Das Museum der Kulturen widmet seine diesjährige Weihnachtsausstellung dem Thema «Engel». Wer historische Darstellungen der Flügelwesen mag, ist dort gut aufgehoben.
Die wohl bekanntesten Engel der Welt wurden auch schon als Lümmel bezeichnet. Sie stützen sich mit den Ellbogen unten auf den Bildrand von Raffaels «Sixtinischer Madonna» (gemalt 1512). Wir kennen sie von Schirmen, von Tassen, Postkarten, sogar auf WC-Papier wurden sie schon gedruckt. Kein Wunder also, dass die beiden Raffael-Putti in einer Ausstellung über Engel nie fehlen dürfen – auch in der diesjährigen Weihnachtsausstellung im Museum der Kulturen nicht.
Die Reproduktion der Raffaelschen Engelchen ist, das lernen wir im Haus am Münsterplatz, keine gänzlich neue: Zumindest jener der beiden, der sein Kinn in die Hand stützt, kommt schon in älteren Engelsdarstellungen vor, als Illustration zu einem Segensspruch beispielsweise.
Welche Funktion diese Engel in der «Sixtinischen Madonna» einnehmen, darüber kann man sich streiten und wird gestritten. Sie scheinen gelangweilt und selbst nicht zu wissen, was sie auf dem Gemälde zu suchen haben. Gut möglich, dass ihr Zweck ein rein dekorativer war, um die Ausgewogenheit des Bildes zu gewährleisten.
Schützende Helfer
Die meisten Engelbilder, die wir im Museum der Kulturen betrachten können, hatten hingegen einen klaren Zweck. Die grösste Gruppe unter den Gezeigten ist jene der Schutzengel. Meist wachen diese über Kinder, führen sie auf den richtigen Weg oder halten einfach schützend ihre Hand über sie, und man kann sich gut vorstellen, dass diese Darstellungen im Kinderzimmer den Kleinen Trost spenden und Ängste nehmen sollten.
Andere Engel hatten als Illustrationen von biblischen oder religiösen Texten erzieherische Zwecke. Die älteste in der Ausstellung präsentierte Arbeit etwa, ein Stich aus dem Jahr 1602, zeigt das Martyrium der Heiligen Katharina. Beim Jüngsten Gericht haben Engel ihre Rollen. Und die Geschichten der Erzengel werden ebenfalls erzählt – Michael, der als Drachentöter den Satan besiegt, oder Raphael, der die Position als Schutzheiliger der Kranken einnahm. Und nicht zu vergessen Gabriel, den wir als Engel der Verkündigung kennen. Er brachte Maria die Kunde vom heiligen Kind.
Dabei sind Engel keineswegs eine christliche Erfindung. Man kann sie schon im Persischen Reich des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts nachweisen, und auch im Judentum wie im Islam spielen sie eine Rolle.
Es weihnachtet sehr
Der Grund für diese Ausstellung jedoch ist ein christlicher: Der Advent steht vor der Tür, Weihnachten ist nicht mehr fern. Seit 1997 ist es im Museum der Kulturen Tradition, eine Weihnachtsausstellung auszurichten. Manchmal ist das Thema ganz eindeutig an das Fest der Geburt Jesu angelehnt. So wurden schon Krippen gezeigt, Christkinddarstellungen oder Christbaumschmuck.
Dieses Jahr hat man sich etwas von diesem strengen Korsett gelöst, und man zeigt diese sphärischen Wesen, die eigentlich das ganze Jahr hindurch tätig sind. Und die man auch von der Religion losgelöst betrachten und faszinierend finden kann. Die Ausstellung vermittelt vor allem einen historischen Einblick – zeitgenössische Engelinterpretationen bleiben fast gänzlich aussen vor, und wohl deshalb entsteht der Eindruck tiefer Religiosität, die sich mit den Flügelwesen verbindet.
Hauptsächlich aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen die Exponate, und sehr oft sind die Darstellungen an Text geknüpft, der den Kontext klar macht. Wer nur die Bilder betrachtet, der sieht massenhaft wallende Gewänder, weibliche, männliche und auch geschlechtsneutrale Engel, süsse Putti in Windeln, aber auch gefallene Engel, schwarz dargestellt, im Höllenkreis.
Flügelförmige Stellwände
Es ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem, was sich in einer Ausstellung zum Thema Engel machen liesse. Was daran liegen mag, dass alle Exponate der Sammlung des Museums entstammen. Man hätte noch weiter gehen können, die Gegenwart mit abbilden, Literatur und Filme hineinnehmen. Das hätte die ganze Sache vielleicht etwas lebendiger und weniger in christlicher Tradition verhangen gestaltet.
Vielleicht hätte es aber auch schon gereicht, die Präsentation etwas anders anzulegen: Denn leider ermüdet die Ausstellung etwas – zumindest den Nacken. Die Idee, die Bilder in Anlehnung daran, dass Engel als Boten zwischen Himmel und Erde fungieren, teilweise recht hoch an den blassgelben Stellwänden anzubringen, lässt einen recht oft in die Höhe blicken – wodurch einige hoch oben angebrachte Details in den Wolken verschwinden.
- «Engel», Museum der Kulturen, bis 5. Januar 2014.