Wie eine Gebetsmühle wiederholt Ägyptens Präsident Morsi, die Revolution würde nicht exportiert. Die Regierungen am Golf bleiben skeptisch. Allen voran die Emirate, die den Muslimbrüdern den Kampf angesagt haben.
«Menschenrechte müssen für alle gelten. Bis zu 40 Tagen haben wir nichts von der Verhafteten gehört. Sie haben keine Anwälte. Es gibt keine Anklagen», sagt Ingenieur Mahmoud. Zusammen mit mehreren Dutzend weiteren Demonstranten fordert er vor der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate in Kairo die Freilassung der elf vor über einem Monat in den Emiraten verhafteten Ägypter. Aufgerufen zur Kundgebung hatten mehrere Berufsverbände, darunter Lehrer, Gynäkologen oder Ingenieure. Mahmoud hat selbst einige Jahre als Ingenieur in Dubai gearbeitet. «Dort darf niemand den Mund aufmachen», beschreibt er seine Erfahrung und empört sich, dass Europa und die USA schweigen.
Tiraden des Polizeichefs von Dubai
Einer der in den Emiraten sehr wohl redet, ist der Polizeichef von Dubai General Dhahi Khalfan Tamim. In seinen letzten Triaden in arabischen Medien beschuldigte er die ägyptischen Muslimbrüder in den Golfländern ihre politische Intrige zu spinnen. Ihr nächster Schritt sei aus den Herrschern reine Gallionsfiguren zu machen. 2013 würden sie in Kuwait beginnen und 2016 in die andern Golfländer weiterziehen. Sie würden die Hand beissen, die sie füttert, warf er ihnen vor. Muslimbrüder seien lange vor dem Arabischen Frühling in diesen Ländern in hohe, zum Teil sensible Positionen befördert worden, die hätten sie ausgenützt, um Mitglieder zu rekrutieren. Ihnen könne man nicht trauen. Sie seien für die Region eine ebenso grosse Gefahr wie der Iran, lautete Tamims Fazit.
Die Behörden der Emirate haben vor mehr als einem Monat elf Ägypter, darunter Ärzte und Professoren verhaftet. Sie werden beschuldigt, den Muslimbrüdern anzugehören und eine Zelle mit Verbindungen zu al-Qaida gebildet zu haben, sensitive Informationen zu sammeln und gegen die Sicherheit der Emirate zu arbeiten. Das Geld soll aus Kuwait stammen, erklärte vor wenigen Tagen der kuwaitische Regierungschef in einer Parlamentssitzung. Die ägyptische Regierung hat bereits zweimal eine Delegation an den Golf geschickt, die aber nichts ausrichten konnte. Dafür hat Präsident Mohammed Morsi im eigenen Land auch Kritik geerntet. Er würde sich nur um seine Klientel kümmern, während etwa 350 Ägypter in den Emiraten im Gefängnis seien.
Hunderttausende Ägypter arbeiten in den reichen Golfstaaten, von Bauarbeitern, über Kellner bis IT-Spezialisten und Hochschulprofessoren. Tausende Muslimbrüder haben über Jahrzehnte in diesen Ländern Zuflucht gefunden, nachdem ihre Organisation in Ägypten in den 50er-Jahren verboten worden war. Seit der Revolution des 25. Januar und dem anschliessenden Gewinn der Parlaments- und der Präsidentschaftswahlen durch die Muslimbrüder fürchten diese Länder, die sich bis jetzt jeglichen Reformen verschliessen, dass der Ruf nach Demokratie auch bei ihnen laut werden und Ägypten zum Zentrum einer islamischen Revolution werden könnte. Eine Ausnahme ist Katar. Dort haben die Muslimbrüder enge Verbindungen zum Herrscherhaus und ihre eigene Organisation bereits 1999 aufgelöst. Der Emir muss deshalb nicht mit politischem Aktivismus rechnen und zeigt sich mit grosszügiger Hilfe an Kairo erkenntlich.
Saudi-Arabien wirkt im Hintergrund
Saudi-Arabien, um Stabilität in der Region bestrebt, unterhält bis jetzt zu den regierenden Muslimbrüdern eine normale Arbeitsbeziehung. Aber hämische Zeitungskommentare, jedes Mal wenn etwas schief läuft, belegen, dass Riad nur darauf wartet, dass der Siegeszug der Muslimbrüder gebremst wird. Morsi weiss, wie sensibel dieses Thema ist und hat schon bei seiner Amtsübernahme erklärt, das Modell Ägypten würde nicht exportiert und er wiederholt diese Versicherung immer wieder. In den Emiraten scheint man ihm keinen Glauben zu schenken. «Und wenn der Herrscher dort etwas befiehlt, haben auch die Saudis ihre Finger im Spiel», ist Ingenieur Mahmoud überzeugt.