Baudirektor Hans-Peter Wessels scheint alles falsch zu machen. Haben die Kritiker Recht? Eine Annäherung an Basels umstrittensten Politiker.
Für die Angestellten am Münsterplatz 11 ist leicht auszumachen, wann der Chef im Haus ist. Dann hallt donnerndes Gelächter durch die Gänge, heisst es. Die Beamten wissen: Wessels ist da.
Er ist immer noch da, er lacht immer noch oft und gerne und hin und wieder an der falschen Stelle. Hat dieser Wessels nicht kapiert, dass die Leute ihn satt haben, weil alles, was er anfasst, schlecht sei, wie jüngst ein Schnitzelbänggler namens Richard Hubler auf Telebasel sagte?
«Was soll an diesem Projekt schlecht sein?», fragt der Basler Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels. Er geht den türkisgrünen Filzteppich hinunter, der auf den Grund der tiefen Baugrube am «Schällemätteli» führt, wo das neue Biozentrum gebaut wird. Fahnen aller möglichen Länder zieren die Betonwände, ein Chor der Universität singt südafrikanische Lieder, ein dankbarer Tag für einen Politiker.
Politisch schwer verortbar
Eben ist Grundsteinlegung zu diesem gewaltigen Bauprojekt, das über 300 Millionen Franken kostet. «Das ist die grösste Kiste momentan im Baudepartment – und sie ist völlig unbestritten», sagt Wessels, um den Vorwurf zu entkräften, er sei ein politischer Irrläufer. «Weitere Beispiele gefällig?» Wessels legt nach: «Grosser Rat diese Woche: 100 Millionen Franken für die Sanierung des Bäumlihofschulhauses. Unbestritten. Neugestaltung des jahrzehntealten Zankapfels Kaserne. Unbestritten. Hafenplanung. Weitgehend unbestritten.»
Geht man die Projekte durch, die Wessels in seinen bislang sechs Jahren im Amt entwickelt hat, fällt auf, dass praktisch alle von einer politischen Mehrheit getragen waren – entweder im Parlament oder vom Volk, auch die heute hoch umstrittenen. Das Volk verlangte, dass er den Autoverkehr in der Stadt drastisch reduziert, dass Elisabethenstrasse und Wasgenring aufgerissen und umgestaltet werden.
An der Fasnacht abgewählt
Weshalb lanciert also das Lokalfernsehen in vollem Ernst eine Debatte, ob Wessels bei den nächsten Wahlen chancenlos ist, bloss weil an der Fasnacht über ihn gewitzelt wurde? Wie konnte sich die Überzeugung festsetzen, der Mann politisiere am Volk vorbei?
Vielleicht, weil Wessels schwer politisch zu verorten ist. Umweltschutz ist ihm wichtig (was ihn zum Linken macht), ebenso wirtschaftsliberale Prinzipien (rechts), ein starker Arbeitnehmerschutz ist keines seiner Anliegen (rechts), dafür eine faire und progressive Migrationspolitik (links). Es war das Gefühl einer erlittenen Ungerechtigkeit, das Wessels politisierte.
Als Sechsjähriger kam er in die Schweiz, nach St. Gallen, da stand gerade die Schwarzenbach-Initiative zur Abstimmung, die eine radikale Begrenzung des Ausländeranteils in der Schweiz verlangte. In seiner Schule galt Wessels als Ausländer, die anderen Kinder fragten ihn, ob er Montag nach Annahme der Initiative gedenke, nochmals zur Schule zu kommen.
Von Kanada in die Schweiz
Die ersten Lebensjahre hatte Wessels in Kanada verbracht, wo sein Vater als südafrikanischer Handelsattaché für das Apartheid-Regime im diplomatischen Dienst stand. Nach dessen Tod – Wessels war damals vierjährig – kehrte die Mutter mit den beiden Kindern in die Schweiz zurück. Mit 19 trat er dann im Zuge der aufkeimenden Umweltbewegung den Sozialdemokraten bei. «Umweltschutz und Migrationspolitik sind die Themen, weshalb ich mich bei der SP gut aufgehoben fühle», sagt er.
Auf den Tag der Grundsteinlegung im neuen Biozentrum hat er sich gefreut, er trifft dort auf alte Kollegen aus seinen Studienzeiten. Wessels hatte ursprünglich Biochemie studiert.
Die Zeremonie bietet aber auch eine gute Gelegenheit, sich als Politiker in Szene zu setzen. Gleich vier Regierungsräte aus der Stadt und vom Land nutzen gemeinsam mit Bundesrat Johann Schneider-Ammann die Bühne, um ihre Tatkraft unter Beweis zu stellen. Sie schaufeln Zement in ein Loch, die Kameras klicken. Der frisch am Knie operierte Basler Bildungsdirektor Christoph Eymann reicht einem Assistenten seine Stöcke, die würden sich auf dem Bild nicht gut machen. Schneider-Ammann gibt sich zupackend und schaufelt den halben Haufen eigenhändig weg.
Ein flapsiger Politclown?
Wessels blickt nach ein paar Schippen hoch zu SVP-Grossrat Joël Thüring, der am Rand der Grube steht. «Jetzt bist du dran, Joël!», ruft Wessels einem seiner härtesten politischen Gegner zu und bricht in schallendes Gelächter aus.
