Alte Gräben im Gripen-Streit

Der Kampf um den Gripen wird ein Kampf um die Existenzberechtigung der Armee.

Der Streit um den Gripen wird die Bevölkerung entzweien. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Kampf um den Gripen wird ein Kampf um die Existenzberechtigung der Armee.

Waldsterben, Tschernobyl, der Fall der Mauer – jede Generation hat ihr politisches Erweckungserlebnis. In diese Reihe gehört auch eine Abstimmung vom Juni 1993: Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee hatte im Jahr zuvor das Referendum gegen den Kauf von 34 Kampfjets des Typs F/A-18 ergriffen und sammelte dafür in nur 32 Tagen über eine halbe Million Unterschriften. Die Abstimmung elektrisierte das Land, zu Tausenden gingen Gegner und Befürworter des Kampfjets auf die Strasse. Dabei ging es nur vordergründig um den Flieger: Der wahre Kampf war ein Kampf um die Daseinsberechtigung der Armee.

Es waren die Bürgerlichen, die die Abstimmung über die Flieger zur Schicksalsfrage über die Armee als Ganzes stilisierten. Ein Kniff, der zum Sieg führte. In ersten Umfragen hatten die Initianten des Referendums noch eine solide Mehrheit, am Abstimmungstag stimmten nur noch 42 Prozent gegen den Flieger.

Das gleiche Szenario

Zwanzig Jahre später könnte sich dieses Szenario wiederholen. In einer Meinungsumfrage des «Sonntagsblicks» stellen sich über 60 Prozent der Befragten gegen den Kauf von 22 Gripen-Jets, den der Nationalrat diese Woche beschlossen hat. Noch während der Debatte über den Jet wurden bereits Links zum Unterschriftenbogen für das Referendum vertwittert, ein linkes und ein bürgerliches Komitee macht sich bereit für den Kampf gegen den «Papierflieger», der in Schweden erst noch gebaut werden muss. Die Unterschriften für das Referendum werden wieder in Rekordzeit zusammenkommen, der Vorsprung der Jet-Gegner ist gross. Wie vor zwanzig Jahren.

Und wie vor zwanzig Jahren droht den Kampfjet-Gegnern bei der Abstimmung (die im Mai 2014 stattfinden wird) eine Niederlage. Hinweise darauf gibt die Art und Weise, wie die Bürgerlichen diese Woche nach jahrelangem Gezerre im entscheidenden Moment doch noch die Reihen schlossen und den Jet ohne Mühe durch den Nationalrat brachten.

Für oder gegen die Armee

Und Hinweis ist auch die Tonalität der Debatte: Die bürgerlichen Kampfjet-Freunde werden die Abstimmung über den Gripen wieder zur Schicksalsfrage machen. Hans Fehr (SVP, ZH) ermahnte diesen Mittwoch während der Debatte Gripen-kritische Bürgerliche mit markigen Worten: «Seien Sie nicht die Wasserträger der Linken! Die wollen keinen Jet und keine Armee!» Subtiler machte es Ursula Haller (BDP, BE). Sie unterstelle den Kampfjet-Gegnern nicht, dass sie gegen die Armee seien, das wäre infam. Aber: «Drei Stunden von hier entfernt tobt ein fürchterlicher Krieg. Hand aufs Herz: Wer von Ihnen hier drinnen hätte das vor fünf Jahren für möglich gehalten?» Ihre Botschaft: Wer gegen einen Jet ist, ist eben doch gegen eine Armee und riskiert damit die Sicherheit der Schweiz.

Einige Vertreter der Linken machten den Bürgerlichen den Gefallen, sich auf die Armee-Diskussion einzulassen. «Sind Sie gegen das Flugzeug oder sind Sie gegen die Armee?», fragte Roland Büchel (SVP, SG) Balthasar Glättli (Grüne, ZH) während der Debatte. «Ich persönlich bin gegen die Armee. Die grösste sicherheitspolitische Herausforderung der Schweiz sind ihre Atomkraftwerke», antwortete Glättli.

Bürgerliche mit besseren Chancen

Gelingt es den Bürgerlichen, die Abstimmungsfrage über den Gripen-Jet auch in der Bevölkerung zu einer Frage über die Existenzberechtigung der Armee zu machen, dann ist die Chance auf einen Sieg gross. Die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung ist für die Armee – das wird die Abstimmung vom 22. September über die Wehrpflicht-Initiative zeigen, der ein grandioses Scheitern vorausgesagt wird.

Speziell an der emotional geführten Debatte um 22 Kampfjets ist, dass Bundesrat Ueli Maurer gar kein grosses Interesse an einem neuen Fliegerpark hat. Maurers erste Priorität liegt nicht im Luftkampf – sondern in der terrestrischen Fliegerabwehr. Während des umstrittenen Umbaus der Schweizer Armee zur «Armee XXI» forcierten führende Generäle wie Christophe Keckeis die internationale Ausrichtung und Nato-Anpassung der Luftwaffe. Die Fliegerabwehr wurde vernachlässigt.

Am Boden bleiben

Diese Fehlentwicklung will Maurer korrigieren: Jagdbomber dienen zwar der Luftverteidigung, sind aber auch für weltweite Luftangriffe brauchbar, die in der neutralen Schweiz niemand will. Fliegerabwehr (Flab) vom Boden aus hingegen ist reine Landesverteidigung. Mit der Ernennung des Flab-Brigadiers Aldo C. Schellenberg zum neuen Chef der Luftwaffe hat der SVP-Bundesrat diesbezüglich vor einem Jahr ein klares Zeichen gesetzt.

Darum sieht Ueli Maurer der Ausmarchung um den Gripen gelassen entgegen: Bei einer Niederlage stünden für die Erneuerung der Flab aus den eingesparten Gripen-Milliarden sofort umfangreiche Mittel zur Verfügung. Darüber wäre Maurer sicher gar nicht unglücklich. Seine «beste Armee der Welt» beruht auf den drei Pfeilern Neutralität, Miliz und Wehrpflicht. Knickt einer ein, bricht das Ganze zusammen. Fällt der Gripen durch, ist das nur ein Detail. Ein 3,1 Milliarden Franken teures Detail.

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