Das Baselbiet, einst Vorreiter bei der Förderung von Solarstrom, ist ins Mittelfeld abgerutscht. Jetzt droht der Kanton, den Anschluss ganz zu verpassen.
Spätestens in Sissach beginnt im Baselbiet die Wüste. Zumindest jene für Solarstromanlagen. Das musste Markus Chrétien, Geschäftsführer des Vereins Solarspar, schmerzlich erfahren. Der Verein baut mit Geld seiner Mitglieder Solarstromanlagen, und zwar in der ganzen Schweiz. Inzwischen produzieren diese Strom im Wert von rund einer Million Franken. Im Baselbiet aber betreibt Solarspar nur eine Handvoll Anlagen, genauso wie die Energiegenossenschaft Adev mit Sitz in Liestal. Gerade einmal sieben ihrer 44 Anlagen stehen auf hiesigem Boden.
Der Grund für diese schwache Präsenz der beiden Organisationen im Standortkanton ist einfach: «Die Rahmenbedingungen in anderen Kantonen sind viel interessanter als im Baselbiet», sagt Geschäftsführer Markus Chrétien vom Verein Solarspar. Und Andreas Appenzeller, Geschäftsleiter der Adev, doppelt nach: «Wäre die Förderung der Solarenergie im Baselbiet genauso gut wie etwa in Basel-Stadt, würden wir hier sofort mehr bauen.»
Nicht zufällig steht denn auch die grösste Anlage des Vereins Solarspar auf Stadtbasler Boden, auf dem Dach des Universitäts-Kinderspitals beider Basel. Viele Anlagen produzieren auch in den Kantonen Graubünden und Zürich sauberen Strom. Nur dort, wo der Verein seinen Sitz hat, in Sissach, betreibt er keine einzige Anlage.
Pläne am Vereinssitz begraben
Dabei hatte Solarspar-Geschäftsführer Markus Chrétien vier Grossprojekte in der Gemeinde im Köcher. Doch am Ende musste er alles abblasen wie jenes beim Zelglihof der Bauernfamilie Wiedmer. Maximal 50 Kilowattstunden Strom sollte die Anlage auf dem Scheunendach liefern. Rund zehnmal mehr als eine durchschnittliche Anlage auf einem Einfamilienhaus. Die Planung war weit fortgeschritten, die Bauernfamilie begeistert, doch noch immer scheint die Sonne ungenutzt auf das Dach des Bauernhofs.
Gescheitert sind die Pläne daran, dass die örtliche Elektra nicht bereit war, für den grünen Strom einen solch hohen Ökostrom-Tarif zu zahlen, damit sich die Investition auszahlt. René Bongni, Geschäftsführer der Elektra Sissach, erklärt: «Grundsätzlich ist Solarstrom eine gute Sache, aber man muss auch bereit sein, etwas zu investieren. Idealisimus gehört halt auch dazu.» Fördergelder gibt es deshalb von der Elektra Sissach ausschliesslich für kleine Anlagen. Und die Einwohnergemeinde, die sich mit dem Label Energiestadt schmückt, beteiligt sich gar nicht an den Kosten von Fotovoltaikanlagen. Kein Wunder, stellt der Sissacher Bauverwalter Urs Oberli fest: «Bei uns bauen nur ein paar wenige Solarstrom-Anlagen.»
Überrollt vom Erfolg
Ganz anders in Frenkendorf nur ein paar Kilometer weiter unten im Ergolztal. Dort macht sich der zuständige Gemeinderat Urs Kaufmann bereits Sorgen, aber nicht etwa weil nur ein paar wenige bauen wie zuvor jahrzehntelang. Im Gegenteil: Die Gemeinde wird vom Erfolg ihrer Fördermassnahmen überrollt. Denn in Frenkendorf wird jeder, der eine Sonnenenergie-Anlage baut, nicht nur von der Elektra Baselland (EBL), sondern auch von der Gemeinde unterstützt.
Und weil jetzt gleichzeitig auch die Preise für solche Anlagen sinken, lassen sich ganze Siedlungen diese Solaranlagen zum Schnäppchenpreis nicht entgehen. Tausend Franken zahlt die Gemeinde pro Kilowatt Leistungsfähigkeit einer Anlage. Und schon jetzt liegen Anträge für über 200 000 Franken auf dem Tisch des Bauverwalters Urs Flückiger. Das ist sechsmal mehr als budgetiert. Letztes Jahr überschritt die Zahl der Anträge das Budget noch marginal. Doch bis gegen Ende dieses Jahres dürften gegen 50 neue Anlagen in Betrieb gehen.
So sehr dieser Boom den Gemeinderat Urs Kaufmann begeistert, macht ihm der neue Volkssport auch Sorgen. Schliesslich muss die Gemeinde die Fördergelder spätestens im nächsten Budget auszahlen. Sie wird nicht darum herumkommen, ihre Förderbeiträge ab nächstem Jahr massiv zurückzufahren. Und genau dies könnte den Bau von Anlagen bis Ende Jahr noch einmal zusätzlich anheizen.
