Wie schon vor sieben Jahren, als Jürgen Klopp Mainz in Richtung Dortmund verliess, beerbt Thomas Tuchel den Star-Trainer. Im Heimspiel nach Klopps Ankündigung, auf Saison die Borussia zu verlassen, wird es erstmals emotional.
Jürgen Klopp ruhte tief in sich am Samstagnachmittag, er wirkte geradezu sensationell aufgeräumt rund um das erstes Spiel, das er offiziell als scheidender Trainer von Borusia Dortmund bestritt. Aber so ist das wohl mit Menschen, die gerade ihr Erbe geklärt haben und ziemlich sicher sind, die Hinterlassenschaft in vertrauenswürdige Hände zu übergeben.
Denn natürlich wusste Klopp schon vor dem 3:0-Erfolg gegen den SC Paderborn, dass nur noch eine spektakuläre Kehrtwende Thomas Tuchel davon abhalten würde, das Traineramt in Dortmund zu übernehmen. Am Sonntagmittag um 13.20 Uhr bestätigte der Klub dann in knappen Worten: «Der achtmalige Deutsche Fussball-Meister Borussia Dortmund hat Thomas Tuchel ab dem 1. Juli 2015 als neuen Trainer verpflichtet. Der 41-Jährige erhält einen Dreijahres-Vertrag.»
Stille Freude
Die offizielle Vorstellung des hoch gehandelten Fussball-Lehrers ist für die Woche nach Saisonende geplant, und aus der Klubführung mochte sich am Sonntag ebenfalls niemand zur gemeinsamen Zukunft mit dem talentierten Jungtrainer äussern. Sie freuen sich still über Ihren Coup, auch RB Leipzig und der Hamburger SV hatten ja intensiv um Tuchel geworben.
Klopps erstaunliche Gelassenheit hatte neben der geklärten Erbfolge allerdings noch einen anderen Grund: Der 47-Jährige hat «einen Schutzpanzer» angelegt, wie er am Samstag erklärte, bis zum Saisonende möchte er sich ganz auf den Fussball konzentrieren. Und das Publikum hat er ebenfalls auf diesen Vorsatz eingeschworen. «Jetzt geht es um den Verein, und der ist grösser als wir alle», stand auf einem Transparent, das im Stadion entrollt wurde. Die Kernaussage dieser Botschaft: Für Personalfragen und Sentimentalitäten ist später Zeit.
Bis zur 88. Minute sind die Leute diesem Ansinnen tatsächlich gefolgt, und «haben sich auf Fussball eingelassen», lobte Klopp. Dann brachen aber doch die Gefühle hervor. In den letzten Minuten der Partie sang das ganze Stadion: «Jürgen Klopp, Jürgen Klopp, Jürgen Klopp», nicht nur Marcel Schmelzer hatte in diesem Moment «eine Gänsehaut».
Klopp will sich noch nicht verabschieden
Nur Klopp selbst nahm den Gesang ohne erkennbare Regung zur Kenntnis, später schleuderte ein paar mal seine Faust durch die Luft, um sich für die Unterstützung zu bedanken und hielt dann drei Finger in Höhe. «Ich wollte anzeigen: Wir haben noch drei Heimspiele, Jungs, macht Euch locker. Wir können jetzt nicht jede Woche den Trainer verabschieden.»
Klopp hat sich offenbar ganz genau überlegt, wann er den Abschiedsschmerz zulassen möchte, wann Tränen fliessen sollen. «Es wird einmal richtig emotional werden», sagte er, denn «wenn da ein 47-Jähriger Mann einmal pro Woche wild flennend im Fernsehen rumsteht, das macht keinen Spass».
Aber der Samstagnachmittag fühlte sich natürlich trotzdem besonders an. Zum einen weil, die Nachricht von Klopps Vertragsauflösung noch so frisch war, und zum anderen, weil die Partie nicht nur Marcel Schmelzer in einigen Phasen «schon wieder an die richtig, richtig starken Zeiten erinnert» hat. Zwar gegen einen biederen Gegner, aber gerade gegen solche hatte die Mannschaft zuletzt ja häufig Probleme. «Der Knopf ging auf, die Jungs wirkten befreit, das sah dann richtig gut aus», sagte Klopp zur starken zweiten Halbzeit.
Die Planung für die kommende Saison kann nun beginnen
Vor allem einige Krisenspieler der vergangenen Monate blühten regelrecht auf. Matthias Ginter machte im defensiven Mittelfeld seine wohl beste Bundesligapartie für den BVB, Henrikh Mkhitaryan flog mit einer Leichtigkeit über den Rasen wie lange nicht, köpfte das wichtige 1:0 selbst (48.) und bereitete das 3:0 des ebenfalls erstarkten Shinji Kagawa mit einem tollen Pass vor (80.).
Und natürlich glänzte Pierre Emerick-Aubameyang mit einem Treffer (55.) und einer Torvorlage für Mkhitaryan. «Wir haben alle das Bestreben, den Trainer so zu verabschieden, wie er es verdient hat», sagte Kapitän Mats Hummels, der mit Tuchels Verpflichtung eine wichtige Information mehr hat, um seine eigenen Zukunftspläne zu konkretisieren.
Der Innenverteidiger gehört wie auch Ilkay Gündogan zum Kreis jener Spieler, die ihren Vertrag verlängern oder den Klub gegen eine hohe Zahlung verlassen sollen, weil sie im Sommer 2016 ablösefrei wären. Nach der Einigung mit Tuchel wissen sie wie alle anderen Spieler, wer ihr Ansprechpartner fürs kommende Jahr ist und was auf sie zukommen wird. «Jetzt ist die Phase, wo die Planungen für die kommende Saison laufen», hatte Klopp vorige Woche gesagt, um den Zeitpunkt seiner Rücktrittsankündigung zu erklären. Ab jetzt können diese Planungen ernsthaft beginnen beim BVB.