Zu viel Freiheit macht Angst: Das Romandebüt von Simone Lappert

Simone Lappert, die in Basel lebt, hat ihr Romandebüt geschrieben. In «Wurfschatten» kämpft eine junge Schaupielerin mit ihrer unbegründeten Angst vor allen Dingen. Und berührt damit etwas, was unsere Generation ausmacht.

Simone Lappert in Berlin Prenzlauer Berg, wo ihr das Aargauer Kuratorium einen Aufenthalt ermöglicht. (Bild: Valentin Kimstedt)

Simone Lappert, die in Basel lebt, hat ihr Romandebüt geschrieben. In «Wurfschatten» kämpft eine junge Schaupielerin mit ihrer unbegründeten Angst vor allen Dingen. Und berührt damit etwas, was unsere Generation ausmacht.

Wir wollen ja nicht sagen: in eigener Sache. Doch immerhin stammen etliche Buchbesprechungen in der TagesWoche von Simone Lappert. Jetzt hat die Wahlbaslerin, die 1985 in Aarau geboren wurde, ihren ersten Roman geschrieben: «Wurfschatten», erschienen im Berliner Metrolit Verlag.

Ada ist 25 Jahre alt und Schauspielerin ohne Bein auf dem Boden. Bei einem Unterhaltungstheater auf einem Rheinschiff spielt sie eine Leiche und hindert damit ihre Schulden ein klein wenig am Grösserwerden. Nach aussen sagt sie: Sie sei froh um die Ruhepause zwischen wichtigeren Engagements. Nach innen verzweifelt sie, weil sie es nicht mal schafft, den Vorsprechtermin an interessanten Häusern wahrzunehmen.

Denn Ada hat Angst. Angst vor allem möglichen und Angst vor nichts. Auf jeden Fall ist es eine Angst ohne Grund, der ihr ersichtlich wäre. Einmal zählt sie auf: Sie habe «Angst vor ihrem eigenen Körper, Angst vor Erdbeben, vorm Ersticken, vorm Erschlagenwerden, Angst vor einer Herzattacke, einer Hirnblutung, vor Attentaten, Amokläufen, Spülmittelresten, vor Lebensmittelvergiftungen, Lungenkrebs, Autobahnen, vorm Fliegen, vor dem eigenen Gasherd, dem eigenen Föhn».

Angst ohne Herkunft

So genau sie ihre Lage benennen kann, macht es sie nicht weniger diffus. Sicher ist, dass sie regelmässig Zustände kriegt, mit Zittern, Schlaflosigkeit und einem Blickfeld, das im Kreis herumrast. Dann fährt sie zur Beruhigung Taxi, nachts, wenn die Stadt von der Geschäftigkeit frei ist. Oder sie landet im Krankenhaus.

Teilen kann sie ihre Angst jedoch nicht, weder mit Kollegen, noch mit Juri, in den sie sich verliebt, ohne dass sie es wahrhaben will. Sie versteht selber nicht, woher ihre Lähmung kommt. Es gibt keine Wunde, auf die sie zeigen könnte und sagen: Hierher kommt mein Schmerz und aus diesem Grund bin ich, wie ich bin.

Woher kommt Adas Angst und damit ihre Lähmung? Simone Lappert sucht in Adas neurotischer Zuspitzung nach etwas, das alle Twens zur Zeit aufhält. Eine Antwort lässt sie Ada selber geben: «Meine Mutter sagt, meine ganze Generation sei hoffnungslos verweichlicht. Sie sagt, wir seien eine Horde gelangweilter Allergiker, für die es schon ein Abenteuer sei, Kaffee ohne Milch zu trinken, und dass wir keine Ahnung hätten, was es bedeute, für etwas zu kämpfen, dass wir unserer Freiheit nicht gewachsen seien. Manchmal glaube ich, sie hat recht.»

Wege aufzeigen

Der eigenen Feiheit nicht gewachsen: Umso schlimmer, wenn das die eigene Mutter sagt. Doch vielleicht bleiben tatsächlich viele von uns in der leidigen Ich-Suche stecken, statt etwas aufzugleisen, weil uns die Mauern zum Einreissen fehlen. Weil wir bereits überall auf (scheinbare) Freiheit stossen. Zu viel Freiheit macht Angst, könnte man zuspitzen, Angst vor den Möglichkeiten, die man nicht nutzt.

Natürlich kann Juri mit seinem erstaunlichen Charakter doch etwas auslösen bei Ada. Wohin die Liebesgeschichte geht, wird nicht verraten, nur so viel: Ihr Ausgang ist nicht nach Schablone gezeichnet.

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Simone Lappert: «Wurfschatten». Metrolit, 207 Seiten.

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