Heute entscheidet jeder Grossrat selber, wann ihn ein Geschäft so betrifft, dass er in den Ausstand treten sollte. Patrick Hafner (SVP) will eine klarere Regelung.
Eigentlich müssen Mitglieder des Grossen Rats bei Geschäften, die sie persönlich betreffen, in den Ausstand treten. So sieht es die Geschäftsordnung des baselstädtischen Parlaments vor. In der Praxis klappt das aber nicht immer, wie die letzte Grossratssitzung vom März zeigt. Damals halbierte das Parlament die von der Regierung beschlossenen Sparmassnahmen beim Staatspersonal – mithilfe der Stimmen von Grossräten, die beim Kanton angestellt sind. Im 100-köpfigen Grossen Rat sind das etwa ein Dutzend Stimmen.
Eine klare Definition, was «unmittelbar persönlich betroffen» bedeutet, gibt es nicht. Es liegt also an den einzelnen Grossräten, diese Frage für sich zu beantworten. Mit einem Vorstoss (als PDF herunterladen) will der SVP-Grossrat Patrick Hafner dem ein Ende setzen. Er fordert eine «Präzisierung der Ausstandsregelung».
Es soll klarer definiert werden, bei welchen Geschäften ein Grossratsmitglied nicht abstimmen darf. Die Regeln sollen laut Hafner so klar sein, dass «die Ratsmitgliedschaft nicht zur Erlangung von persönlichen Vorteilen missbraucht wird». Allerdings müssten die Regeln auch praktikabel sein, zum Beispiel in Steuerfragen, von denen alle Ratsmitglieder persönlich betroffen seien.
Prüfenswert oder unnötig?
SP-Grossrat Daniel Goepfert ist Lehrer am Wirtschaftsgymnasium und hat im März für eine Halbierung der Sparmassnahmen bei den Staatsangestellten gestimmt. «Ich habe damals mit meinem Abstimmungsverhalten Kürzungen meines eigenen Lohns befürwortet», sagt er. «Vorwürfe, wonach ich mir als Staatsangestellter persönliche Vorteile damit geschaffen hätte, halte ich für unangebracht.» Den Vorstoss findet Goepfert dennoch «prüfenswert», auch wenn er die Umsetzung als schwierig erachtet. «Dann müssten ja auch die Juristen in Ausstand treten, wenn der Grosse Rat ein neues Gesetz erlässt.»
Weniger anfangen mit dem Vorstoss kann CVP-Grossrat Oswald Inglin, selber Konrektor und Lehrer am Gymnasium Leonhard. Er hat sich im März der Stimme enthalten. «Ich mache das immer so, wenn eine Vorlage mich direkt betrifft. Ich bin da sehr vorsichtig.» Es sei aber nicht so, dass er sich als Lehrer bei Schulthemen gar nicht einmische und sich der Stimme enthalte. «Bei Fragen, die zum Beispiel die Volksschule betreffen, stimme ich ab. Ich werde ja auch von Lehrern gewählt – die erwarten das von mir.»
Am Schluss müsse jeder Grossrat persönlich entscheiden, wie er das handhaben wolle, findet Inglin. Handlungsbedarf sieht er grundsätzlich keinen: «Ich habe das Gefühl, dass die Ausstandsregelung heute gut funktioniert.» Auch bringe es nichts, wenn Staatsangestellte sich per se der Stimme enthalten sollen, wenn es um ihren Arbeitgeber geht. «Dann wäre der Wählerwillen auch nicht wiedergegeben. Jede enthaltene Stimme ist eine verlorene Stimme.» Es müsse jeder Fall differenziert angeschaut werden.