Anwohner hauchen der Lothringerstrasse neuen Lebensgeist ein

Fussballturnier, Flohmarkt, Grillfest – die Anwohner der Lothringerstrasse im St. Johann beleben ihre Begegnungszone mit eigenen Ideen.

Auf der Lothringerstrasse dürfen die Kinder spielen. Bei Bedarf geben sie die Strasse für andere Verkehrsteilnehmende frei. (Bild: Franziska Siegrist)

Fussballturnier, Flohmarkt, Grillfest – die Anwohner der Lothringerstrasse im St. Johann beleben ihre Begegnungszone mit eigenen Ideen.

Es ist erstaunlich, wie gelassen die Verkehrsteilnehmer auf die neue Situation an der Lothringerstrasse reagieren. Da spielen Kinder mitten auf der Strasse, und manche freuen sich gar darüber. «Da ist ja Leben entstanden», sagt etwa ein Passant, kurz bevor er selbst in sein Auto steigt. Vorsichtig fährt er davon.

Die Kinder wissen, dass ihnen die Lothringerstrasse nicht allein gehört. Bereitwillig räumen die Buben jeweils die Fussballtore zur Seite, um ein Auto oder Velo passieren zu lassen. Dass die Kinder den richtigen Umgang mit der in den letzten Tagen eingerichteten «Spielstrasse» begriffen haben, macht auch Isabel Gianmoudis zufrieden. Sie ist Praktikantin beim Quartiertreffpunkt LoLa. «Nicht wir vom LoLa sind für die Begegnungszone verantwortlich», erklärt sie. «Die Kinder spielen hier unabhängig, ohne unsere Animation.»

Sachen zum Spielen finden die Kinder in der Spielkiste.

Sachen zum Spielen finden die Kinder in der Spielkiste. (Bild: Nicole Tschäppät)

Das LoLa-Team kümmerte sich vor allem darum, dass die Bevölkerung in die Entstehungsphase der Begegnungszone miteinbezogen wurde. Grundsätzlich führt die Stadt eine Tempo-20-Zone nur dann ein, wenn die Mehrheit der Anwohnerinnen und Anwohner zustimmt.

Gefragt ist allerdings nur die Meinung jener, die im betreffenden Strassenabschnitt wohnen. Angrenzende Häuser werden bei der offiziellen Befragung nicht einbezogen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass sich alle interessierten Kreise bei der Ausgestaltung einbringen können, sei es mit kreativen Ideen oder mit Befürchtungen und Kritik.

Flexibel wie die Bedürfnisse der Anwohner

LoLa-Mitarbeiterin Nicole Tschäppät hat im Rahmen ihrer Ausbildung zur soziokulturellen Animatorin den Mitwirkungsprozess für ihre Projektarbeit begleitet. Sie zieht ein positives Fazit: «Es ist wirklich ein Projekt der Bevölkerung. Es ist nicht so, dass wir vom LoLa unsere eigenen Ideen verwirklicht hätten. Alles, was hier in den letzten Monaten entstand, entspricht dem Bedürfnis der Menschen, die sich eingebracht haben.»

Tschäppät hat gelernt, dass eine solche Mitsprache Zeit und Vertrauen braucht. Auch Sprachbarrieren gilt es zu überwinden.

Mitwirkungsprozesse waren vor kurzem Wochenthema: Sämtliche Artikel dazu finden Sie in unserem Dossier.

Die Strasse lebt von und mit den Menschen, die sie nutzen. Ändern sich die Bedürfnisse, kann sich auch das Strassenbild wandeln. Auf eine fixe und teure Infrastruktur wurde bewusst verzichtet. Den Pingpong-Tisch und die Fussballtore, die derzeit in der Lothringerstrasse stehen, haben Kinder und Erwachsene aus der Nachbarschaft selbst gebaut. Viele Blumentöpfe mit farbigen Frühlingsblumen verschönern den Strassenraum. Und als Symbol für den neu belebten Strassenzug, der sich erst noch entwickeln muss, spriessen zarte Sonnenblumen, die eine Kindergartenklasse aus dem Quartier gepflanzt hat. 

Mit Pingpong-Tisch, Feuerschale und Blumentöpfen kommt Leben in die «Spielstrasse».

Mit Pingpong-Tisch, Feuerschale und Blumentöpfen kommt Leben in die «Spielstrasse». (Bild: Franziska Siegrist)

Selbstverständlich gibt es auch kritische Stimmen von Anwohnerinnen und Anwohnern. Diese fürchten Lärm oder sorgen sich um ihre parkierten Autos. Tschäppät wünscht sich, dass sich diese Menschen mit ihren Befürchtungen und Wünschen in die Diskussion einbringen. Sie stellt aber auch klar, dass die Begegnungszone ein öffentlicher Raum ist, in dem alle für ihr Tun selbst verantwortlich sind. 

Eröffnungsfest ab Mittwoch

Die positiven Rückmeldungen überwiegen aber. Ein Anwohner hat sich schon bereit erklärt, sich um die Pflanzen zu kümmern. Andere sind bereits Teil des bunten Treibens auf der Strasse – als Schiedsrichter beim Fussballturnier, als Animator bei der Spielkiste oder als Helferin beim Druck von T-Shirts. Aufschrift: «Lothringer Spielstrasse».

Noch müssen sich alle ein wenig an das neue Strassenleben gewöhnen, Kinder und Erwachsene, Anwohner und Verkehrsteilnehmende. Damit sie sehen können, wie vielfältig dieses Leben gestaltet werden kann, lud der Quartiertreffpunkt LoLa am Mittwochnachmittag zu Pingpong und anderen Spielen ein. Am Donnerstag finden ein Strassenflohmarkt und ein abendliches Grillfest statt. Das Programm im Detail finden Sie auf der Website von LoLa.

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