1920: Die Kommunisten verlassen die Sozialdemokratische Partei

1920 ging ein tiefer Riss durch die Schweizer Sozialdemokratie. In Basel war die Spaltung besonders gravierend.

Robert Grimm als Redner vor dem Bundeshaus, aufgenommen ca. im Jahre 1920.

(Bild: Str/Keystone)

1920 ging ein tiefer Riss durch die Schweizer Sozialdemokratie. In Basel war die Spaltung besonders gravierend.

Im Herbst 1912 meisterte die SP Basel eine enorme organisatorische Leistung mit Bravour. Angesichts der wachsenden Kriegsgefahr in Europa hatte das Internationale Sozialistische Büro, das Koordinationsgremium der Sozialistischen Internationale, kurzfristig entschieden, einen internationalen Kongress gegen den Krieg durchzuführen. Darauf boten die Basler Sozialdemokraten an, die Organisation zu übernehmen.

Der Kongress mit über 500 Delegierten, einer grossen Friedensdemonstration und einer Feier im Basler Münster ging am 24. und 25. November 1912 reibungslos über die Bühne und fand weit über die Reihen der Sozialisten hinaus grosse Beachtung.

Überraschend war das nicht. Die 1890 gegründete Basler SP war in wenigen Jahren zu einer bedeutenden Kraft geworden; 1912 stellte sie zwei der sieben Regierungsräte und hatte sich als stärkste Partei im Grossen Rat etabliert.

Vaterland statt Internationale

In den Monaten nach dem Kongress schien die Kriegsgefahr weitgehend gebannt – doch dann begann im August 1914 das grausame Morden, dem Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Unmittelbar bei Kriegsausbruch brach die Sozialistische Internationale auseinander. Die Parteileitungen der deutschen und französischen Sozialdemokraten schwenkten mehrheitlich auf die «Vaterlandsverteidigung» ein; Arbeiter schlugen einander im Krieg für ihre Herren tot.

Sozialistinnen und Sozialisten unterschiedlicher Couleur waren damit nicht einverstanden und arbeiteten auf eine Erneuerung des Internationalismus hin. Einige – unter ihnen auch Lenin und Trotzki – trafen sich in der neutralen Schweiz an den von Robert Grimm in Zimmerwald (1915) und Kiental (1916) organisierten Konferenzen und diskutierten die Weltlage. So wertvoll der Ideenaustausch in Zimmerwald und Kiental auch war – der Krieg ging weiter.

Sympathien für die Revolution

Robert Grimm (1881–1958) war zu jenem Zeitpunkt Redaktor der «Berner Tagwacht» sowie Mitglied des Berner Stadt- und Kantonsparlaments. Zuvor war er von 1906 bis 1909 in der Basler Arbeiterbewegung aktiv gewesen, 1918 spielte er eine zentrale Rolle beim Oltener Aktionskomitee, das den Landesstreik organisierte.

Die Schweiz blieb zwar von direkten Kriegshandlungen verschont – insbesondere die ärmere Bevölkerung hatte aber unter der Teuerung und Knappheit zu leiden. Zudem erhielten die zum Aktivdienst aufgebotenen Wehrmänner nur einen geringen Sold und keine Entschädigung für ihren Verdienstausfall.

So erstaunt es nicht, dass auch in unserem Land die soziale Spannung stieg und die überwiegende Mehrheit der Sozialdemokraten starke Sympathien für die Russische Revolution hegte.

Nach ihrem Sieg in der Oktoberrevolution nutzten die Bolschewiki um Lenin die Gunst der Stunde und hoben 1919 die Kommunistische Internationale (K.I.) aus der Taufe. Diese sollte frei von den Halbheiten der zusammengebrochenen Sozialistischen Internationale sein und die wahrhaft revolutionären Kräfte sammeln. Die Genossen auf dem linken Flügel der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS) verfolgten die Gründung mit grossem Interesse; vorübergehend schien gar ein Beitritt der SPS zur neuen Internationale möglich.

Karrieristen raus!

Das änderte sich allerdings, als die Kommunistische Internationale 1920 klarmachte, dass nur Parteien aufgenommen würden, die bereit waren, 21 Bedingungen zu akzeptieren. Diese beruhten auf der Annahme, dass revolutionäre Bürgerkriege bevorstünden und sämtliche Karrieristen und Opportunisten – oder was Moskau darunter verstand – aus den beitrittswilligen Parteien ausgeschlossen werden mussten.

Mit dieser Broschüre griff Robert Grimm in die Auseinandersetzung um den Beitritt der SPS zur Kommunistischen Internationale ein.

Mit dieser Broschüre griff Robert Grimm in die Auseinandersetzung um den Beitritt der SPS zur Kommunistischen Internationale ein. (Bild: Martin Stohler)

Dies ging selbst so unerschrockenen Genossen wie Robert Grimm zu weit. Entsprechend kämpften sie gegen einen Beitritt zur K.I. auf dieser Basis. Am SPS-Parteitag vom 10./12. Dezember 1920 lehnte denn auch eine Mehrheit die 21 Bedingungen ab. Darauf verliess ein Teil des linken Flügels die SPS, um am 5./6. März 1921 die Kommunistische Partei der Schweiz (KPS) zu gründen.

In Basel wurde die Parteispaltung auf lokaler Ebene am 20. Dezember 1920 vollzogen. Eine Versammlung mit rund 1000 Teilnehmern beschloss mit 636:87 Stimmen den Beitritt zur K.I. Die Basler KP übernahm in der Folge 60 Prozent des Parteivermögens sowie das Parteiorgan «Vorwärts», zudem schlossen sich ihr zwei von drei Nationalräten und einer von zwei Regierungsräten sowie die Mehrheit der Partei- und Gewerkschaftsaktivisten an.

Nur im Kantonsparlament fiel die Bilanz für die Rest-SP etwas besser aus: von den 63 Grossräten traten lediglich 27 zur KP über.


Mehr zu Geschichte und Politik der SP gibts in: «125 Jahre Basler Sozialdemokratie – ein Lesebuch», herausgegeben vom Verein Geschichte der Basler Sozialdemokratie, Basel 2016, 278 Seiten, 35 Franken.

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