Im Burghof Lörrach erforscht dieses Wochenende ein dreitägiges Festival die Zwischenräume von Indierock und Freak Folk. Am gestrigen Auftakt gab es daneben mit der irischen Sängerin Wallis Bird auch noch viel zu lachen.
Auch als Endzwanziger aus der schwedischen Provinz kann man den Blues haben. Man spielt ihn mit dem, was man findet: Eine Gitarre, die der Vater aus dem Müll gezogen hat, mit selbst verschraubten Keybords und Perkussionsgegenständen, die früher auf dem Schrottplatz rosteten. Daniel Norgren war früher als Einmannorchester unterwegs, als sitzender Singer/Songwriter mit der Gitarre auf dem Schoss (1. Video am Schluss des Artikels) und hinter einem Zaun von Trommeln, Hörnern und Mundharmonikas eingepfercht. Im Burghof Lörrach hat er als Upgrade noch einen Kontrabassisten dabei, der sich, mit Langhaarmatte und Truckerkäppli auch optisch kompatibel neben Norgren einreiht. Die Americana, der die beiden verfallen sind, spriesst in Schweden regelmässig aus dem Acker, wovon Christian Kjellvander oder Kristofer Aström seit längerem ihre Balladen singen.
Daniel Norgren fügt sich da ein und sticht doch etwas heraus, weil er seiner elektronischen Gitarre und dem Miniaturengerätepark um sich herum weniger Folk-Liebelei denn die eine oder andere verfremte psychedelische Note entlockt. Tempo tief, Intensität hoch, dazu eine Stimme, die nuscheln kann, ohne an melodischer Spannkraft zu verlieren. Ein schöner Auftakt.
Horizonterweiterung für neue Zielgruppen
Mit dem Festival «Between The Beats», das Daniel Norgren am gestrigen frühen Abend eröffnete, erschliesst sich der Lörracher Burghof neue Felder. Die drei Tage sollen – der Festivalname deutet es an – in die Zwischenräume klassischer Pop- und Rockgenres hineinhören, in den kruden Alternativrock, in elektronisch aufgeladene Singer/Songwriter-Kulturen und in diejenigen Subgenres des Indiepop, die den Transfer in den Mainstream noch vor sich haben. Erhofft wird also eine «Horizonterweiterung», wie es die Programmmacher im Festivalbeschrieb beschreiben, die dem Kulturhaus en passant neue Zielgruppen erschliesst.
Da passt einer wie der junge Schwede Daniel Norgren mit seinem Kaputtfolk gut hinein, noch eleganter zwischen den Schubladen schleichen sich die schottischen Meursault (2. Video) hindurch. Versteckt hinter dem emphatischen, hellen Gesang von Neil Pennycook bastelt das Trio an einer sehr introvertierten Vorstellung von Indierock herum. Krumme Akkorde und klapprige Gitarrenlinien verdrehen die Songs ins Skizzenhafte, das überbordende Multitasking der Band zwischen Gitarrenspiel und gleichzeitiger Bedienung des Synthesizers verstärkt den wackligen Eindruck, den Meursault hinterlassen. Die Aura der Fragilität, die Pennycooks Gesang evoziert und an die brüchigen Klagelieder von Conor Oberst erinnert, korrigiert den zerfahrenen Eindruck zwar punktuell. Als sie in der zweiten Hälfte ihres Sets jedoch das Tempo anziehen und vehementer aufs Gas drücken, um in abschliessende Noise-Exzesse einzukurven, macht ihnen die Akkustik einen Strich: Der Livemix ist auf einem derart tiefen Lautstärkelevel gehalten, dass die anvisierten Eruptionen verplätschern. Schade drum.
Raunen, singen, kichern, unterhalten
Wie sehr die ausgezeichneten akustischen Verhältnisse des Burghof-Saales ein Konzert bereichern vermögen, zeigt der Auftritt von Wallis Bird (3. Video). Die Irin und Wahlberlinerin, zuhause im traditionellen Irish Folk wie in den Spielstuben des Freak Folk, tritt alleine mit einer akustischen Gitarre auf. Das Balladeske überwiegt, aber ihr Gesang ist von grosser Wucht. Man kann das nachhören bei feinen Liedern wie «Take Me Home», die nur auf zarten Zupfereien und einigen perkussiven Schlägen beruhen, aber ihr Gesang wechselt innert Sekunden vom dunklen Geraune in einen herzzerreissenden Schreigesang, während sie mit dem Fuss fest auf den Holzboden tritt.
Da Wallis Bird allerdings nicht nur singen, sondern zwischen ihren Liedern auch köstlich kichern und unterhalten kann, spannt sich der Variantenreichtum ihres Konzerts noch weiter. Rund 250 Konzerte hat sie allein 2012 gespielt, auf solchen Ochsentouren fällt die eine oder andere Anekdote ab, die das Publikum dankbar entgegen nimmt. Dass ihre Songs im Verlauf des Konzerts zwischenzeitlich gar die Rolle kosmetischer Intermezzi zwischen den Zoten und Pointen einnehmen, darf man, eingedenk des Festivalnamens, sofort gutheissen: Das Essenzielle geschieht in den Zwischenräumen. Ob zwischen den Zeilen, zwischen den Beats oder – wie bei Wallis Bird – zwischen den Songs.
Daniel Norgren:
Meursault:
Wallis Bird: