Abschieben in den Zivildienst oder Zivilschutz – das ist noch kein Konzept

Erst im dritten Anlauf stimmte das Schweizer Volk der Einführung eines Zivildienstes zu. Das war 1992. Zweimal lehnte es ihn mehr als deutlich ab, denn in der Zeit des Kalten Krieges – zwischen 1945 und 1989 – galten junge Männer, die keinen Militärdienst leisten wollten, weitherum als staatszersetzende Kräfte. Ein richtiger Schweizer musste Soldat sein. […]

Erst im dritten Anlauf stimmte das Schweizer Volk der Einführung eines Zivildienstes zu. Das war 1992. Zweimal lehnte es ihn mehr als deutlich ab, denn in der Zeit des Kalten Krieges – zwischen 1945 und 1989 – galten junge Männer, die keinen Militärdienst leisten wollten, weitherum als staatszersetzende Kräfte. Ein richtiger Schweizer musste Soldat sein. Und wer nicht Soldat werden wollte, wanderte als Dienstverweigerer ins Gefängnis oder schummelte sich mit zum Teil abenteuerlichen ärztlichen Zeugnissen in die Dienstuntauglichkeit.

Es war der Basler SP-Nationalrat Helmut Hubacher, der nach dem überraschend guten Abschneiden der legendären Armeeabschaffungs-Initiative (1989) erkannte, dass die Militärköpfe im Land nachdenklich geworden waren. Sie konnten nicht mehr jeden, der sich der Armee verweigerte, zum Verbrecher stempeln. Man hatte genug von den immer gleichen Dienstverweigerer-Prozessen. Hubachers Vorstoss für einen Zivildienst im Nationalrat stimmten erst die Eidgenössischen Räte und dann – 1992 – mehr als 80 Prozent der Bevölkerung zu. So weit, so gut. Doch: Kaum war der Zivildienst eingeführt, wurde er Politikern und Behörden egal. Es gab nie ein ernst zu nehmendes Konzept, was mit diesem Zivildienst erreicht werden sollte. Die Armee brauchte immer weniger Leute, und so nahm man es gelassen hin, dass die Jungen entweder in den Zivildienst abwanderten oder – die Dienstuntauglichen – in den Zivilschutz abgeschoben wurden. Es bleibt den Zivildienstleistenden überlassen, sich eine Aufgabe zu suchen, und so leisten sie ihre Pflichttage heute mehr oder weniger sinnvoll in Museen, Stiftungen, Altersheimen, Forschungsprojekten und weiss der Kuckuck was.
Grundsätzlich ist es sicher sinnvoll, dass junge Menschen beiderlei Geschlechts einen Gemeinschaftsdienst leisten. Es gibt in sozialen und in anderen Bereichen zahlreiche Aufgaben, welche die sogenannten Zivis übernehmen können. Aber bevor – und das thematisiert unsere Titelgeschichte – über die Einführung eines Gemeinschaftsdienstes für alle diskutiert wird, muss erst ein Konzept vorliegen, wie und wo die Leute dann tatsächlich gebraucht werden können. Heute wird da zu viel dem Zufall überlassen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.04.12

Nächster Artikel