Alles, was Sie zur Bundesratswahl wissen müssen

Dreierticket, Sprengkandidaten, Wahlmodus: Die anstehenden Bundesratswahlen in der Übersicht.

Die offiziellen Kandidaten der SVP: Guy Parmelin (links), Norman Gobbi (Mitte) und Thomas Aeschi.

(Bild: Nils Fisch)

Dreierticket, Sprengkandidaten, Wahlmodus: Die anstehenden Bundesratswahlen in der Übersicht.

Die Entscheidung steht kurz bevor: Am 9. Dezember wird der neue Bundesrat gewählt. Im Fokus steht der frei gewordene Sitz von Eveline Widmer-Schlumpf (BDP).

Wir erklären, was bei der Wahl wichtig ist:

1. Wie und wann wird gewählt?

Die Mittwochssitzung ist für die Wahl des Bundesrats reserviert. Um 8 Uhr geht es los. Dann wählt die vereinigte Bundesversammlung – also 200 National- und 46 Ständeräte – alle sieben Bundesräte.

Zuerst werden die bisherigen wiedergewählt. Dabei dürfte es zu keinen Überraschungen kommen. Anschliessend wird der vakante Sitz neu besetzt.

Die Wahl erfolgt geheim. Das heisst, die National- und Ständeräte schreiben den Namen einer wählbaren Person auf Zettel, die anschliessend ausgezählt werden. In den ersten beiden Wahlgängen dürfen alle wählbaren Personen auf einen Zettel geschrieben werden. Danach sind keine neuen Kandidaten zulässig.

Ab dem zweiten Wahlgang scheidet aus, wer weniger als zehn Stimmen erhält. Ab dem dritten Wahlgang scheidet jeweils der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus. Gewählt ist, wer das absolute Mehr erreicht – also bei 256 Parlamentarierinnen und Parlamentariern mehr als 123 Stimmen.

2. Wer steht offiziell zur Wahl?

Die SVP schlägt drei Kandidaten vor:

Norman Gobbi

Er ist der Kandidat, der alle überraschte. Der 38-Jährige Lega-Politiker ist Regierungsrat im Tessin, die SVP hat ihn jedoch kurzfristig in die Partei aufgenommen. Gobbi steht für seine rassistischen Äusserungen in der Kritik. In den Hearings hat er jedoch nach der Auffassung von CVP- und FDP-Politikern einen guten Eindruck hinterlassen.

Mit Gobbi wäre das Tessin nach 16 Jahren wieder im Bundesrat vertreten, was durchaus für ihn spricht. Als Mitglied der rechtspopulistischen Lega, gilt er jedoch gerade bei den Linken als unwählbar.

Lesetipps:

Porträt von Georg Kreis (TagesWoche): Das kleine Ungeheuer aus dem Tessin 
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Interview mit der «Aargauer Zeitung»: «Wir Tessiner sind Patrioten»

Thomas Aeschi

Er ist der Streber unter den SVP-Politikern. Nach dem Wirtschaftsstudium in St. Gallen und Harvard legte der Zuger Politiker einen Aufstieg sondergleichen hin. 2011 wurde Aeschi nach einem beispiellos teuren Wahlkampf – er setzte angeblich 150’000 Franken ein – in den Nationalrat gewählt. Er pflegt engen Kontakt zur Parteispitze, was vermutlich ein Grund dafür ist, weshalb Aeschi heute da steht, wo ihn niemand erwartet hätte: als Spitzenkandidat auf dem Weg in den Bundesrat.

Linke sehen Aeschi als «Hans-Rudolf Merz im Quadrat» und «Blocher-Jünger». Der Finanzspezialist könnte dem Bundesrat denn auch eine deutlich konservativere Note verpassen, als dies Eveline Widmer-Schlumpf tat. Ob er das Finanzdepartement von Widmer-Schlumpf übernehmen würde, bleibt fraglich. Dort könnte sich der 36-Jährige zweifellos als neoliberaler Finanzpolitiker profilieren.

Lesetipps:

Porträt der NZZ: Der Himmelsstürmer
Interview mit der «Aargauer Zeitung: «Ich besuche Lulu regelmässig»
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Einordnung der «Schweiz am Sonntag»: Der Anti-Aeschi-Plan der Linken 

Guy Parmelin

Er ist der gmögige Weinbauer, der lange unterschätzt wurde. Der Waadtländer sitzt seit 2003 im Nationalrat und war zuvor Regierungsrat in Lausanne. An den Hearings von CVP und FDP hinterliess er einen durchzogenen Eindruck. Sein Englisch sei zu schlecht, hiess es danach aus Politiker-Kreisen.

