Äpfel essen gegen Putin

Seit einem Monat gilt das russische Embargo gegen Obst und andere Lebensmittel aus der EU – eine Reaktion auf die vom Westen verhängten Sanktionen gegen Russland. Besonders hart trifft es den grössten Apfelproduzenten Europas. Ein Besuch.

Werbung der Supermarkt-Kette Intermarché im Solidarnosc-Stil in Danzig: «Iss Äpfel – eine patriotische Pflicht, die noch nie so lecker war.» (Bild: Juliane Matthey, n-ost)

Seit einem Monat gilt das russische Embargo gegen Obst und andere Lebensmittel aus der EU – eine Reaktion auf die vom Westen verhängten Sanktionen gegen Russland. Besonders hart trifft es die Polen, den größten Apfelproduzenten Europas. Ein Besuch bei polnischen Bauern in der Nähe von Konin.

Knallrot und dicht aneinander hängen die Äpfel an den jungen Bäumen – die Äste so dünn, dass sie von Holzstäben und Schnüren gestützt werden müssen. Zehn Frauen und Männer greifen nach den Äpfeln und lassen sie in ihre Latztaschen gleiten. Von dort lassen sie sie in Holzkisten kullern, die von einem kleinen Schlepper durch die Reihen gezogen werden.

Die Apfelplantage von Andrzej Sarnowski in der Gemeinde Sompolno ist erst wenige Jahre alt, der Obstbauer hat in den vergangenen Jahren seine Anbaufläche vergrössert. EU-Subventionen haben ihm geholfen, Kredite für eine neue Produktionshalle aufzunehmen, in der pro Tag 40 Tonnen Äpfel gewaschen, sortiert und verpackt werden können.

«Wir schaffen es, pro Tag zwei Lastwagen zu beladen», sagt Sarnowski. Die meisten Äpfel gingen bisher nach Russland, nur ein kleiner Teil landete auf dem lokalen Markt oder in anderen EU-Ländern.

Der grösste Apfel-Produzent der EU

Polen ist in den vergangenen Jahren zum grössten Apfel-Produzenten der EU aufgestiegen: Fast drei Millionen Tonnen Äpfel ernten polnische Bauern pro Jahr – mehr als in Frankreich oder Italien. Die meisten Äpfel landen nicht in europäischen Supermärkten, sondern auf dem russischen Markt.

Das wird jetzt zum Problem: Vor sechs Wochen verhängte der russische Präsident Wladimir Putin im Gegenzug für die EU-Sanktionen einen Importstopp für Obst und Gemüse aus Polen – offiziell wegen angeblich zu hoher Schadstoffbelastung. Beobachter vermuten, dass dabei auch die ukrainefreundliche Politik der Regierung in Warschau eine Rolle gespielt hat.

«Wir müssen uns jetzt nach neuen Absatzmärkten umschauen, vielleicht in Richtung Skandinavien oder Westeuropa», sagt Landwirt Sarnowski. Schliesslich sind noch nicht einmal die gelagerten Äpfel der vergangenen Saison verkauft. Bis dahin hofft Sarnowski auf Ausgleichszahlungen und Stundung von Krediten.

«In schwierigen Zeiten haben die Polen immer zusammengehalten.»


Apfel-Bauer Ruszcynski ist optimistisch.

Sein Nachbar Krzysztof Ruszczynski allerdings sieht auch die Obstbauern selbst in der Verantwortung. Die EU-Subventionen hätten zwar geholfen, die Qualität der Äpfel zu verbessern, andererseits aber zu überdimensionierten Plantagen geführt. «Neue Plantagen sollte ein Obstbauer nur anpflanzen, wenn er sicher ist, dass er einen Käufer hat. Und nicht nur, weil Geld da ist.» Bauer Ruszczynski ist dennoch zuversichtlich: «In schwierigen Zeiten haben die Polen immer zusammengehalten.»

Auf diese Solidarität hat auch die Kampagne «Äpfel essen gegen Putin» gesetzt, die schon mehrere Wochen vor Beginn der Ernte startete. Prominente zeigten sich Apfel essend in der Öffentlichkeit, allerorts wurden die Früchte verschenkt und angepriesen. Die französische Supermarktkette Intermarché erklärte das Apfelessen gar zur süssesten patriotischen Pflicht und bezog sich in ihrem Kampagnenlogo auf die Solidarnosc-Bewegung.

Das Marketing mit dem Solidarnosc-Logo hat funktioniert

Auch wenn einige dies als geschmacklosen Marketingtrick entlarvt haben, zeigt die Kampagne Wirkung. «Viele Kunden fragen nach der Herkunft der Äpfel», erzählt eine Obsthändlerin in Konin, die ihre Waren vor einem Supermarkt der polnischen Kette Lewiatan feilbietet.

Auch im Supermarkt selbst sind viele Käufer kritisch geworden, erzählt die Filialleiterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will: «Die Leute zeigen sogar mit dem Finger auf Produkte, die im Geschäft stehen und die ich nicht einkaufen sollte, weil sie aus Russland kommen.» Sie hält es aber auch für möglich, dass Grosseinkäufer und Supermärkte die Situation der Apfelbauern ausnutzen und günstigere Preise von den Obstbauern verlangen.

Eine andere Obsthändlerin dagegen schüttelt nur den Kopf über den Apfel-Rummel: «Ich kaufe meine Ware seit 25 Jahren auf dem Grossmarkt von Kalisz und kann sagen, dass weder die Preise gefallen sind noch dass die Leute mehr Äpfel kaufen.»

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