AIA – das grosse Rätselraten um drei Buchstaben

Automatischer Informationsaustausch AIA im Kampf gegen Steuerflucht: Alle sprechen davon, aber was ist das genau? Eine Klärung.

Die USA jagen Steuerflüchtige - die Schweiz und andere Finanzplätze müssen mitziehen. (Bild: J. David Ake)

Automatischer Informationsaustausch AIA im Kampf gegen Steuerflucht: Alle sprechen davon, aber was ist das genau? Eine Klärung.

Die USA machen mit ihren Fatca-Abkommen (Foreign Account Tax Compliance Act) Druck. Sie wollen volle Transparenz bei ausländischen Kapitalanlagen von Personen mit US-Steuerpflicht. Steuerflucht und Steueroasen sind Stichworte dazu. Die Finanzplätze müssen sich bewegen, die Schweiz kämpft ein Rückzugsgefecht um ihr Bankgeheimnis.

Was ist der aktuelle Stand der Dinge?

• Luxemburg verzichtet ab 1. Januar 2015 auf die Ausnahmeregelung (Quellensteuer) im Rahmen der EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie und übernimmt das AIA-Modell, wie es bereits 25 andere EU-Mitglieder anwenden. Aber: Diese Richtlinie vom 3. Juni 2003 betrifft nur die Zinserträge auf Vermögen natürlicher Personen. Luxemburg hat vorgesorgt und kennt z.B. Fonds, wo keine Zinszahlungen anfallen und die darum steuerbefreit sind. Eine AIA-Erweiterung, die auch Stiftungen und Trusts einschliesst, wird in der EU diskutiert. Österreich wird dem Vorbild von Luxemburg ebenfalls folgen.

• Die unter Aufsicht der britischen Krone operierenden Offshore-Finanzplätze in der Karibik (u.a. Anguilla, Bermudas, Cayman Island) haben ein Abkommen zum AIA über Bankkonten mit fünf grossen EU-Ländern (Grossbritannien, Italien, Deutschland, Frankreich, Spanien) vereinbart. Die Isle of Man und die Kanalinsel Guernsey wollen sich anschliessen. Aber: Finanzplätze in den USA, Asien usw. werden vom Abkommen nicht erfasst. Offen ist auch hier, wie Trusts und Stiftungen behandelt werden.

Factsheet erklärt die Funktionsweise von AIA

Und genau das ist die Krux. «Der AIA ist weitgehend eine Leerformel, wenn die Banken die wirtschaftlich Berechtigten hinter Firmenstrukturen oder Trusts nicht kennen», kommentierte die NZZ die Nachricht aus London. Und weiter: «Bei Abkommen zum Informationsaustausch sind deshalb das Kleingedruckte und dessen Umsetzung zentral.»

Mit andern Worten: Wenn man vom AIA spricht, muss man wissen, worüber man genau redet und noch vorher, was dessen grundlegende Idee ist und wie der AIA in der Praxis funktioniert. Dazu hat die entwicklungspolitische Lobby von Alliance Sud ein Factsheet erarbeitet und aktualisiert. Es stellt die rechtlichen Grundlagen und empirische Beispiele vor und gibt einen Ausblick (Stand 2012) (siehe PDF-Attachment auf der Rückseite des Artikels).

Das gegenwärtige Abkommen mit der EU

Was bedeuten die neusten Entwicklungen für die Schweiz? Sie muss den Entscheid aus Luxemburg formalrechtlich nicht übernehmen, da sie nicht EU-Mitglied ist. Sie ist seit 2005 in die EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie eingebunden und profitiert bisher wie Luxemburg und Österreich von der erwähnten Ausnahmeregelung. Sie muss mit andern Worten nicht bekannt geben, auf welchen Konten die Quellensteuer belastet wird.

