Die deutsche Theatergruppe «machina eX» bringt mit «15.000 GRAY» ein Computerspiel à la «Monkey Island» auf die Bühne. Die Bombe müssen die Zuschauer im Haus für elektronische Künste selbst entschärfen. Das ist sehr unterhaltsam, charmant und hat viel Potenzial.
Der Abend ist ausverkauft – wir sind zwölf Leute im Haus für elektronische Künste. Wir sollen auch keine Zuschauerreihen füllen, sondern unsere Sachen im Vorraum ablegen und mitten in die Bühne treten. Dort liegt, im Industrieflair des Dreispitzareals, ein bewusstloser Professor an eine Säule gelehnt. Die Hände auf den Rücken gebunden und um den Bauch eine Bombe, 37 Minuten bis zur Explosion.
Um ihn herum ein wunderhübsch eingerichteter Bühnenraum: Bürotische, alte Computer im DOS-Modus, gelbe Klebezettelchen an den Bildschirmen mit krakeligen Grüssen und Erinnerungen drauf. Ferner eine Obstschale, Krims und Krams. Als wären die Benutzer gerade aufgestanden und weggegangen. Stattdessen streifen wir nun durch den Raum und probieren die Requisiten aus.
Wir kramen in Ablagen, wir wühlen in Mappen
Der Schreck über den bedrohten Professor ist natürlich gross, eine Bürogehilfin ruft mit sehr unterhaltsam hysterischer Stimme: «Ich muss den Boss anrufen!» Jetzt sind wir am Zug, denn die Telefonnummer will sich partout nicht finden lassen. Wir kramen in Ablagen, wir wühlen in Mappen, wir verwählen uns. Solange wir auf dem Schlauch stehen, wiederholt die Bürogehilfin ihr Rufen und bewegt sich dazu ruckhaft: wie eine Figur aus einem Computerspiel, die beharrlich und teilnahmslos ihre Aufgabenstellung wiederholt, bis die Spieler in Gottes Namen die Lösung gefunden haben. Hier grüsst das Vorbild, das Computerspiel «Monkey Island» von 1990. Wir rätseln engagiert. Steckt nicht in allen von uns ein Point’n’Clicker?
Man schaut, um zu verändern
Und das ist das Schöne an «15.000 GRAY». Man kommt in der Erwartung, Theater zu sehen, aber gleich in der ersten Szene bleibt das Stück hängen. Es wird solange hängen bleiben, bis die Besucher schalten, dass sie selbst das Geschehen voranzutreiben haben. Man konsumiert die Bilder und die Handlung, aber man nimmt sie auf die Lösungen hin wahr, die in ihnen versteckt sind. Man liest sie, um sie zu verändern.
Wir bebten nicht vor Spannung, auch angesichts der tickenden Bombe nicht, eher vor dem Charme der Gestaltung. «15.000 GRAY» ist ein Spaziergang, ein federleichtes Episödchen. Auch wenn es immer wieder Spielerteams geben soll, weche die Katatrophe nicht abwenden können… Klar ist, dass zudem viel Potenzial in dem Format steckt. Es ist laut dem Basler Yves Regenass (alias der bewusstlose Professor) eine Erfindung der Theatergruppe «machina eX» aus Hildesheim. Was liesse sich nicht alles «spielen»? Also «mitspielen»? Nach der Aufführung ging ein Geraune um, dass die Gruppe eine Fortsetzung bereits im Ärmel hat. Irgendwas mit einem grossen Dichter. Mehr darf nicht gesagt werden.
- 15.000 GRAY: Samstag 27. und Sonntag 28. April, mehrere Vorstellungen täglich
- Haus für elektronische Künste, Oslostrasse 10, Dreispitzareal
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