Abgang eines Verschmähten

Alt Bundesrat Kaspar Villiger trat sein Amt bei der UBS an, um den Vertrauensbruch zwischen Politik und Wirtschaft zu kitten. Er scheiterte. Sein guter Ruf aus der Zeit als Bundesrat ist nachhaltig beschädigt.

Kaspar Villiger tritt im Mai nicht mehr zur Wiederwahl als VR-Präsident der UBS an. (Bild: Keystone)

Alt Bundesrat Kaspar Villiger trat sein Amt bei der UBS an, um den Vertrauensbruch zwischen Politik und Wirtschaft zu kitten. Er scheiterte.

Es mag nicht so recht zu dem passen, was man von Kaspar Villiger in den vergangenen Tagen und Wochen gehört hat, zu den eher tristen Bildern des UBS-Verwaltungsratspräsidenten in den Medien. Als er am Dienstagnachmittag – überraschenderweise – das Handy seines Beraters abnimmt, tönt der ehemalige Bundesrat beschwingt, heiter fast. Er lagere hier nur schnell für zehn Minuten die Füsse hoch, er geniesse die ersten zehn Minuten Ruhe an diesem Tag. «Und da vergisst der Hagel sein Natel.»

Es ist der Tag, an dem bekannt wird, dass Villiger ein Jahr früher als geplant Platz macht für Axel Weber im Verwaltungsratspräsidium der UBS. Im Mai wird sich Villiger nicht mehr zur Wiederwahl stellen und damit seine Laufbahn in der Öffentlichkeit endgültig beenden. Angst vor der Zeit nach dem Abgang als VR-Präsident der UBS habe er keine: «Ich werde schon zum zweiten Mal pensioniert. Man gewöhnt sich dran.»

Die Verteidigungsrede

Der letzte Satz des ehemaligen Bundesrats ist wohl ein Ausdruck des «feinen und ansteckenden Humors» den Daniel Eckmann bei Villiger ausmacht. Eckmann ist der «Hagel» mit dem vergessenen Natel, seit Urzeiten steht er Villiger zur Seite. Zuerst als Mediensprecher während Villigers Zeit im Bundesrat, heute als Freund. «Kaspar Villiger ist ein Mensch, der seine persönliche Interessen und seine persönlichen Ambitionen hinter eine Sache stellen kann. Gleichzeitig unterschätzt und kritisiert zu werden, war Bestandteil seiner Arbeit», sagt Eckmann und denkt dabei vor allem an Villigers Zeit als Verwaltungsratspräsident der UBS. Es sei schwer zu ermessen, wie ungeheuer komplex die Fragestellungen innerhalb der UBS gewesen seien. Ein Kampf um Rahmenbedingungen, ein Kampf im «Haifischbecken» der Finanzindustrie, ein Kampf, der nicht den Regeln des Herzens folge, sondern denen eines knallharten Marktes. Eckmann: «Viele Leute sind darum vielleicht enttäuscht von seinem Wirken, haben etwas anderes erwartet. So wie ich ihn kenne, versteht Kaspar Villiger die Enttäuschung dieser Leute. Aber ich denke, dass man ihm nicht gerecht wird, wenn man ihn nur an diesem Teil seiner Leistung misst.» Er habe mitgeholfen, aus einer existenzbedrohenden Situation bei der UBS einen Turnaround zu schaffen. «Seine Leistung wird gerade im Hauptpunkt unterschätzt.»