Ist Wessels jener Politclown, als den ihn die «Basler Zeitung» charakterisiert, wenn sie von seiner «flapsigen, unangebrachten Art» schreibt, die es ihm nicht einfach mache, «als seriöser Magistrat ernst genommen zu werden»?
«Manchmal wirkt er wie ein Kumpel, dabei ist er Regierungsrat.»
Antwortsuche beim erfahrenen SP-Politiker Ruedi Rechsteiner. Seine Erklärung für Wessels viel diskutiertes öffentliches Auftreten: «Er will kein abgehobener Regierungsrat sein, will sich nicht hinter seinem Amt verstecken, er will den Leuten als normaler Bürger begegnen.» Weil das Angriffsfläche bietet, habe ihm Rechsteiner geraten, mehr Zurückhaltung zu üben: «Manchmal wirkt er wie ein Kumpel, dabei ist er Regierungsrat.»
Als Wessels sich im Fernsehen verteidigen musste, nachdem der damalige Chef der Basler Verkehrsbetriebe anzügliche SMS an eine Untergebene verschickt hatte, impfte ihm seine Kommunikationsabteilung ein, ja nicht im TV zu lachen. Wessels hielt sich daran. Auch wenn es nicht seiner Art entspricht, Ernsthaftigkeit zu mimen, wie er selber sagt. Er sei eine Frohnatur, ein Optimist: «Ich kann nicht mit nach unten gezogenen Mundwinkeln rumlaufen.»
Haltlose Unterstellungen
Lockerheit kann auch ein Zeichen von Selbstbewusstsein sein. Und ein Signal an die Kritiker, dass man sich nicht so schnell beeindrucken lässt. Von einer beispiellosen Berichterstattung etwa, die von der BaZ betrieben wird und die darin gipfelte, dass ein Reporter Wessels in Stockholm nachschlich, wo sich vor Kurzem die Geschäftsleitung des Departments zur Weiterbildung aufhielt. Vorausgegangen war ein aus Unterstellungen zusammengeschusterter Skandalbericht über das dekadente «Schwedenreisli».
Dazu sagt Wessels: «Es gibt eine Zeitung auf dem Platz Basel, die sich nicht entblödet zu fordern, wir dürften nicht andere Städte besuchen, die ähnliche Herausforderungen angehen, wie wir sie auch haben.» Er sei aber zuversichtlich, «dass die Leute erkennen, was für ein Blödsinn ein Grossteil dieser Berichterstattung ist». Sein Department schickt mittlerweile wöchentlich Richtigstellungen an die Lokalmedien, was ebenso beispiellos ist.
Kompromiss als Schwäche
Doch das Dauerfeuer der BaZ auf die Zielscheibe Wessels, dem in seinen Augen politische Motive zugrunde liegen, verfängt. Er selber hat beobachtet, «dass durch die mediale Berichterstattung die Hemmschwelle sinkt». Tiefpunkt sei ein Statement von LDP-Grossrat Felix Eymann gewesen, der die Mitarbeiter des BVD wörtlich als «Pack» beschimpfte, nachdem diese vor der Fasnacht neben der Theodorskirche mobile Toiletten aufgestellt hatten, was Eymann für respektlos hielt. «Natürlich hat mein privates Umfeld unter den ständigen Attacken gelitten», sagt der Vater von zwei Kindern, «vor allem aber meine Mitarbeiter.»
«Wer von links und von rechts beschossen wird, kann nicht alles falsch machen», findet Wessels.
Wer auf Wessels schiesst, glaubt die Mehrheit im Rücken zu haben. Unlängst richtete Bundesrätin Doris Leuthard scharfe Vorwürfe an ihn, weil er den Ausbau der Stadtautobahn verzögere. Kurz darauf forderte der Grüne Michael Wüthrich seinen Rücktritt, weil Wessels die Ziele zur Verkehrsreduktion in der Stadt verwässere.
«Wer von links und von rechts beschossen wird, kann nicht alles falsch machen», wertet Wessels die Kritik. Und wahrscheinlich liegt hier einer seiner Schwächen: Wessels sucht immer den Kompromiss. Damit gewinnt er Mehrheiten, loyale Freunde findet er keine. In der eigenen Partei ist der Rückhalt geschwunden. «Er hat bei den Bürgerlichen oft Konzessionen gemacht, die wir nicht schätzen», sagt Rechsteiner. «Er ist sicherlich kein linker Giftzahn.»
Als Politiker unverwechselbar
Hans-Peter Wessels ist jedenfalls als Politiker in Basel unverwechselbar. Als die Zeremonie auf dem «Schällemätteli» zu Ende und Bundesrat Schneider-Ammann längst abgereist ist, beklagt sich der Chef der für die Biozentrum-Baustelle zuständigen Sicherheitsfirma über den Baustopp auf dem Gelände. Eine österreichische Firma hat gegen den Zuschlag an einen Konkurrenten als Generalunternehmer Rekurs eingelegt und blockiert damit den Baubeginn. Wieso er sich denn aufrege, will Wessels laut herausprustend von dem Sicherheitsmann wissen: «Sie haben drei Monate länger bezahlte Arbeit!»