Zürcher Daros-Museum schliesst für immer

Das Zürcher Löwenbräu-Areal verliert ein renommiertes Privatmuseum für lateinamerikanische Kunst.

Grossbaustelle Löwenbräu. (Bild: Markus Forte/ ex-press)

Das Löwenbräu-Areal in Zürich verliert ein renommiertes Privatmuseum für lateinamerikanische Kunst: Daros zieht mit seinem Museum nach Rio de Janeiro.

Noch bevor der Besucher das Hauptgebäude des Zürcher Löwenbräu-Areals betrat, wurde er via Glasfront von oft farbenfrohen Werken willkommen geheissen: Seit 2002 hat die international tätige Privatsammlung Daros Latinamerica mit ihrem 1000 Quadratmeter grossen Ausstellungsraum hier in Tuchfühlung mit den Galerien, der Kunsthalle und dem Migros-Museum ihren Sitz. In zwei bis drei Ausstellungen pro Jahr wurden hier jeweils Einblicke in den wachsenden Sammlungsbestand gegeben, flankiert von einem vorbildlichen Kunstvermittlungsangebot.

Seit gut einem Jahr wird das Löwenbräu-Areal vom Eigentümer PSP Swiss Property im grossen Stil umgebaut und erweitert; auch dank der Hilfe der Stadt Zürich bleibt das Kunstquartier erhalten. Die meisten Galerien und Institutionen haben in einem Industriegebäude in Zürich-Albisrieden temporären Unterschlupf gefunden und kehren nächstes Jahr zurück. Auch die Daros Latinamerica wollte keine Kunstpause einlegen und hat im Exil des Migros Museums Gastrecht erhalten. Das Museum im Löwenbräu bleibe «geschlossen bis 2012», heisst es heute auf der Homepage.

Firmensitz bleibt erhalten

Das ist leider nur die halbe Wahrheit. Die Türen zum Daros Museum in Zürich werden auch nach der Wiedereröffnung des Areals geschlossen bleiben. Zwar wird der Firmensitz weiterhin an der Limmatstrasse 275 sein – für den internationalen Leihverkehr bleibt die Schweiz eine gute Basis. Der Ausstellungsbetrieb vor Ort aber wird eingestellt. Zürich verliert damit eine der innovativsten privaten Kunstinstitutionen, deren Verdienst es ist, in unseren Breitengraden wenig bekannte, oft aber hoch interessante Kunst auf professionelle Weise präsentiert zu haben.

Hintergrund ist die Eröffnung eines eigenen Daros Privatmuseums in Rio de Janeiro, das die Sammlung ab 2012 dauerhaft aufnehmen und präsentieren soll. «Anlässlich der für 2012 bevorstehenden Eröffnung der Casa Daros wird sich Daros Latinamerica in Zukunft ganz auf die vielfältigen Aktivitäten dieses neuen und einzigartigen Kunst- und Ausstellungszentrums konzentrieren», bestätigt Miriam Mahler, Pressesprecherin der Daros Latinamerica. Aus einem palastartigen, klassizistischen Monumentalbau im Stadtteil Botafogo – ein ehemaliges Waisenhaus mit zwei grossen Innenhöfen – entsteht derzeit eine «interdisziplinäre Plattform für zeitgenössische Kunst, Kulturaustausch und Debatten». Die 3000 Quadratmetern Museumsfläche, die derzeit saniert werden, sind erst der Anfang.

Umfassende Sammlung

Aus Sicht der Daros Latinamerica AG macht der Schritt Sinn: Daros Latinamerica ist mit über 1000 Werken von mehr als 100 Künstlern die wohl umfassendste Sammlung aktueller lateinamerikanischer Kunst in Europa; ihre erste Heimat ist der südamerikanische Kontinent, zumal die Sammeltätigkeit von einem aufklärerischen Impetus getragen wird: Die Werke werden nicht nur gern und häufig ausgeliehen, mit viel Aufwand pflegt Daros auch die wissenschaftliche Aufarbeitung der Bestände und besitzt eine beachtliche Bibliothek mit 6500 Titeln zur lateinamerikanischen Gegenwartskunst.

Fürs Löwenbräu-Areal, das mit dem Umbau vor einer ungewissen Zukunft steht, ist der Wegzug ein Verlust. Der steigende Mietzins – die Galerien müssen nach Wiedereröffnung mit Aufschlägen rechnen – habe bei der Entscheidung aber keine Rolle gespielt. Ein kleiner Trost: Auch weiterhin organisiere man Ausstellungsprojekte auch ausserhalb des neuen Museums in Rio de Janeiro. Miriam Mahler: «Daros Latinamerica führt ihre Sammlungsaktivitäten, ihre weltweiten Ausstellungsprogramme sowie ihren Leihverkehr weiter fort.» Im besten Fall nicht nur von der Schweiz aus, sondern auch in der Schweiz.

> Die Daros Latinamerica ist ein eigenständiger Abkömmling der Daros Collection, einer vom Galeristen Thomas Ammann und dem Kunstliebhaber Alexander Schmidheiny nach 1980 begonnenen Sammlung mit rund 300 Werken westlicher Kunst (Warhol, Twomby, Marden, Richter). Nach deren Tod hat Stephan Schmidheiny, Bruder von Alexander Schmidheiny, einen Teil der Sammlung weitergeführt und gleichzeitig eine zweite Schiene mit lateinamerikanischer Kunst gelegt. Heute hat die Daros Latinamerica vom Umfang her die Daros Collection um ein Mehrfaches übertroffen und gilt als die wichtigste Sammlung lateinamerikanischer Kunst in Europa.

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