Lange fokussierte sich die Basler Regierung auf die Gutverdienenden. Das soll jetzt vorbei sein. Mit dem Wohnraumfördergesetz, das kommende Woche im Grossen Rat behandelt wird, will sie nun Wohnungen «für alle» schaffen. Umstritten ist das Gesetz dennoch.
Mit gesenktem Blick sitzt Guy Morin in seinem Büro im Basler Rathaus und versucht, das viele Papier zur Wohnbaupolitik des Kantons auf seinem Tisch zu sortieren. Der Regierungspräsident und seine sechs Kollegen müssen mit dem 185-seitigen Dossier nun den Schaden begrenzen, den die alte Regierung unter Barbara Schneider (SP) zur Jahrtausendwende mit dem Entwicklungsprojekt Logis Bâle angerichtet hat. Morin wird nicht müde, immer wieder zu betonen: «Wir möchten mit unserer Wohnraumstrategie Wohnungen für alle schaffen – für alle.»
Das war mit Logis Bâle nicht der Fall. Das gescheiterte Projekt, das der Stadt innert zehn Jahren 5000 neue Wohnungen hätte bescheren sollen, war auf Gutverdienende ausgerichtet – und ist ein Grund dafür, weshalb es in Basel bei steigender Bevölkerungszahl immer schwieriger wird, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Der Leerwohnungsbestand liegt mittlerweile bei rekordtiefen 0,46 Prozent. Dass die Wohnungen in Basel teurer geworden sind, bestätigt die soeben publizierte Sozialberichterstattung 2012 mit dem Schwerpunkthema Wohnen des Statistischen Amtes.
Als Fehler möchte Morin Logis Bâle dennoch nicht bezeichnen: «Wir hatten damals einen Überhang an billigen und kleinen Wohnungen. Mit Logis Bâle wollte die damalige Regierung Gegensteuer geben und die Investoren dazu bewegen, in Wohnungen mit gehobenem Standard zu investieren – was auch dazu führte, dass die Steuereinnahmen in Basel gestiegen sind», sagt Morin. Zur Korrektur könne sich ein solches Projekt eignen. Zur dauerhaften Politik dürfe dies aber nicht werden. «Wir möchten kein Monte Carlo werden.»
Stiftung wird abgelehnt
Das Wohnraumfördergesetz, das laut Guy Morin «ganz wichtig für Basel ist und die Stossrichtung in der Wohnraumförderung definiert», ist der Gegenvorschlag zur 2011 eingereichten Initiative des Basler Mieterverbandes «Bezahlbares und sicheres Wohnen für alle». Das Volksbegehren fordert unter anderem, dass der Staat für «genügend bezahlbare Mietwohnungen für den Mittelstand» und für «genügend preisgünstige Mietwohnungen für die darauf besonders angewiesenen, wirtschaftlich schlechter gestellten Mietparteien» sorgt. Zudem sollen Sonderzonen für günstige Wohnungen geschaffen werden.
Der Ratschlag der Regierung, der kommenden Mittwoch im Grossen Rat debattiert wird, sieht die Schaffung einer öffentlich-rechtlichen «Stiftung für günstigen Wohnraum» mit einem Startkapital von 15 Millionen Franken vor. Gegen dieses Vorhaben wehren sich aber die zwei vorberatenden Grossratskommissionen – die Wirtschafts- und Abgabekommission sowie die Bau- und Raumplanungskomission. Sie unterstützen zwar das Anliegen der Exekutive, dass der Kanton besonders benachteiligten Personen eine Wohnung zur Verfügung stellen kann, halten die Gründung einer Stiftung aber für unnötig. Vielmehr soll die Unterstützung allgemeiner im Gesetz formuliert werden. Mit der Streichung der Stiftung kann der Regierungspräsident «leben». «Wichtig ist, dass die Zielsetzung der Stiftung jetzt als kantonale Aufgabe ins Gesetz eingeflossen ist.»
Mehr Genossenschaften
Mit dem neuen Gesetz will die Regierung zudem den Bau von Genossenschaften fördern, die in der Ära Barbara Schneider und Ralph Lewin (SP) vernachlässigt wurden, sowie die «Hürden für private Investoren abbauen» – namentlich das Gesetz über Abbruch und Zweckentfremdung (GAZW) lockern. Wer bis jetzt zwei kleinere Wohnungen in eine grössere umwandeln wollte, brauchte eine Bewilligung dazu. Neu sollen die Bestimmungen gelockert werden. «Wir möchten eine leichte Liberalisierung einführen. Wer bis jetzt den Grundriss seiner Liegenschaft verändert wollte, benötigte eine Bewilligung. Dies hinderte viele Liegenschaftsbesitzer, ihre Wohnungen energetisch zu sanieren», so Morin. Für den Mieterverband kommt eine solche Liberalisierung indes nicht in Frage. Co-Geschäftsführer Beat Leuthardt hat im Interview mit der TagesWoche bereits gesagt, dass sein Verband die Initiative nicht zurückziehen werde.
Als «problematischen Punkt» bezeichnet auch SP-Fraktionschefin Tanja Soland, die in der heutigen Ausgabe der «bz Basel» ihre Ambitionen für die Basler Regierung ankündigte, die geplante Aufhebung des GAZW. Ihre Partei wird voraussichtlich im Parlament einen Änderungsantrag stellen. «Ich persönlich glaube, dass die Initiative des Mieterverbandes grosse Chancen vor dem Volk haben wird, wenn das GAZW gestrichen wird», sagt sie.
Morin ist dennoch zuversichtlich, dass der Gegenvorschlag am Mittwoch im Grossen Rat angenommen wird. Die Wohnstrategie der Regierung sei wichtig und richtig, nicht zuletzt deshalb, weil im Kanton bis 2030 zwischen 200’000 bis 205’000 Einwohner leben würden (heute sind es 194’000). Und er sagt es wieder: «Es muss nicht nur mehr Wohnraum insgesamt geben. Wir müssen auch ein Angebot haben, das den Bedürfnissen der ganzen Bevölkerung entspricht.»