Angriff von unten

Mit drei Initiativen wollen die Gewerkschaften die zunehmend ungerechte Verteilung der Einkommen korrigieren. Ihre «Ferieninitiative», die am Montag eingereichte «Mindestlohninitiative» und das Volksbegehren «1:12» stossen auf erstaunlich viel Zustimmung.

Mindestens 4000 Franken Monatslohn für Alle – das fordern Paul Rechsteiner und die Gewerkschaften mit einer Initiative.

Mit drei Initiativen wollen die Gewerkschaften die zunehmend ungerechte Verteilung der Einkommen korrigieren. Ihre «Ferieninitiative», die am Montag eingereichte «Mindestlohninitiative» und das Volksbegehren «1:12» stossen auf erstaunlich viel Zustimmung.

«Der gesetzliche Mindestlohn beträgt 22 Franken pro Stunde.» Dieser Satz soll als Artikel 110a schon bald in der Schweizer Bundesverfassung stehen, wenn es nach den Gewerkschaften geht. Sie haben am Montag eine entsprechende Initiative in Bern eingereicht. «Ein existenzsichernder Mindestlohn von 4000 Franken im Monat ist kein Luxus», argumentiert auch die SP, die das Volksbegehren unterstützt. Dies sei bloss «ein Gebot das Anstands und der volkswirtschaftlichen Vernunft».

Indirekte Subventionen

Seit zwanzig Jahren werde der Ertrag der rasant steigenden Produktivität einseitig und ungerecht nur in den Chefetagen ausgeschüttet, stellt der Präsident des Gewerkschaftsbundes, Paul Rechsteiner fest. Da würden teils Millionen-Löhne einkassiert, während gleichzeitig in der reichen Schweiz 400’000 Menschen trotz vollem Arbeitspensum kaum oder gar nicht von ihrem Lohn leben könnten – die meisten davon seien Frauen. Aushelfen müsse der Staat mit seiner Sozialhilfe. Das seien indirekten Subvention an Unternehmen die Hungerlöhne zahlten, stellen die Initianten fest: «Die Allgemeinheit muss so für die unwürdigen Tiefstlöhne gerade stehen.»

Der Mindestlohn wäre aber auch ein wirksames Mittel gegen Lohndumping durch Firmen, welche im Zuge der EU-Personenfreizügigkeit hierzulande immer mehr ausländische Wanderarbeiter beschäftigten. Die Kantone Neuenburg und Jura kennen den gesetzlichen Mindestlohn schon. In Genf und im Waadtland hat das Volk hingegen entsprechende Initiativen abgelehnt.

Mehrheit für Lohnregelung

Eine repräsentative Umfrage bei 1001 Personen in der Schweiz hat jetzt gezeigt, dass sich eine Mehrheit gesetzliche Limiten sowohl unten bei den Hungerlöhnen als auch oben bei den Abzocker-Salären wünscht: 55 Prozent der Befragten sprachen sich (bei einer Streuung von 3 Prozent) für die Initiative «1 zu 12» aus. Das von den Juso lancierte Volksbegehren will festlegen, dass in allen Betrieben der höchste Lohn maximal zwölfmal höher sein darf als der tiefste.

In der Schweizer Bundesverwaltung, in der ein Bundesrat etwa 480’000 Franken im Jahr verdient, wäre demnach der tiefste Lohn 40’000 Franken. 23 der 55 Prozent sind allerdings gar der Meinung, das Verhältnis könne noch enger limitiert sein, also etwa 1 zu 8, was dann für den tiefsten Jahreslohn beim Bund 60’000 Franken ergäbe – oder für einen Bundesrat halt nur noch 320’000 Franken im Jahr. 20 Prozent der Befragten wünschen sich auch eine Bandbreite – aber eine etwas breitere – 1 zu 20 beispielsweise. Nur 9 Prozent möchten keine Begrenzung, 16 Prozent gaben keine Antwort, oder hatten keine Meinung zum Thema.

213 Millionen Überstunden

Eine gerechtere Verteilung des Erwirtschafteten ergäbe sich aber auch bei mehr Ferien für alle. Und das wollen die Gewerkschaften mit ihrer «Ferieninitiative» erreichen, die bereits am 11. März zur Abstimmung kommt. «Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf bezahlte Ferien von jährlich mindestens sechs Wochen», verlangt diese. Die Ferienzeit soll stufenweise zuerst auf fünf und bis in fünf Jahren dann auf sechs Wochen erhöht werden.

Die Gewerkschaft Travailsuisse, welche die Initiative lanciert und eingereicht hat, argumentiert dafür ebenfalls mit der rasant steigenden Produktivität, der zunehmenden Belastung und der Hektik im Leben der Werktätigen. So seien etwa allein im Jahre 2010 in unserem Land insgesamt 213 Millionen Überstunden geleistet worden. Und auch dieses Volksbegehren stösst auf Zustimmung, wie die „Berner Zeitung“ soeben berichtet hat (online nicht verfügbar): «Drei Viertel der Bevölkerung und fast 90 Prozent der Erwerbstätigen wünschen sich mehr Ferien als vier Wochen.» Nur 14 Prozent seien gegen mehr Ferien. Bekämpft wird die Initiative von den bürgerlichen Parteien und den Wirtschaftsverbänden. Sechs Wochen Ferien würden KMU übermässig belasten und hätten zur Folge, dass Jobs verloren gingen.

Quellen

Sechs Wochen Ferien: Webauftritt der Gegner und Befürworter der Initiative.

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