7000 Kosovaren protestieren gegen Regierung und greifen Parlament an

Die Regierung um Isa Mustafa hat ihre Arbeit vor knapp zwei Monaten aufgenommen, bereits jetzt kommt es zur ersten Krise. Demonstranten fordern den Rücktritt eines serbischen Ministers und die Verstaatlichung der Trepca-Minen.

Protesters are reflected in the broken glass of a government building during a demonstration in the centre of Pristina January 24, 2015. Kosovo police fired teargas on Saturday evening to disperse thousands of protesters throwing stones at a government building in a demonstration called by ethnic Albanian opposition parties. The ethnic Albanian parties are seeking the resignation of a minister, Aleksandar Jablanovic from the Serb minority, who earlier this month called some ethnic Albanians savages.They also want the government to announce clear plans for the future of the country's wealthiest mine, which is claimed also by Serbia. REUTERS/Hazir Reka (KOSOVO - Tags: POLITICS CIVIL UNREST) (Bild: Reuters/Hazir Reka)

Am 9. Dezember 2014 nahm die Regierung um Isa Mustafa ihre Arbeit auf. Bereits jetzt kommt es zur ersten Krise. Demonstranten fordern den Rücktritt eines serbischen Ministers und die Verstaatlichung der Trepca-Minen.

Es waren wilde Szenen, die sich am Samstag in Pristina abspielten: Steine prasselten auf das Parlament nieder und zerstörten die Glasfront der unteren Stockwerke. Menschen stiegen auf die Reiterstatue Skanderbegs vor dem Parlament und hängten dem Volkshelden eine albanische Flagge um den Hals. Auf dem Mutter-Teresa-Platz brach Feuer aus – Bars und Cafés wurden angezündet. Gegen Abend eskalieren die Proteste weiter, die Polizei setzt Tränengas ein, um die Demonstranten auseinander zu treiben.

Nach den Protesten sieht Skanderbeg aus wie ein Cowboy aus einem Western, welcher umgeben von herausgerissenen Pflastersteinen und zerbrochenem Glas vor dem Parlament steht. Die Bilanz: 20 verletzte Polizisten und 22 Festnahmen.

Kritik am Premierminister

Entzündet haben sich die Proteste an zwei Ereignissen, die Demonstranten fordern einerseits den Rücktritt eines serbischen Ministers und andererseits die vollständige Kontrolle der Trepca-Minen durch den kosovarischen Staat. Einst waren diese Minen der grösste Industriekomplex im Kosovo, derzeit wird dort aber deutlich unter der möglichen Kapazität abgebaut. Die serbische Regierung hat die Unabhängigkeit der ehemaligen Provinz Kosovo nicht anerkannt und will auch die Kontrolle über die Minen nicht dem kosovarischen Staat überlassen.

Driton Caushi lebt in Gjakova und ist dort Leiter der nationalistischen Oppositionspartei Vetevendosje (Selbstbestimmung). Er wirft der Regierung vor, die Interessen des Kosovo zu verraten, weil diese die Trepca-Minen bislang nicht unter die Kontrolle des kosovarischen Staates gebracht hat.

Die Proteste begrüsst Caushi: «Endlich zeigen die Menschen im Kosovo ihre Unzufriedenheit mit der Regierung. Diese Leute sollten nicht das Volk repräsentieren. Premierminister Isa Mustafa dient nicht dem Volk, er dient dem serbischen Faschismus.»

Ein Wirtschaftsfaktor von politischer Symbolkraft

Die Entscheidung, die Kontrolle über die Minen zu übernehmen, wurde vergangenen Montag im Parlament vertagt. Die Demonstranten beschuldigen den frisch gewählten kosovarischen Premierminister Isa Mustafa, die Mine den Serben zu überlassen. Die Trepca-Minen sind nicht nur ein wirtschaftlicher Faktor, sondern auch ein wichtiger Ort für die jüngere Geschichte des Kosovo.

