Baustellen-Kontrolleure stossen bei den Aufbauarbeiten der Uhren- und Schmuckmesse «Baselworld» massenweise auf angeblich Selbständige. Diese müssen sich an keinen Mindestlohn halten und arbeiten für Dumpinglöhne ab zehn Euro pro Stunde. Jetzt verschärfen die Kontrolleure ihre Kontrollen.
Die Messe wollte unbedingt verhindern, dass die Uhren- und Schmuckmesse «Baselworld» im Vorfeld für negative Schlagzeilen sorgt: Nur keine Störgeräusche für die lukrativste Messe, für welche Uhrenfirmen insgesamt rund eine halbe Milliarde Schweizer Franken in ihre Stände investieren. Deshalb war die Leitung der Messe denn auch bereit, bis zu einer Viertel Million Franken an die Lohndumpingkontrollen zu bezahlen unter der Bedingung, dass sie erst nach der Ausstellung gemeinsam mit den Gewerkschaften über das Ergebnis informiert. Nur bei «gravierender Missstände» könnten die Vertragspartner während der Kontrollen über Einzelfälle informieren.
Doch Recherchen der TagesWoche zeigen jetzt, dass die Kontrolleure bei den Aufbauarbeiten der «Baselworld» massenweise auf Scheinselbständige stossen: 80 Prozent der Standbauer sind auf dem Papier selbständig. Dies bestätigt Marco Christ, Leiter der Baustellenkontrolle Basel: «Es wimmelt von Selbständigen.» Die angeblich Selbständigen haben gegenüber Angestellten den immensen Vorteil, dass sie sich nicht an die Mindestlöhne halten müssen. Bei Selbständigen gibt es keinen Mindestlohn, deshalb keine Dumpinglöhne. Gemäss verschiedener, gut informierter Quellen geben diese angeblich Selbständigen an, für Tieflöhne ab zehn Euro die Stunde zu arbeiten.
Plötzlich sind fast alle selbständig
Als Angestellte müssen Arbeitgeber von Messestandbauern den Gesamtarbeitsvertrag der Schreiner einhalten. Dieser gilt dieses Jahr zum ersten Mal für die Messestandbauer der «Baselworld» und schreibt Mindestlöhne für gelernte Berufsleute von gegen dreissig Franken vor. Der Verdacht ist gross, dass viele der bis jetzt 2500 gemeldeten Standbauer vermeiden wollten, gegen den neu gültigen GAV zu verstossen und sich deshalb kurzerhand als selbständig deklarierten. «Auf dermassen viele angeblich Selbständige treffen wir sonst bei unseren Kontrollen nie. Deshalb vermuten wir auch, dass wir Scheinselbständige finden werden», sagt Hansjörg Wilde, Präsident der Baustellenkontrolle. Insgesamt müssen die Kontrolleure einen Fünftel der Messestandbau-Firmen kontrollieren. So lautet die gemeinsame Vorgabe der Messe, der paritätischen Kommission der Schreiner und der Gewerkschaften Unia und Syna.
Ein Augenschein bei den Aufbauarbeiten zeigt: Überall bauen Equipen Messestände auf. Arbeiter befolgen Anweisungen von Vorgesetzten. Werkzeug benutzen sie häufig gemeinsam. Das alles sind gemäss Weisungen des Staatssekretariats klare Indizien für Scheinselbständige. Tatsächlich Selbständige müssten zudem selbst den Preis mit ihrem Aufraggeber aushandeln, ein Risiko tragen, eigenes Material und Werkzeuge benutzen. Bei Verdacht auf Scheinselbständigkeit gibt es vom Staatssekretariat für Wirtschaft einen mehrseitigen Fragebogen, den die Kontrolleure mit den Verdächtigen ausfüllen müssten.
Kontrollen verschärft
Bis vor Kurzem geschah dies allerdings nur selten, weil sich Kontrolleure und Arbeiter oft nicht verständigen konnten. Dann begnügten sich die Kontrolleure mit drei Papieren, die das Entsendegesetz als Mindestnachweis für die Selbständigkeit verlangt. Doch diese minimale Kontrolle genügt gemäss Gesetz nicht bei Verdacht auf Selbständigkeit. Dann müssen Kontrolleure zusätzlich zusammen mit den Verdächtigen einen mehrseitigen Fragebogen ausfüllen mit Fragen wie «Rechnen Sie Mehrwertsteuer ab?» oder «Stellen Sie Rechnung?». Weil die Baustellenkontrolle auf dermassen viele Arbeiter mit Verdacht auf Scheinselbständigkeit stiess, verschärft sie ihre Kontrollen jetzt ab sofort.
Bei Verdacht auf Scheinselbständigkeit ziehen die Kontrolleure Dolmetscher hinzu und füllen den Seco-Fragebogen aus. Und dies ist immer häufiger der Fall bei den inzwischen über 400 kontrollierten Messestandbauern.