Auch die arabische Welt greift zum Stift

Schnell und heftig hat diesmal die arabische und muslimische Welt das Massaker von Paris verurteilt. «Charlie Hebdo» blieb am Freitag das zentrale Thema in den Medien, in denen auch der Stift als Symbol gegen den blutigen Anschlag Einzug gehalten hat.

Schnell und heftig hat diesmal die arabische und muslimische Welt das Massaker von Paris verurteilt. «Charlie Hebdo» blieb am Freitag das zentrale Thema in den Medien, in denen auch der Stift als Symbol gegen den blutigen Anschlag Einzug gehalten hat.

Die Friedenstaube hat anstelle eines Schnabels einen Stift. Wie beim Karikaturisten der pan-arabischen Tageszeitung «al-Hayat» in seiner Zeichnung vom Freitag ist der Stift auch in der arabischen Welt zu einem Symbol geworden. Zeichner in verschiedenen Blättern haben mit dem spitzigen Utensil ihre Unterstützung für die ermordeten Kollegen ausgedrückt (eine Auswahl mit englischen Übersetzung der Schriftzüge).

Gleich am Donnerstag hatte sich der junge ägyptische Cartoonist Makhlouf selbst gezeichnet, wie er sich mit einem Stift in der Hand einem bewaffneten, vermummten Angreifer entgegengestellt. Auch der Schriftzug «Je suis Charlie» hat in arabischen Lettern Einzug in gezeichneten Kommentaren gehalten.

Terror hat keine Religion

Auf den blutigen Überfall auf die Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» in Paris (Link zur aktuellsten Meldung zum Thema bei der TagesWoche) hat diesmal die arabische und muslimische Welt einhellig und schnell mit Empörung reagiert. Die grossen Nachrichtenkanäle berichteten stundenlang live aus der französischen Hauptstadt. Auf den Frontseiten aller wichtigen Zeitungen war der Anschlag die grosse Schlagzeile, auch am Freitag noch. Schnell war auch der Hintergrund gefunden, indem wie auf einer ägyptischen Website «Charlie Hebdo» als «Zeitschrift, die den Propheten beleidigte», charakterisiert wurde.

Kaum waren die Eilmeldungen verbreitet, verurteilten die Arabische Liga und al-Azhar, die wichtigste Autorität des sunnitischen Islam, die Bluttat. Azhar sprach von einem kriminellen Akt und unterstrich, dass der Islam jede Gewalt verurteile. Die einflussreiche Vereinigung der islamischen Gelehrten in Doha nannte die Attacke eine Sünde, wer immer die Schuldigen seien und jene, die sie unterstützten.

Die Gewichtung in den arabischen Kommentaren war eine etwas andere als in den europäischen.

Persönlich zu Wort meldeten sich auch die Staatschefs aller wichtigen Länder der Region von Saudi-Arabien bis Tunesien, und das ist eher aussergewöhnlich. Ägyptens Präsident Abd al-Fattah as-Sisi sagte dem französischen Präsidenten seine Unterstützung im Kampf gegen den Terror zu, den er als globales Phänomen bezeichnete.

In den meisten arabischen Kommentaren, die gleich nach dem Massaker geschrieben wurden, war die Gewichtung eine etwas andere als in den europäischen. Im Zentrum stand der Terror, der mit dem Islam nichts zu tun habe, unter dem Tenor «Terrorismus hat keine Religion» und weniger der Angriff auf Demokratie und Meinungsfreiheit. Dieser Aspekt stand eher im Hintergrund.

Mehrere arabische Kommentatoren wiesen auch auf die unterschiedliche Wahrnehmung hin. Fast zeitgleich mit dem Überfall auf «Charlie Hebdo» fielen in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa 35 Menschen einem Terroranschlag zum Opfer. Diese Bluttat fand kaum Erwähnung in den internationalen Medien.

Den Preis zahlen Muslime

Den höchsten Preis für die Barbarei von Paris würden der Islam und die Muslime bezahlen, weil die Bilder der Gewalt auf sie zurück fallen würden, sagte ein ägyptischer Analyst voraus. Nur noch eine Randnotiz sind die Hinweise auf die von «Charlie Hebdo» früher veröffentlichten Mohammed-Karikaturen, die in den Augen vieler Muslime eine schwere Beleidigung darstellen.

Die Optik hat sich seit dem grossen Entrüstungsturm vor einigen Jahren verändert. Als Rechtfertigung oder mindestens verständnisvolle Erklärung haben sie fast ausgedient. Auch in dieser Region gewinnt das Konzept von Meinungsfreiheit an Bedeutung.

Karrikaturen haben als Rechtfertigung oder mindestens verständnisvolle Erklärung fast ausgedient.

Für die offiziellen Reaktionen entscheidend ist aber die Tatsache, dass heute eine ganze Reihe von arabischen Ländern ebenfalls im Fadenkreuz islamistischer Extremisten steht. Saudi-Arabien, die Golfstaaten und Jordanien beteiligen sich an der Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) im Irak und in Syrien.

Ägypten führt seinen eigenen Anti-Terror-Kampf auf der Sinai-Halbinsel. Deshalb diesmal die schnelle Verurteilung der terroristischen Aktion in Paris durch Regierungen und religiöse Institutionen der Region, um sich klar von gewalttätigen Extremisten zu distanzieren. In einem Kommentar wurde sogar Bedauern ausgedrückt, dass Frankreich die Todesstrafe abgeschafft hat.

Die Extremisten des IS haben wie zu erwarten war, die «Helden des Massakers von Paris» in einer Audiobotschaft gelobt. In einem Internetforum tauchte am Donnerstag unter der schwarzen Salafisten-Fahne kurz auch eine Stimme «Islamische Wahrheit» auf, in der die Ermordung der Karikaturisten von Charlie Hebdo – zu der früher schon al-Qaida aufgerufen hatte – euphorisch gepriesen wurde. Sie wurde schnell wieder entfernt.

Nächster Artikel