Die Ausflüge des heutigen BVB-Vizedirektors Franz Brunner mit Vertretern der Firma Hansecom ins Hamburger Rotlichtviertel sind nicht das einzige Bemerkenswerte an dieser Auftragsvergabe. Nun zeigt sich: Die Millionendeals mit der IT-Firma sind unter der Hand vergeben worden.
Zwei Aufträge der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) an die Hamburger IT-Firma Hansecom sind nicht öffentlich ausgeschrieben worden. Das räumen die BVB auf Anfrage ein. Gestern berichtete die TagesWoche über die Geschäftsreisen von Vizedirektor Franz Brunner nach Hamburg zwischen 2004 und 2008. Fester Bestandteil der Reisen waren Ausflüge mit Hansecom-Mitarbeitern ins Hamburger Rotlichtmilieu.
Der erste Deal mit der Firma kam 2005 zustande. Damals waren die BVB auf der Suche nach einer Software zur Erstellung einer neuen Kundendatenbank, die unter anderem die Verwaltung von Abonnementen erleichtern sollte. Anfang Jahr habe der Kanton entschieden, den bisherigen Dienst aufzulösen, sagen die BVB. Deshalb habe es schnell gehen müssen: «Die BVB waren gezwungen, innert kurzer Zeit neue Lösungen zu finden. Aufgrund der knappen Fristen und des grossen Zeitbedarfs für eine Ausschreibung (mindestens 6 Monate) haben die BVB auf eine Ausschreibung verzichtet.» Die BVB berufen sich dabei auf das Basler Beschaffungsgesetz, das bei dringlichen Projekten eine Ausnahmeregel vorsieht.
Aufgrund der Grösse des Volumens hätte der Auftrag eigentlich öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Gemäss Beschaffungsgesetz und Beschaffungsverordnung gilt für Dienstleistungen ab 150’000 Franken das Einladungsverfahren und ab 250’000 Franken das offene/selektive Verfahren. Die BVB bezahlten Hansecom 415’000 Euro für ihre Dienste – zum damaligen Wechselskurs entspricht das rund 620’000 Franken.
Dringlichkeitsbegründung sei heikel
Verantwortlich für Evaluation und Beschaffung der Hansecom-Software sei der damalige Vizedirektor Georg Vischer gewesen, heisst es bei den BVB. Den Kaufentscheid schliesslich unterschrieben hätten Vischer mit Franz Brunner, der zu jener Zeit Finanzchef war.
«Die Berufung auf Dringlichkeit ist generell heikel und anfällig für Beschwerden», sagt Thomas Müller, Jurist bei der Zürcher Kanzlei «Walder Wyss» und Experte für das öffentliche Beschaffungswesen. Seine Beurteilung der ersten Freihand-Vergabe an Hansecom: «Ob es zutrifft, dass die Zeit zu knapp war, ist schwierig zu beurteilen, wenn man die Details der Ausschreibung nicht kennt. Ein Jahr könnte aber an und für sich dafür reichen, zumal eine freihändige Vergabe genau gleich vorbereitet werden muss wie eine öffentliche Ausschreibung. Es muss auch ein Pflichtenheft erstellt und eine Offerte geprüft werden. Viel Zeit spart man dadurch nicht.»
Merkwürdig bei dieser Auftragsvergabe ist: Bereits 2004 reiste eine Delegation der BVB unter der Leitung von Brunner nach Hamburg, um die ersten Gespräche mit Hansecom aufzunehmen. Schon damals musste die BVB-Leitung und Franz Brunner also gewusst haben, dass der bisherige Dienst vom Kanton aufgelöst wird.
Zweiter Auftrag für 1,9 Millionen Franken
Noch grösser war der Auftrag, den die BVB 2008 unter der Hand an die Hansecom vergaben. Das Auftragsvolumen belief sich gemäss Angaben des Transportunternehmens auf 1,2 Millionen Euro (1,9 Millionen Franken). Die Begründung der BVB für diese Freihand-Vergabe: «Für das 2008 beschaffte Modul SAP IH verzichtete die BVB auf eine Ausschreibung, weil es sich um eine Erweiterung des bestehenden SAP handelte.» Den Vertrag unterzeichnet haben Brunner und der damalige Direktor Urs Hanselmann.
Hier ist Jurist Müller noch skeptischer: «Die Argumentation überzeugt mich nicht. Grundsätzlich muss auch die Erweiterung eines bestehenden Moduls ausgeschrieben werden – erst Recht beim grossen Volumen des Auftrags.»
Zumindest eine Vorgabe scheint in beiden Fällen verletzt worden zu sein: «Auch bei freihändigen Vergaben muss der Zuschlag publiziert werden, damit man sie bei Bedarf anfechten kann.»
Untersuchung gegen Brunner
Beide Vergaben an die Firma Hansecom tauchen nicht im Bericht der Finanzkontrolle auf, die auch die Submissionen unter die Lupe genommen, sich dabei aber allein auf die Aussagen eines Whistleblowers abgestützt hat. Wie sich jetzt zeigt, waren die im Bericht genannten vier Betriebe nicht die einzigen, die am Gesetz vorbei zu ihren Aufträgen gekommen sind.
Die beiden Auftragsvergaben rücken auch auch die alte BVB-Spitze in ein schlechteres Licht. Urs Hanselmann, der bis 2011 BVB-Direktor war, sagte am Mittwochabend in der Sendung «061live» von «Telebasel»: «Im Bericht der Finanzkontrolle sind Fälle aufgelistet, die auf meine Zeit zurückgehen. Wenn ein paar Fehler gemacht worden sind, stehe ich dazu.» Trotzdem hätten im Submissionswesen, die der Finanzabteilung von Franz Brunner unterstellt waren, keine üblen Zustände geherrscht. «Franz Brunner hatte mein Vertrauen. In dieser Zeit, in der er für mich arbeitete, hat er einen guten Job gemacht.» Nach all diesen Geschehnissen halte er Brunner jedoch kaum mehr tragbar für die BVB. Ob Brunner seinen Sitz räumen muss, wird die disziplinarische Untersuchung zeigen. Diese soll klären, ob der heutige Vizedirektor für Verstösse verantwortlich ist, «die personalrechtliche Relevanz haben».