Anzeige zwang Polizei nicht zur Räumung

Sicherheitsdirektor Baschi Dürr verteidigt den umstrittenen Polizeieinsatz vom Freitagabend damit, dass eine Anzeige der Messe vorlag. Diese durfte gar den Zeitpunkt der Polizeiaktion bestimmen. Zu Unrecht.

Der Wunsch der Messe war ihm Befehl: Sicherheitsdirektor Baschi Dürr. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Sicherheitsdirektor Baschi Dürr verteidigt den umstrittenen Polizeieinsatz vom Freitagabend damit, dass eine Anzeige der Messe vorlag. Diese durfte gar den Zeitpunkt der Polizeiaktion bestimmen. Zu Unrecht.

Seit die Polizei in einer umstrittenen Aktion mit Tränengas und Gummischrot eine illegale Party auf dem Messeplatz gewaltsam beendete, werden die Polizei und Sicherheitsdirektor Baschi Dürr nicht müde zu betonen, dass die Polizei so handeln musste. Und zwar deshalb, weil die Messe gegen die Veranstalter der illegalen Party mit improvisierten Favelas auf dem Messeplatz Anzeige erstattet habe.

In der Medienmitteilung des Justizdepartements nach dem Einsatz steht auch, dass die Messe Schweiz als Mieterin des Areals die Spontiaktion zuerst gewähren liess. Doch als die Gruppe immer grösser wurde, und die Aufforderung, die Musik abzustellen und die Aktion ungehört geblieben sei, habe die Mieterin Strafantrag gestellt. Die Messe bestätigt, sie habe eine Anzeige einreichen müssen, damit die Polizei aktiv wurde. Und auch Sicherheitsdirektor Baschi Dürr sagt in einem Interview mit der «Basler Zeitung», was er zuvor schon der TagesWoche erklärt hatte: «Es ist an uns, diese Forderung (Anmerkung: gemeint ist die Anzeige der Messe) verhältnismässig durchzusetzen. Er hege zwar persönlich gewisse Sympathie für diese improvisierte ­Favela. «Doch darum geht es nicht. Es lag ein Strafantrag vor und wir mussten diesen verhältnismässig durchsetzen.»

Messeplatz gehört nicht exklusiv der Messe

Die Botschaft ist klar: Welcher Mieter würde schon in seiner Wohnung ein paar uneingeladene Partygänger dulden, welcher Hausbesitzer ein paar Hausbesetzer? Doch die Analogie ist falsch. Denn die Messe hat den Platz nicht etwa gemietet, sondern lediglich ein Nutzungsrecht. Genauso wie unzählige Restaurantsbetreiber, Cafés, Baustellen, die öffentlichen Boden beanspruchen für Tische, Stühle oder Baustellenmaterial. Wem alles die öffentliche Hand ein solches Nutzungsrecht erteilt, zeigt eine Karte der städtischen Allmendverwaltung. Auf der Karte ist auch das Nutzungsrecht der Messe verzeichnet: «Aussenbelegung der Messe anlässlich diverser Messeveranstaltungen bis 23. Juni 2013.»

Doch Nutzungsrecht hin oder her: Die Messe ist nicht Mieterin des Platzes wie ein Wohnungsmieter und kann bestimmen, wer sich darauf bewegen darf und wer nicht. Der Platz bleibt öffentlich zugänglich. Die Messe erstattete dennoch Anzeige wegen Hausfriedensbruchs, wie die Messe auf Anfrage der TagesWoche bestätigt. Sie habe diese am Freitagabend um 20.15 Uhr eingereicht, «mit der Bitte um polizeiliche Räumung nach 22.00 Uhr, falls der Platz von der Gruppierung bis dann nicht geräumt worden ist.»

Der Wunsch der Messe war der Polizei offensichtlich Befehl: Wie gewünscht, pünktlich um 22 Uhr, startete die Räumungsaktion. Doch Hausfriedensbruch kann nur begehen, wer in einen klar abgegrenzten Raum eindringt, etwa in einen Garten. Der offene Messeplatz ist Allmend und damit ziemlich genau das Gegenteil von einem Raum oder Gebäude, in welches man eindringen und damit Hausfriedensbruch begehen könnte.

Damit fehlt eine zentrale Voraussetzung für den Straftatbestand Hausfriedensbruch, wie die Basler Strafrechtsprofessorin Nadja Capus bestätigt. «Wenn man wie die Messe öffentlichen Raum für eine Kunstinstallation wie die Favelas beansprucht, muss man auch in Kauf nehmen, dass einem dieser Raum nicht exklusiv gehört», sagt sie. Die Messe habe ja genau diese Öffentlichkeit gesucht. Mit anderen Worten: Der Platz ist und bleibt öffentlich. Wenn jetzt die Messe eine Anzeige einreicht, dokumentiert sie damit, dass sie die illegale Party auf dem Messeplatz missbilligt. Nicht mehr und nicht weniger.

Illegale Party auf öffentlichem Platz ist kein Hausfriedensbruch

Auch der ehemalige Basler Gerichtspräsident und Strafrechtsprofessor Peter Albrecht, bestätigt, dass kein Hausfriedensbruch der illegalen Partybetreiber vorliege. Die Haltung der Messe gegenüber den ungebeten Gästen falle zwar ins Gewicht beim Entscheid des Einsatzleiters, ob die Polizei einschreiten und die unbewilligte und damit auch klar illegale Veranstaltung gewaltsam auflösen soll. Sie kann aber nicht der eigentliche Grund sein. «Die Polizei muss in Absprache mit dem Sicherheitsdirektor die gesamte Lage beurteilen und entscheiden, welche Polizeiaktion verhältnismässig ist», sagt Strafrechtsprofessor Albrecht.

Die vermeintlich juristische Frage ist eigentlich eine politische: Auf öffentlichem Grund ist es Aufgabe der Polizei für Recht und Ordnung zu sorgen und dort, wo sie einen Verstoss ortet, zu entscheiden, welche Massnahmen angemessen sind, um gegen Verstösse vorzugehen. Und dafür wiederum trägt Sicherheitsdirektor Baschi Dürr die politische Verantwortung.

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