Mit Grossbritannien und Österreich sind seit dem 1. Januar 2013 zwei weitergehende Quellensteuerabkommen in Kraft. Sie gelten für natürliche Personen. Die Steuern werden auf Zinsen, Dividenden und anderen Kapitalerträgen erhoben. Zudem können Personen mit Wohnsitz in diesen Ländern ihre bestehenden Konten in der Schweiz nachbesteuern. In Deutschland scheiterte ein ähnliches Abkommen im Parlament.

Noch setzt Bern auf eine Weiterentwicklung

Das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF) setzt nach wie vor auf die Abgeltungssteuer als Alternative zum AIA. Die Schweiz, so das SIF, sei bereit, mit der EU «über die Anpassung des Zinsbesteuerungsabkommens zu diskutieren». Dabei müsse aber auch die Übernahme des OECD-Standards bei der Amtshilfe in Steuersachen berücksichtigt werden. Nach dem Aus in Deutschland und der Wende in Luxemburg wird auch unser Land unter Druck kommen, den AIA ohne Ausnahmeregelung zu akzeptieren.

Dass die Schweiz mit den USA ein Fatca-Abkommen unterzeichnet hat, wird den Druck noch verstärken. Es verpflichtet die Schweizer Banken, Informationen über Konten, Anlagen und Erträge von in den USA steuerpflichtigen Personen zu übermitteln. Ein Gegenrecht gibt es nicht. Das vom Bundesrat unterzeichnete Abkommen muss noch vom Parlament genehmigt werden. Das ist alles andere als sicher. Den USA ist das egal. Sie werden Fatca so oder so ab dem 1. Januar 2014 einführen. Die Schweizer Banken müssen sich daran halten, sofern sie nicht vom US-Kapitalmarkt ausgeschlossen werden wollen.

In der EU-Kommission hofft man, dass die Finanzminister am 14. Mai das Mandat für Steuerverhandlungen mit der Schweiz verabschieden. Am 22. Mai sollen sich am EU-Gipfel auch die Staats- und Regierungschefs mit dem Thema Steuerflucht beschäftigen.

Banken könnten sich AIA vorstellen, aber…

Der Präsident der Privatbankier-Vereinigung, Nicolas Pictet, sagte im «Tages-Anzeiger», die Schweiz solle nicht weiter Alleingänge fahren, sondern die EU-Regeln annehmen, um dafür im Gegenzug den vollen Marktzugang zu erhalten. Dazu gehöre auch der AIA im Rahmen der OECD. Thomas Sutter von der Bankier-Vereinigung ergänzte in der NZZ am Sonntag (nicht online): «Ziel bleibt aber, dass wir in den AIA einwilligen sollten, wenn dieser ein globaler Standard ist, also namentlich auch für Miami, Delaware oder Singapur gilt.»

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf betonte vor den Delegierten der BDP am 6. Mai in Genf, sie sei zu Gesprächen über den AIA bereit, sofern gewisse Bedingungen erfüllt seien. Auch für sie ist das ein globaler Standard im Rahmen der OECD. Darin müsse auch die Frage der wirtschaftlich Berechtigten von Trusts behandelt werden und die Gegenseitigkeit der Verpflichtungen gegeben sein. «Alle Finanzplätze sollen die gleichen Bedingungen haben», so Widmer-Schlumpf.

SVP lanciert Bankgeheimnis-Initiative

Die SVP wehrt sich mit Händen und Füssen gegen den AIA – die anderen bürgerlichen Parteien sind flexibler – und will als Antwort darauf das Bankgeheimnis mit einer Volksinitiative für in der Schweiz ansässige Personen in der Verfassung verankern. Wann mit der Unterschriftensammlung begonnen werden soll, ist offen. Die Partei mit Exponent und Banker Thomas Matter an der Spitze feilt noch am Text.

Eine Arbeitsgruppe unter Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti ist im übrigen dabei, eine Auslegeordnung zu den Finanzplatzfragen zu erarbeiten. Im Juni soll sie vorliegen.

(Der Artikel erschien zunächst auf infosperber.ch.)

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