Ein Urfreisinniger, etwas bieder, etwas langweilig

Man merkt es rasch, Eckmann tut das nicht zum ersten Mal. Seine Verteidigungsrede ist griffig, emotional und kommt von Herzen. Und sie kommt nicht von ungefähr. Seit Kaspar Villiger im Jahr 2009 das Verwaltungsratspräsident der UBS übernommen hat, fiel die Reputation des ehemaligen Bundesrats in sich zusammen, wurde die Kritik immer lauter. Villiger war auch in seiner Zeit als Bundesrat (1989 bis 2003) nicht ein von der Bevölkerung auf Händen getragener Volkstribun. Er war spröde, etwas langweilig, etwas bieder. Aber gschaffig. Seriös. Der fleischgewordene Konsens. Ein Freisinniger der Alten Schule, urliberal, wertkonservativ. Sein ehemaliger persönlicher Mitarbeiter Kenneth Angst (von 1992 bis 1995) formulierte es in einem lesenswerten Text aus dem Jahr 2002 in der «Weltwoche» so: «Für diesen seinen wertepluralistischen, konsens- und harmonieorientierten Pragmatismus wird Kaspar Villiger (Lieblingsbuch: «Der Mann ohne Eigenschaften» von Robert Musil) nicht besonders geliebt und nicht besonders gehasst, nicht besonders bewundert und auch nicht besonders gefürchtet – weder im Freisinn noch links oder rechts davon. Doch er wird dafür querbeet und immer mehr respektiert.»

Die Enttäuschung der Politik

Diesen Respekt hat er in der kurzen Zeit an der Spitze der UBS nachhaltig verloren. Villiger war angetreten, die Vertrauenskrise zwischen Politik und Wirtschaft zu überwinden. War angetreten, um als Bindeglied zwischen Banken und Parlament Verständnis zu schaffen. Und er scheiterte. «Er hat sich sehr schnell mit seiner Rolle als Banker identifiziert und vergessen, dass er auch das Parlament für seine Arbeit braucht», sagt der FDP-Finanzpolitiker Philipp Müller (AG). Zwar habe er gemeinsam mit Konzernchef Oswald Grübel (oder Oswald Grübel mit ihm) die UBS wieder ins Lot gebracht, die Rolle als Vermittler habe er aber nie gefunden.

Was Müller nur antönt, wird bei einem anderen bürgerlichen Finanzexperten noch deutlicher. Der CVP-Nationalrat Pirmin Bischof (SO) hat – mit einer Ausnahme – alle wichtigen Gespräche zum Thema UBS mit Grübel geführt. «Villiger stand immer in seinem Schatten. Für uns war Grübel der Mr. UBS.»

Wenn schon bürgerliche Politiker so hart mit dem ehemaligen Bundesrat ins Gericht gehen, kann man sich in etwa vorstellen, welche Reaktionen Villigers Ausscheiden aus der UBS auf der linken Seite des Parteienspektrums auslöst. Hier ist Villiger nicht nur in seiner Rolle als Verbindungsglied zwischen Politik und Wirtschaft gescheitert, hier ist sein Versagen total. Villiger wird in Kreisen der SP und der Grünen als Sinnbild des gescheiterten Freisinns angesehen, als Relikt aus jenen Zeiten, in denen das System FDP einen Mann nach dem anderen nach oben spülte – egal, ob der auch was konnte. «Villiger, und mit ihm vielen anderen Freisinnigen, fehlt die Fähigkeit, sich selber zu hinterfragen. Sie sind kritikunfähig», sagt SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (BL). An permanenter Selbstüberschätzung würden all diese freisinnigen Exponenten leiden, am Systemfehler kranken. «Die FDP hatte damals halt die Macht. Das ist das Ergebnis davon.»

Eine Analyse, die Ueli Leuenberger, Präsident der Grünen, teilt. Mit Villiger gehe eine Ära zu Ende, die Ära des Filzes zwischen Politik und Wirtschaft. Als UBS-Verwaltungsratspräsident habe Villiger nichts Positives geleistet, sagt Leuenberger. «Was wir hier erleben, ist das traurige Ende einer Karriere.»

Quellen

SDA-Meldung zum Rücktritt.

Kaspar Villiger bei Wikipedia.

Text in der Weltwoche von Kenneth Angst, persönlicher Berater von Kaspar Villiger, aus dem Jahr 2002.

Medienmitteilung der Grünen.

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