Adieu, Herr Ballmer – vermissen werden wir Sie nicht

Der Baselbieter Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) tritt nächsten Sommer zurück. Leider etwas zu spät.

Geriet in der Honorar-Affäre in den Fokus: Alt Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP). (Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Baselbieter Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) tritt nächsten Sommer zurück. Leider etwas zu spät.

Da stand er, die fleischgewordene Unlust, fleischgewordene Missmut gegenüber allem, was nicht er ist. Seinen enormen Bauch streckte er nach vorne, einem Wall gleich, zwischen sich und uns. Es war eine kleine Szene am Rande der Präsidentinnen-Feier für Maya Graf in Sissach, und es war eine Szene, die sich in den letzten Jahren Dutzende Male so abgespielt hat.

Finanzdirektor Adrian Ballmer wollte eigentlich nicht mit uns reden. Als wir, ebenfalls etwas trotzig und vom Apéro eigentlich in versöhnliche Stimmung getrunken, einfach stehen blieben, begann er dann doch zu ­reden. Er schaute uns nicht an, das macht er schon lange nicht mehr, und was er sagte, das war auch nicht eben nett. Er griff Kollegen von uns an, ziemlich direkt, ziemlich unverblümt. Er spielte «auf den Mann» und machte damit das, was er in seiner etwas weinerlichen Rücktrittserklärung (und nicht erst dort) wortreich beklagt. «Es wird in Medien und durch Medien diffamiert. Es dominieren Demagogen. (…) Respekt und Fairness bleiben auf der Strecke», heisst es im Schreiben, das Ballmer im Landratssaal verlesen liess.

Gelangweilt

Ja, Adrian Ballmer mochte die Journalisten nicht und liess sie das auch spüren. Aber es waren eben nicht nur die Journalisten. Niemand kann so demonstrativ gelangweilt in einem Sessel sitzen wie Ballmer während einer Landratssitzung. Und selten hat man einen Magistraten im Baselbiet abschätziger über die Bevölkerung reden hören wie nach dem Nein zum Sparpaket im Juni dieses Jahres. Die Nein-Stimmenden seien unsolidarisch und betrieben eine Destabilisierungskampagne gegen die gesamte Regierung, mit dem Ziel, Rot-Grün eine Mehrheit zu verschaffen und die beiden Basel zu fusionieren. Gab Ballmer zu verstehen. Und meinte das ernst.

Darum ist die Szene am Sissacher Fest so symptomatisch für den Politiker Ballmer. Sein Gestus, seine Haltung, seine Ansprachen – all das drückte immer nur eines aus: Ihr habt keine Ahnung, lasst mich in Ruhe.

Immer gleich

Das ist kein neuer Zug in Ballmers Wesen. Nur hat sich die Wertung verschoben. In den ersten zwei Amts­perioden war Ballmer nicht weniger distanziert (und nicht weniger dünnhautig im Übrigen). Aber damals, als es dem Kanton blendend ging, dank der Finanzpolitik von Ballmer, dank den guten Zeiten, damals wurde ihm diese Distanz als Souveränität ausgelegt. Heute ist es nur noch arrogant.

Die tragische Note: Ballmer war der fähigste Regierungsrat.

Das ist die tragische Note an der Geschichte des gefallenen Finanz­direktors: Er ist zweifellos der fä­higste und kompetenteste Politiker im ak­tuellen Baselbieter Regierungsrat. Er weiss das selber auch und darum konnte und kann er die Kritik an ­seiner Person wohl nicht ertragen. Denn einen konkreten Fehler im Umgang mit den Zahlen, den kann ihm niemand nachweisen.

Der einzige Fehler

Auch nicht mangelnde Konsequenz, machte er doch immer das Gleiche: Er glaubt an die Macht der tiefen Steuern, er glaubt an die Notwendigkeit eines sparsamen Staates. In den ersten beiden Amtsperioden funktionierte das gut, dann kam die Finanzkrise, und es funktionierte nicht mehr. Damals, im Frühjahr 2011, hätte Ballmer die Chance auf einen würdevollen ­Abgang gehabt. Man hätte Elogen über ihn verfasst, ihn als pragma­tischen und konsequenten und vor ­allem erfolgreichen Finanzpolitiker gewürdigt. Stattdessen liess er sich noch einmal erweichen, von alt Nationalrat Hans-Rudolf Gysin und von seinem unerschütterlichen Glauben an die eigenen Fähigkeiten.

Er hätte es lieber bleiben lassen. Als Letzter wurde er, der in seinen ersten beiden Wiederwahlen Spitzen­resultate erzielte, doch noch in die Regierung gehievt. Es folgte die öffentliche Klatsche beim Sparpaket, sein immer offensichtlicherer Widerwillen, sich der öffentlichen Debatte und der öffentlichen Meinung zu stellen – und nun auch noch das verlorene Erbe: Eric Nussbaumer von der SP wird der Sitz in der Regierung kaum zu nehmen sein, die FDP steht vor einem Trümmerhaufen.

Das Leiden und das Wünschen

Wären wir Medien und Journalisten wirklich so demagogisch und niederträchtig, wie Ballmer uns das so gerne vorhielt, wir würden uns über die öffentliche Selbstdemontage eines ehemals erfolgreichen Politikers freuen. Tun wir nicht. Aber wir erinnern ­Adrian Ballmer gerne an seinen liebsten Sinnspruch: Das Leiden, pflegte er zu guten Zeiten zu sagen, das Leiden komme vom Wünschen her. Dem Wunsch beispielsweise, als starker Mann in der Regierung niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen.

Die SVP kündigt Angriff anDer Rücktritt von Adrian Ballmer überraschte sogar die eigene Partei. Die Baselbieter FDP-Präsidentin Christine Pezzetta erfuhr erst am Donnerstagmorgen über SMS davon. «Für uns wäre es günstiger gewesen, wenn er erst vor den ­Gesamterneuerungswahlen zurückgetreten wäre», sagt sie. Ob die FDP den Sitz verteidigen will, ­sei noch offen. Einer der gehandelten Kandidaten ist FDP-Landrat Balz Stückelberger. Der Arlesheimer sagt, zuerst müsse die Partei ihre Strategie festlegen, bevor er sich Gedanken mache. Sollte Eric Nussbaumer für die SP antreten, müsse die FDP ­einen Kandidaten bringen, der auch Wählerstimmen von Mitte-Links gewinnen könne, so Stückelberger, der in dieses Profil passen würde. Dass SP-Nationalrat Nussbaumer den vakanten Sitz will, gilt als sicher. Am Tag von Ballmers Rücktritt hält er sich indes noch bedeckt: «Ich werde mich mit meiner Familie besprechen und mich ­Anfang Januar äussern.» SVP-Präsident Oskar Kämpfer rechnet mit Nussbaumers Kandidatur. Er hält den Solarunternehmer «nicht für unbesiegbar», selbst wenn SVP und FDP mit eigenen Kandidaten ins Rennen steigen. «Wir werden bei jeder Vakanz ­angreifen», sagt Kämpfer. Ein möglicher SVP-Kandidat wäre Nationalrat Thomas de Courten. Der sagt, er habe sich «Gedanken über eine Kandidatur gemacht», entscheiden müsse aber die Partei. «Wir müssen jetzt das Gespräch mit der FDP suchen», sagt de Courten. Oberstes Ziel sei, eine linke Regierungsmehrheit im ­Baselbiet zu verhindern – mit zwei bürgerlichen Kandidaten dürfte das schwierig zu erreichen sein. Renato Beck

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.12.12

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