Rat, «das Leben zu lieben und den Tod nicht zu fürchten» gibt.
Aber Zorbas‘ Einsicht in das menschliche Wesen reicht noch tiefer, er kennt die lauernde Tendenz des Menschen, sich selbst Wolf zu sein, was Buch wie Film erschütternd am Schicksal der attraktiven Dorfwitwe veranschaulichen, die einem archaisch-barbarischen Ehrbegriff der männlichen Dorfbewohner und schliesslich dem Lynchmord zum Opfer fällt. Kazantzakis hat seinen Zorbas nicht erfunden, er ist ihm tatsächlich als junger Mann begegnet, als der noch griechischer Mönch war, und hat später mit ihm in Bergwerken geschuftet. Geschmückt hat er ihn jedoch mit jenem existenzialistischen Freiheitsideal, das keine Utopie von den Menschen erwartet, weder im sozialen noch im moralischen Raum, und sich darum ohne Verzweiflung ins irre Welttheater schickt. «Ich hoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei.» steht auf seinem Grabstein in Heraklion.