Das Parlament in Kairo hat ein umstrittenes Gesetz zum Bau von Kirchen verabschiedet. Es schafft Hürden aus der Zeit der Ottomanen ab, bringt aber keine Gleichstellung mit den Muslimen. Die offiziellen Kirchen gaben ihre Zustimmung. Koptische Rechtsexperten warnen vor schwammig formulierten Bestimmungen.
Mehr als die Hälfte aller religiösen Konflikte in Ägypten haben ihren Ursprung in einem Streit um den Bau von Kirchen, der seit der Zeit der Ottomanen im Jahr 1856 in einem komplizierten Verfahren geregelt wurde. Dieses wurde 1934 per Dekret vom damaligen stellvertretenden Innenminister Ezabi Pasha noch einmal verschärft.
Die hohen Hürden kamen fast einem Verbot gleich. Wurde ohne Genehmigung gebaut, was in vielen Fällen geschah, war dies insbesondere in Oberägypten oft der Anlass für blutige Religionsfehden. Diese diskriminierende Praxis der Behörden habe zur Verbreitung einer sozialen Kultur geführt, die die Präsenz von Kirchen oder sogar deren Erneuerung ablehne, stellt die Ägyptische Initiative für Persönlichkeitsrechte (EIPR) fest.
Tränengas und Rauch vor der Abbassiya Kathedrale – 2013 kam es zu blutigen Konflikten zwischen Kopten und Muslimen in Kairo. Die Hälfte aller religiösen Konflikte hat ihren Ursprung beim Streit um den Bau von Kirchen. (Bild: EPA/STR)
Islamisten stimmen als Einzige gegen das Gesetz
Am Dienstag hat das ägyptische Parlament mit einem Zweidrittelmehr den Buchstaben der neuen Verfassung von 2014 erfüllt, die verlangt, dass in der ersten Session ein neues Gesetz zum Bau und zur Renovierung von Kirchen verabschiedet wird. Auch die Legalisierung der ohne Bewilligung errichteten Kirchen wird geregelt. Eine spezielle Kommission der Regierung soll binnen eines Jahres solche Gebetsstätten legalisieren.
Über den Text des Gesetzes wurde lange hinter verschlossenen Türen gerungen. Auch Präsident Abdelfattah al-Sisi hatte auf eine Einigung gedrängt. Kritiker stossen sich an der Intransparenz und monieren, die Vorlage sei den Christen als das derzeit Machbare aufgezwängt worden.
Was ist neu?
Nach dem neuen Gesetz muss der lokale Gouverneur im Laufe von vier Monaten über Gesuche zum Bau von neuen Kirchen entscheiden. Eine Ablehnung muss begründet werden. Es gibt auch die Möglichkeit, einen negativen Entscheid juristisch weiterzuziehen.
Die drei grossen christlichen Kirchen, die Orthodoxe, die Katholische und die Anglikanische, hatten zuvor den Text abgesegnet. Die islamistische Al-Nour-Partei, als einzige Vertretung der Islamisten im Parlament, hat gegen das Gesetz gestimmt, weil die Verfassung den Islam und nicht das Christentum als Religion des Staates definiere.
Kopten sind nicht begeistert
Halbmond und Kreuz würden sich mit diesem historischen Entscheid umschlingen, hatte Parlamentspräsident Ali Abdel-Al gemeint. Koptische Intellektuelle und Aktivisten sind weniger euphorisch.
Der Chefredaktor der koptischen Wochenzeitung «al-Wantani» warnte sogar vor einer «tickenden Bombe». Er kritisierte vor allem den Artikel, der einen Bedarfsnachweis für die Errichtung neuer Gotteshäuser fordert.
Dabei gibt es in Ägypten gar keine offiziellen Statistiken über die Zahl der Christen – in der Mehrheit orthodoxe Kopten – die rund zehn Prozent der Bevölkerung von 91 Millionen ausmachen und damit die grösste christliche Gemeinschaft im Nahen Osten sind.
Ein bisschen Minarett-Initiative
Auch werden genaue architektonische Vorgaben gemacht, wie die Kirchen auszusehen haben. Extremistische Muslime stören sich vor allem an Kirchturm und Kreuz. Mit schwammigen Formulierungen werde viel Raum für negative Entscheide geschaffen, lautet die Befürchtung. Eine christliche Parlamentarierin sprach deshalb von einer «politischen Farce».
Das neue Gesetz schafft allenfalls Erleichterungen, aber keine Gleichstellung mit den Muslimen. Die Diskriminierung bleibt bestehen. Die Forderung der Kopten hatte deshalb auf ein einheitliches Gesetz zum Bau von sakralen Gebäuden gelautet.
Davon ist derzeit keine Rede mehr. Laut offizieller Statistik gibt es in Ägypten 2869 Kirchen und 108’000 lizenzierte Moscheen. Viele Kirchen bleiben geschlossen, weil die Sicherheitsbehörden es so verfügen.
Im neuen Gesetz wird die Rolle der Sicherheitsbehörden gar nicht erwähnt. Deshalb wird die Praxis zeigen müssen, ob mit den neuen Bestimmungen die Möglichkeiten der Christen in Ägypten, ihren Glauben und ihre Riten frei zu praktizieren, tatsächlich verbessert werden.
Die Kopten in Ägypten fühlen sich als Bürger zweiter Klasse. Ein neues Gesetz soll das ändern – zumindest etwas. (Bild: AP Photo/Nariman El-Mofty)