Von den 22 Gripen-Jägern für die Schweizer Luftwaffe sollen 8 auch für «Erdkampf» mit Bomben aufgerüstet werden. Das ist neu, kostet viel – und wäre fast nur für internationale Einsätze nötig.
Der Gripen-Kampfjet fliegt jetzt ruhig über eine nordschwedische Landschaft: Kleine Seen, viel Wald, liebliche Tälchen gleiten vorbei. Die Idylle trügt: Es herrscht Krieg. Zwei von drei angreifenden Feindfliegern sind soeben abgeschossen worden, einer in die Flucht geschlagen. «Achtung, Flabstellung rechts vorne bei der Brücke», warnt jetzt der Flugleitoffizier im Kopfhörer. Also mehr Schub geben, Höhe gewinnen und dann runter gegen die Brücke, Waffenwahl «Air-to-ground» (Luft-Boden). Der rote Knopf am Knüppel löst die Rakete aus, und schon fliegt die Brücke in die Luft. Jetzt aber Vollschub, voll hochziehen, und weg.
Solche Übungen möchten die Schweizer Kampfpiloten gerne fliegen – und im scharfen Schuss, nicht nur im Simulator. Können sie aber nicht. Jedenfalls die Luft-Boden-Elemente nicht. Nur Luftkampf, denn ihre F/A-18 Hornet sind reine Abfangjäger. Das reicht für die Verteidigung der neutralen Schweiz voll aus: Seit ihrer Gründung vor fast 100 Jahren hat die Schweizer Militärfliegerei jedenfalls noch nie Bodenziele bombardieren müssen. Nur Luftraumüberwachung, Luftpolizei – und notfalls Luftkampf. Letzteres in den letzten 70 Jahren auch nie mehr.
Folgerichtig beschaffte die Schweiz 1992 den F/A-18 nur in der Variante für Luftkampf. So konnten mehrere hundert Millionen für das Luft-Boden-Feuerleitsystem eingespart werden, und für teure Luft-Boden-Munition. Eine 100-Millionen-Waffenplattform sei viel zu teuer für Erdkampf, argumentierten die Militärs damals. Das operative Feuer zur Unterstützung der Bodentruppen könne auch mit der weitreichenden Artillerie (15,5 cm; bis 40 km) geleistet werden. Seit 1995 hat die Schweizer Luftwaffe darum keine Bomben-Flugzeuge mehr.
«Internationale Bedürfnisse»
Doch schon im Rüstungsprogramm 2001 klagten die Armeeplaner, der neue Kampfjet, der den F-5 Tiger ersetzen soll (TTE), müsse für «internationale Zusammenarbeit» konzipiert sein. Und: «Daraus könnten zusätzliche Bedürfnisse im Rahmen des Feuers Luft-Boden resultieren». Der Grund: In Nato-Übungen hatten die Schweizer Flieger mit ihren F/A-18-Jägern bei allen Erdkampf-Elementen passen müssen. Weltweite «Friedenseinsätze» aus der Luft, wie sie Schweizer Generäle damals noch ernsthaft anstrebten, wären ohne Bomben erst recht undenkbar.
So rutschte ins Anforderungsprofil für den Tiger Teilersatz (TTE) klammheimlich die Forderung nach «Wiederaufbau der Erdkampffähigkeit» rein. Da klaffe nämlich «eine Fähigkeitslücke». Und in der Botschaft zum Rüstungsprogramm 2012 vom 25. September, die jetzt bei allen Bundesräten liegt, steht nun, der Gripen E müsse auch «die Grundfähigkeit zur Bekämpfung von Zielen am Boden wieder aufbauen» helfen.
Acht Übungs-Bomber
Konkret sollen nur 10 der 22 neuen Kampfjets reine Abfangjäger sein: Vier werden zusätzlich als Aufklärer ausgerüstet – und acht als Bomber. Auf einem Schema für «in der Schweiz vorgesehene Beladungsvarianten» des Gripen werden für «Luft-Boden» in der Botschaft aufgeführt: «2 Infrarot-Lenkwaffen, 2 Radar-Lenkwaffen, 2 Zusatztanks, 1 Zielbeleuchtungsradar» und «2 Lenkbomben».
Möglich wären auch bunkerbrechende Erdkampf-Lenkwaffen vom Typ «Taurus». Und sogar die inzwischen geächteten Kanisterbomben, wie in Gripen-Werbeschriften zu lesen ist. Die Botschaft versichert indes, geplant sei vorerst nur die Beschaffung von «220 Kilogramm schweren Sprengbomben». Und dies auch nur für «Erprobungs- und Ausbildungszwecke».
Kommission stellt keine Fragen
Immerhin: Auch dafür müssen «Ausbildner, Fachdienstverantwortliche, Schiessleiter und Fliegerleitoffiziere ausgebildet» werden, präzisiert die Botschaft. Und wie zufällig bieten die Schweden im Zusammenarbeitsvertrag «Trainings eines Verbandes von bis zu acht Flugzeugen» an.
Ob die neue Bomber-Fähigkeit nötig sei, und was sie bei der Gripen-Beschaffung extra koste, hat die zuständige Kommission SiK nie vertieft abgeklärt und diskutiert. Es ist jedoch von mehreren hundert Millionen Franken auszugehen. Das VBS teilt auf Anfrage mit, es seien «weniger als 5 Prozent» der Beschaffungskosten. Das wären dann gut 150 Millionen. Am 11. Oktober 2012 will der Gripen E auf der Axalp im Berner Oberland im scharfen Schuss vorführen, wie präzise er Bomben abwerfen kann.