Ein Jahr nach dem Flugzeugabsturz bei Sharm el-Sheikh steckt der ägyptische Tourismus noch immer in einer tiefen Krise. Trotz neuer Sicherheitsmassnahmen auf den Flughäfen sind die Russen noch nicht zurück und viele Europäer meiden das Land der Pharaonen. Jetzt fliegt auch die Schweizer Edelweiss nicht mehr in den Süd-Sinai.
Die ersten russischen Reisebüros in Sharm el-Sheikh haben aufgegeben. Seit dem Absturz eines russischen Ferienfliegers mit 224 Toten vor einem Jahr hat Moskau alle russischen Flüge in die ägyptischen Badeorte Sharm el-Sheikh und Hurghada am Roten Meer gestoppt.
Ein offizieller Bericht über die Ursache liegt zwar noch immer nicht vor, beide Seiten haben aber inzwischen die Bombentheorie bestätigt. Der Sprengkörper soll in Sharm el-Sheikh in die Maschine geschmuggelt worden sein.
Politik im Spiel?
Seither sind mit Hilfe ausländischer Firmen die Sicherheitsmassnahmen an den ägyptischen Flughäfen massiv verschärft worden. Jeder Passagier wird peinlich genau kontrolliert, muss gleich zwei Mal die Schuhe ausziehen. Lokale Medien berichten regelmässig, dass es keine Ausnahmen aus Gefälligkeit auch für hochgestellte Persönlichkeiten und Angestellte der Flughäfen mehr gibt.
Für viel Geld wurden hochempfindliche Geräte und Kameras angeschafft und spezielle Abfertigungshallen für russische Passagiere angelegt, wo auch russisches Personal arbeitet. Mehrere Delegationen aus Moskau haben die Fortschritte bestätigt, aber auch beim letzten Besuch des russischen Verkehrsministers Anfang Oktober ist das erwartete OK ausgeblieben.
Ägyptische und arabische Touristen sind derzeit fast unter sich. (Bild: Astrid Frefel)
«Da ist sicher auch Politik im Spiel», sagt Ahmed, der in Sharm el-Sheikh Ausflüge in die Wüste und zum Tauchen und Schnorcheln organisiert. Anders sei es nicht zu erklären, dass es nach dem Terroranschlag auf den Flughafen in Istanbul keine Flugverbote gab. Diese Einschätzung hört man auf dem Süd-Sinai immer wieder. Tatsache ist aber, dass auch aus den europäischen Ländern, die keine Restriktionen haben, die Gäste ausbleiben.
Vor wenigen Tagen hat die Schweizer Edelweiss ihre Flüge Richtung Sharm el-Sheikh nach einer Neubewertung aus Sicherheitsgründen vorläufig bis Ende März eingestellt. Hurghada fliegt die Chartertochter der Swiss weiter an. «Es gibt keine Nachfrage. Die bestehenden Flugverbindungen sind nicht ausgelastet», weiss der Chef einer internationalen Hotelkette.
Die Bilder von Terroranschlägen in der Region, insbesondere in Tunesien, seien immer noch in den Köpfen der Menschen. Ahmed wirft zudem den internationalen Medien vor, schlecht über Ägypten zu berichten, Sharm el-Sheikh sei doch absolut sicher.
Man spricht wieder Arabisch
In der «Perle am Roten Meer» sind deshalb derzeit fast nur Ägypter und arabische Touristen anzutreffen. Das internationale Flair ist weitgehend verschwunden, die Angebote auf die neue Klientel ausgerichtet. Es gibt noch mehr Shisha-Kaffees, Fruchtcocktails statt Mojito sind im Angebot und in den Geschäften mit Bademode hängen die islamischen Badeanzüge renommierter Sportartikelmarken jetzt prominent in der Auslage.
Am Strand bleiben jede Menge Stühle leer. (Bild: Astrid Frefel)
Diese Touristen kommen zudem nicht wie die Europäer das ganze Jahr, sondern sehr saisonal, während ihren eigenen Feiertagen. Dann sind vor allem Hotels gut gebucht, die schon immer bei Ägyptern beliebt waren. Die Regierung hat zudem Reisen für Inländer stark subventioniert, und damit kamen auch Gäste mit wenig Ahnung von Etikette. Hotelmanager sahen sich gezwungen, Schilder mit Anweisungen wie «Verschwende kein Essen» bei den Buffets aufzustellen.
Eine längere Periode mit vielen Festtagen geht jetzt zu Ende. Im Durchschnitt sind die Hotels im Süd-Sinai gerade zu 15 Prozent ausgelastet, hat ein örtlicher Tourismusvertreter bestätigt. Die ägyptischen Gäste sorgen zwar für einen gewissen Umsatz und verhindern somit Hotelschliessungen, sie bringen aber keine der dringend benötigten Devisen ins Land. Gern gesehen sind arabische Touristen, sie geben sehr viel Geld aus, auch mehr als Europäer.
Kamen im ersten Halbjahr 2015 noch 4,8 Millionen Fremde nach Ägypten, waren es in diesem Jahr mit 2,3 Millionen weniger als die Hälfte. Im August stammten von den 503’000 Touristen 47 Prozent aus arabischen Ländern. Der durchschnittliche Aufenthalt sank von 9 auf 6,4 Tage.
Erste Einrichtungen wie dieses geschlossene Kaffee am Strand zerfallen. (Bild: Astrid Frefel)
Der Finanzminister rechnet im laufenden Jahr gerade noch mit Einnahmen aus dieser Branche zwischen 4 und 4,5 Milliarden Dollar. Im Rekordjahr 2010 brachte der Fremdenverkehr 12,5 Milliarden Dollar. Fast eine Million Angestellte, das heisst etwa jeder zweite, haben in der Zwischenzeit ihre Jobs in diesem Wirtschaftszweig und den damit verbundenen Zulieferern verloren.
Düstere Zukunft
Die Verantwortlichen gehen jetzt davon aus, dass die russischen Flieger im besten Fall Anfang 2017 zurückkehren. Russen und Engländer machten vor dem Einbruch zusammen fast 40 Prozent der Touristen in Ägypten aus. Der Chef der Hotelkette warnt vor zu viel Optimismus. Für ihn gibt es noch keine Lichtblicke. Die nächste Tragödie zeichnet sich seiner Meinung nach schon ab.
Dutzende Hotels sind zum Teil seit längerer Zeit ganz geschlossen, andere haben seit Jahren nicht mehr investiert, sind herunterkommen oder mindestens nicht mehr auf dem neusten Stand in dieser weltweit extrem kompetitiven Industrie. Überall wird an Personal und Material gespart, was nicht ohne Folgen für die Qualität des Fremdenverkehrs bleibt. Das hat sich bereits in internationalen Vergleichen niedergeschlagen.
Trotz Flaute wird weiter gebaut. (Bild: Astrid Frefel)
In der Rangliste der Wettbewerbsfähigkeit des World Economic Forum (WEF) ist der ägyptische Tourismus im Jahr 2015 auf Rang 83 zurückgefallen. Bei der Sicherheit rangiert das Land der Pharaonen sogar auf Platz 136. Auch Sonne, Sand und die kulturellen Schätze können diese Defizite nicht so leicht wett machen. Das hochpreisige Segment zurückzugewinnen, wird deshalb die schwierigste Aufgabe sein.