1989 traten 23’000 albanische Arbeiter in den Streik, viele davon auch in den Hungerstreik, um gegen ihre Entlassung zu demonstrieren. Trotzdem wurden sie gefeuert und durch serbische, polnische und ukrainische Arbeiter ersetzt. Im August 2000 wurde die Anlage gegen den Wiederstand serbischer Arbeiter durch Truppen der KFOR besetzt. Heute liegen die Trepca-Minen an der Grenze zwischen dem mehrheitlich von Albanern bewohnten Süden und dem mehrheitlich von Serben bewohnten Norden des Kosovo. Über den abtrünnigen Norden übt Pristina keine Staatsgewalt aus.

«Wir geben Premierminister Isa Mustafa Zeit bis um 18 Uhr am Montag, um Minister Jablanovic von seinem Posten zu entfernen», sagt Chef der Oppositionspartei.

Die laut Polizeiangaben 7000 Demonstranten forderten den Rücktritt des serbischen Ministers Aleksandar Jablanovic, weil sie ihm vorwerfen, die Mütter von Kriegsopfern beleidigt zu haben. Der Angriff auf das Parlament war der Höhepunkt einer zweiwöchigen Protestwelle.

Albin Kurti, Chef der Oppositionspartei Vetevendosje (Selbstbestimmung), verband seine Forderung am Samstag mit einer Drohung: «Wir geben Premierminister Isa Mustafa Zeit bis um 18 Uhr am Montag, um Minister Jablanovic von seinem Posten zu entfernen. Sollte dies nicht geschehen, werden wir am Dienstag wieder demonstrieren.»




Jablanovic geht oder die Proteste gehen weiter: Die Ansage von Alban Curti – Chef der Oppositionspartei – ist klar gewesen. (Bild: Una Hajdari)

Vetevendosje und die NGO Mothers Call, eine Vereinigung von Müttern deren Kinder während des Kosovokrieges starben, waren die Initiatoren des Protests. Hintergrund war ein Vorfall, bei dem am 6. Januar Pilger versuchten, die serbisch-orthodoxen Kirchen in Gjakova zu besuchen. Ihr Bus wurde blockiert und als sie ausstiegen, wurden die Serben mit Eis beworfen. Die Anwohner warfen den Pilgern vor, es seien Personen darunter, die während des Kosovokrieges Kriegsverbrechen begangen haben.

Der kosovarische Minister Jablanovic titulierte die Blockierenden in einem Kommentar als «Wilde». Unter den Blockierern befanden sich aber auch Mütter von Kriegsopfern. Die Aussage wurde so interpretiert, als habe sich Jablanovics abwertende Aussage auf die Mütter bezogen, was grosse Empörung mit sich brachte. Während des Kosovokrieges war Gjakova Schauplatz von Kriegsverbrechen und schweren kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen jugoslawischen Streitkräften und der UCK.

«Dann sehen die, wie das ist»

Nysrete Kumnova, die Leiterin der NGO Mothers Call sagte in ihrer Rede: «Ich wünsche mir, dass jeder in der Regierung ein Kind verliert. Dann sehen die, wie das ist.» Minister Aleksandar Jablanovic entschuldigte sich für seine Aussage und betonte, das Gewicht seiner Aussage sei ihm nicht bewusst gewesen. 

Der Demonstrant Safete Pula hält nicht viel von dieser Entschuldigung und empört sich: «Jablanovic hat uns beleidigt. Die ganze Welt weiss, was im Kosovo passiert ist, aber Jablanovic weiss es wohl nicht, obwohl er hier geboren ist.»




(Bild: Una Hajdari)

Demonstranten hielten Schilder in die Luft, auf denen stand: «Entweder mit Jablanovic oder mit dem Volk» und «Ganz Kosovo unterstützt Trepca». Es waren auch antiserbische Parolen darunter wie: «Serbien geh raus» und «Trepca gehört uns, nicht den Serben». Die meisten Demonstranten betonten, dass Serbien sich aus der kosovarischen Politik raushalten sollte.

Eine Passantin beschrieb die Demonstration mit den Worten: «Das ist der grösste nationalistische Protest seit der Unabhängigkeit des Kosovo.» 

Nächster Artikel