Boom Dank Fördergelder
Bereits in Betrieb genommen hat Peter Stutz seine Anlage auf dem Dach seines Reiheneinfamilienhauses in der Überbauung Eich. «Seit dem 24. Juli, 16.05 Uhr beziehe ich nicht mehr nur Strom, sondern bin auch selbst Produzent. Der Zähler läuft jetzt auch rückwärts», sagt der frühpensionierte Elektriker. Insgesamt haben ihm die Gemeinde und die Elektra Baselland Fördergelder von über 10 000 Franken zugesichert. Das ist gut die Hälfte der Kosten einer solchen Anlage. Auch der Sissacher Weinbauer Wiedmer bekäme in Frenkendorf den Maximalbetrag von 10 000 Franken.
Noch besser sind die Bedingungen für Grossanlagen im Unterbaselbiet, im Gebiet der Elektra Birseck Münchenstein (EBM). Dort bekäme der Bauer seit letztem Herbst die sogenannte kostendeckende Einspeisevergütung (KEV), damit er eine solche Anlage, wie der Name sagt, kostendeckend betreiben könnte. Noch bis Ende September beträgt der Satz durchschnittlich 35 Rappen pro Kilowattstunde. Zu denselben Bedingungen finanzierte auch die EBL Grossanlagen – vorübergehend.
Vorbild dieses Modells ist der Bund, der Anlagen nach diesem Muster fördert. Doch beim Bund ist die Nachfrage riesig, die verfügbaren Mittel aber sind klein. Auf der Warteliste stehen inzwischen mehr als 17 000 Fotovoltaik-Anlagen, und jeden Tag kommen neue dazu. Wann der Bund diese Abgaben auf den Strom erhöht und damit mehr Mittel frei werden, ist völlig ungewiss und kann noch Jahre dauern.
So lange will man im Kanton Basel-Stadt nicht warten. Deshalb finanzieren hier die Stromkonsumenten über eine Abgabe schon länger Fördermassnahmen. Je nachdem können Solarstromproduzenten direkte Subventionen beantragen oder KEV-Beiträge beziehen.
Unattraktiv für Investoren
Ganz anders im Baselbiet. Dort überlässt der Kanton das Feld den Elektrizitätswerken und Gemeinden. Deren Förderprogramme haben den grossen Nachteil, dass jeder eigene Regeln aufstellt, Programme ins Leben ruft, wieder beerdigt. «Die ständig wechselnden Rahmenbedingungen, dieses Hin und Her schreckt Investoren ab», sagt David Stickelberger, Geschäfsführer des Branchenverbandes Swissolar. In Sachen Fotovoltaik zähle das Baselbiet nur noch zum Mittelfeld.
Kein Wunder, hat auch der von der TagesWoche in der letzten Ausgabe porträtierte Solarunternehmer Dominik Müller wenig schmeichelhafte Worte für das Baselbiet übrig: «Im Kanton Baselland wartet jeder ständig auf irgendeinen Entscheid eines anderen. Das Baselbiet ist ein Kanton im Stand-by-Modus.»
Welchen Stellenwert die Fotovoltaik beim Kanton hat, zeigt sich nur schon daran, dass beim Amt für Umweltschutz und Energie keiner weiss, wie viele solcher Anlagen auf Baselbieter Dächern Strom liefern. Der Bestand wird schlicht nicht erfasst.
Tatsächlich erklärt EBL-Geschäftsleitungsmitglied Beat Andrist gegenüber der TagesWoche, dass die EBL für ihre Fördergelder ein Kostendach beschlossen habe. Wie hoch dieses ist, geschweige denn wie viel bereits ausgeschöpft ist, will er aber nicht sagen. Doch bereits ist absehbar: Die EBL wird den Förderbetrag von 1500 Franken pro Kilowatt Leistung einer Solarstromanlage weiter senken. Gemäss Informationen der TagesWoche steht dabei eine Reduktion um 250 Franken pro Kilowatt zur Diskussion.
Fünfzehn Franken pro Famlie sollten reichen
SP-Landrat Thomas Bühler will sich mit einem Platz im Mittelfeld nicht zufriedengeben und lanciert jetzt einen Vorstoss, um den Kanton zu zwingen, wieder eine aktive Solarstrom-Politik zu betreiben. Ähnlich wie in Basel soll der Kanton eine Abgabe auf das Stromnetz zwingend vorschreiben. Bühler hat ausgerechnet, dass ein Zuschlag von etwa 15 Franken im Jahr pro Familie in einem Einfamilienhaus mit durchschnittlichem Stromverbrauch ausreichen würde, um den Elektras genügend Fördermittel in die Hand zu geben, mit welchen diese wiederum Solarstromanlagen fördern könnten. Der Lausner Landrat will eine entsprechende Motion Anfang September einreichen.
Bereits mehrfach hat sich SP-Nationalrat Eric Nussbaumer für eine solche Lösung im Baselbiet stark gemacht, fand aber nie eine Mehrheit. Auch er hat wenig schmeichelhafte Worte für die kantonale Solarstrom-Politik übrig: «Das Baselbiet zeichnete sich nur dadurch aus, dass es auf die neu ausgerichtete nationale Energiepolitik bis heute schlicht nicht reagierte.»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 24.08.12