Abhängig von der Wehrpflicht

Die mögliche Abschaffung der Wehrpflicht würde 260 Institutionen in der Region empfindlich treffen. Insbesondere der Zivildienst entwickelte sich während den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Stütze im Sozialwesen.

Eine Abschaffung der Wehrpflicht würde in Altersheimen und Spitälern für Personalmangel sorgen (Bild: Nils Fisch)

Die mögliche Abschaffung der Wehrpflicht würde 260 Institutionen in der Region empfindlich treffen. Insbesondere der Zivildienst entwickelte sich während den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Stütze im Sozialwesen.

Wer Dienst leistet, robbt nicht zwingend im Tarnanzug durch den Schlamm und trägt auch nicht unbedingt ein Béret 95 und Krawatte. Über hunderttausend Wehrpflichtige leisten ihre Diensttage als Zivilschützer oder im Zivildienst.

Sie räumen nach Stürmen Wälder auf, reparieren Wanderwege, arbeiten in Altersheimen oder Spitälern. So ist der Zivildienst in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Stütze im Sozialwesen geworden. Sollte die Initiative der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) angenommen und damit die Wehrpflicht abgeschafft werden, würde das eine empfindliche gesellschaftliche Lücke hinterlassen, von der niemand weiss, wie sie zu schliessen ist.

Ein empflindlicher Verlust 

Die Zahlen sprechen für sich: Allein im vergangenen Jahr absolvierten ­Zivildienstleistende in der Schweiz insgesamt 1,2 Millionen Einsatztage. Mehr als die Hälfte davon werden im Sozialwesen geleistet, der grösste Teil in der Pflege und in der Betreuung. Davon profitieren auch zahlreiche ­Institutionen in der Region Basel.

Kaum ein Pflegeheim oder Spital kann noch auf die willkommene Unterstützung durch den Zivildienst verzichten. Zu den grössten Einsatzbetrieben in der Region gehören das Bürgerspital und die Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK). Die UPK Basel beschäftigen gleichzeitig bis zu 24 ­Zivildienstleistende. Die «Zivis» ­unterstützen die IT-Abteilung, arbeiten in der Gärtnerei und helfen bei der Pflege und Betreuung der Patienten.

Seit der Schaffung des Zivildienstes vor rund 20 Jahren wurden die Militärdienstverweigerer hier zu einem wichtigen Bestandteil des Personals. «Zu Beginn war es eine willkommene zusätzliche Unterstützung», sagt Pflegedirektor Christoph Cassidy. «In der Zwischenzeit planen wir Zivildienstleistende aber fix ein.» Diese werden in Arbeitsprozesse eingebunden und übernehmen je nach Kompetenz verantwortungsvolle Aufgaben.

Ohne diese zusätzliche Unterstützung müsste man den Betrieb ­anders organisieren und könnte ­gewisse Betreuungsaufgaben nicht mehr im bisherigen Ausmass erledigen, so Cassidy. «Sollte dieser Dienst wegfallen, wäre das ein empfindlicher Verlust.»

Zahl der «Zivis» hat stark zugenommen

Vor vier Jahren erleichterten die Behörden den Zugang zum Militär­ersatzdienst. Die sogenannte Gewissensprüfung wurde abgeschafft und ein direkter Übertritt vom Militär ermöglicht. In der Folge schnellte die Zahl von Zivildienstleistenden massiv nach oben. Vor fünf Jahren wurden in der Schweiz rund 1600 Männer zum ­Zivildienst zugelassen, im vergangenen Jahr waren es 5100.

Eine Vielzahl von Betrieben hat sich mittlerweile der gestiegenen Nachfrage angepasst und neue oder zusätzliche Einsatzstellen ­geschaffen. In Basel-Stadt und Baselland bieten momentan 260 Institutionen insgesamt rund 900 Einsatzplätze an.

Die Initianten für die Abschaffung der Wehrpflicht erwähnen in ihrem Vorschlag einen freiwilligen Zivildienst. Wie dieser aber umzusetzen wäre, lassen sie offen. Überhaupt ist unklar, wie viele Männer sich zu einem freiwilligen Dienst melden würden.

Als Anhaltspunkt kann die Entwicklung in Deutschland dienen. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht vor zwei Jahren wurde der Zivildienst durch einen Freiwilligendienst ­ersetzt. In der Folge sank die Zahl der Zivildienstleistenden von rund 60 000 auf 35 000 Personen.

Wie der Zivilschutz weiterbestehen würde, ist zurzeit völlig unklar.

Die Initianten lassen den Zivilschutz ebenso unerwähnt wie es der Bundesrat in seiner Stellungnahme tut. Entsprechend schwer fällt Münger eine Prognose für den Fall eines Volks-Ja: «Wie der Zivilschutz weiterbestehen würde, ist zurzeit völlig unklar.» 

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 23.08.13

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