Ausserdem muss sich Parmelin in jedem Interview des Verdachts erwehren, er sei Alkoholiker. Unklar bleibt, wer das Gerücht in die Welt gesetzt hat. Fest steht: Es verfolgt ihn seit Wochen – wohl auch deshalb, weil es zum Bild des Welschen Weinbauern passt.

Für Parmelin spricht, dass er als offizielle Alternative zu Gobbi und Aeschi von den Linken Stimmen erhalten könnte. Gegen ihn spricht, dass mit ihm drei Bundesräte aus der Westschweiz im Bundesrat vertreten wären. 

Lesetipps:

Porträt der NZZ: Der Unterschätzte 
Interview mit der «Aargauer Zeitung»: «Ich bin doch kein Alkoholiker» 
Interview mit der NZZ: «Ich bin nach rechts gerückt» 
Einschätzung des «Tages-Anzeigers»: The big Vorteil of being provinziell

3. Wer steht sonst noch zur Wahl?

Neben den offiziellen Kandidaten, die die SVP vorschlug, werden derzeit einige Sprengkandidaten genannt, die von Mitte- und Links-Parteien aufgebaut werden sollen. Thomas Hurter, Hannes Germann, Heinz Brand, Roland Eberle, Heinz Tännler und Rosmarie Widmer-Gysel werden von den Medien als Sprengkandidaten kolportiert.

Ob einer dieser Namen auch tatsächlich auf die Zettel der Parlamentarier geschrieben wird, ist offen. Bei der Abwahl von Christoph Blocher (2007) wurde der Name von Eveline Widmer-Schlumpf erst kurz vor der eigentlichen Wahl genannt. Die beteiligten Fraktionsleader behielten ihren Namen bis zuletzt für sich.

Gut möglich, dass am Mittwochmorgen auf einmal ein neuer Name auftaucht. Die bisher genannten Sprengkandidaten würden sich dann wohl als Ablenkungsmanöver herausstellen.

4. Was passiert, wenn ein Sprengkandidat gewählt wird?

Alle elf SVP-Politiker, die sich in der Partei als Bewerber meldeten, mussten vor einigen Wochen ein Papier unterschreiben, das ihnen eine Annahme der Wahl verbietet. Damit will die SVP sicherstellen, dass ein Kandidat aus dem Dreierticket gewählt wird.

Zudem hat die Partei eine Ausschlussklausel für gewählte SVP-Bundesräte definiert. Diese verlangt, dass jeder gewählte Bundesrat, der nicht offiziell von der Partei nominiert wurde, aus der SVP-Fraktion ausgeschlossen wird.

Falls die vereinigte Bundesversammlung nun beispielsweise Heinz Brand wählt, der sich für das Amt als Bundesrat bewarb, jedoch nicht auf dem offiziellen Dreierticket steht, so ist fraglich, ob dieser die Wahl annehmen würde. Laut unterschriebener Vereinbarung dürfte er dies nicht.

Wenn die Parlamentarierinnen und Parlamentarier einen inoffiziellen Kandidaten wählen – weder Bundesratsbewerber noch Dreierticket-Kandidat – so wäre es denkbar, dass dieser von der Fraktion ausgeschlossen würde. Sofern der inoffizielle Kandidat die Wahl annimmt, wäre er fürs Erste fraktionsloser Bundesrat.

5. Wer erhält welches Departement?

Die Verteilung der Departemente erfolgt nach der Bundesratswahl. Der am längsten amtierende Bundesrat darf zuerst entscheiden, ob er sein Departement behalten oder ob er in das freiwerdende Finanzdepartement wechseln will.

Doris Leuthard (CVP) ist derzeit die Amtsälteste, sie darf also als Erste wählen. Nach ihr dürfen der Reihe nach Ueli Maurer (SVP), Didier Burkhalter (FDP), Simonetta Sommaruga (SP), Johann Schneider-Ammann (FDP) und Alain Berset (SP) wählen.

Ein Wechsel ist für Bundesräte dann sinnvoll, wenn sie in ihrem Departement wenig erreichen oder sich am falschen Platz wähnen. Bei Sommaruga und Maurer gab es bereits solche Gerüchte, offiziell sagen die beiden jedoch nichts dazu.

Anzunehmen ist, dass Mitte- und Links-Parteien verhindern wollen, dass der Finanzspezialist Thomas Aeschi das Finanzdepartement erhält. Falls er also gewählt wird, ist ein Wechsel beispielsweise von Sommaruga ins Finanzdepartement denkbar.

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Die TagesWoche berichtet im Vorfeld der Wahl von der «Nacht der langen Messer» sowie am Mittwoch live von der Wahl aus Bern.

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