Auf Korsika jubeln die Autonomisten – erstmals haben sie den Regionalrat erobert

Auf Korsika weht derselbe politische Wind wie in Katalonien oder Schottland: Die Separatisten haben bei den jüngsten Wahlen erstmals den Regionalrat der französischen Mittelmeerinsel erobert.

Auf Korsika weht derselbe politische Wind wie in Katalonien oder Schottland: Die Separatisten haben bei den jüngsten Wahlen erstmals den Regionalrat der französischen Mittelmeerinsel erobert.

Während in Frankreich alle Augen auf den Vormarsch des rechtsextremen Front National bei den Regionalwahlen gerichtet waren, sorgten Korsikas Autonomisten für eine kleine Revolution. Erstmals seit ihrer Gründung in den Sechzigerjahren und zur allgemeinen Überraschung gelang es der Unabhängigkeitsbewegung, die Wahlen für den Inselrat zu gewinnen.

Die Liste «Pè a Corsica» (Für Korsika) von Gilles Simeoni kam nach einer Listenfusion mit der radikaleren «Corsica Libera» von Jean-Guy Talamoni auf 35 Prozent der Stimmen. Die Linke erhielt 28, die Rechte 27 und der Front National 9 Prozent.

Dank einem Wahlrechtsbonus für die bestplatzierte Liste erhält Simeonis Bewegung 24 der 51 Sitze im Regionalrat. Damit dominiert sie das Inselparlament und stellt die regionale Exekutive. Der Wahlsieg wurde in Städten wie Bastia oder Ajaccio frenetisch gefeiert; überall auf der Insel wurde die korsische Fahne mit dem Maurenkopf gehisst.

Simeoni (48) ist der Sohn des legendären korsischen Unabhängigkeitskämpfers Edmond Simeoni. Der Bürgermeister von Bastia gilt als gemässigter Autonomist. Er ist aber auch der Anwalt des landesweit bekannten Schafhirten und Präfektenmörders Yvan Colonna; vereinzelt vertritt er ähnliche Forderungen wie die baskischen Separatisten, darunter die Verlegung «politischer» Häftlinge vom französischen Festland nach Korsika.

Für die Regierung in Paris kommt der Erfolg von «Pè a Corsica» zu einem ungünstigen Moment.

Im Wahlprogramm von «Pè a Corsica» figurieren zudem Forderungen, die für den französischen Zentralstaat unerfüllbar sind: Gleichberechtigung der korsischen Sprache auf der Insel, Sonderbehandlung Korsikas in der Verfassung, dazu ein «Inselstatut» für die 320’000 Einwohner. Es soll indirekt die Immobilienspekulation mit Ferienhäusern verhindern und den «grünen Tourismus» stärken. Ungesagt ist damit aber auch die Forderung verbunden, dass die Regierung ihren Plan fallen lässt, die Erbschaftssteuer auch den Korsen abzuverlangen. Aus unerfindlichen Gründen waren sie bisher davon befreit gewesen.

Für die Regierung in Paris kommt der Erfolg von «Pè a Corsica» zu einem ungünstigen Moment. Premierminister Manuel Valls bekämpft auf der Insel mit allen Mitteln die Drogen-, Waffen- und Schleppermafia, die heute eng mit der tief gefallenen Befreiungsorganisation FLNC verbandelt ist. Dazu braucht er die Mitarbeit der Regionalbehörden. Simeoni und Talamoni machen jedoch die französische «Kolonialherrschaft» für Klientelismus, Korruption und letztlich auch die grassierende Kriminalität verantwortlich.

Auch politisch ist Valls auf den Regionalrat angewiesen, um die von Präsident François Hollande initiierte Territorialreform von 2014 zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Die beiden Departemente Süd- und Hoch-Korsika sollen 2018 in der neuen Inselregion aufgehen. Der Regionalrat erhält damit mehr Kompetenzen. Die dort dominierenden «Nationalisten», wie man sie in Frankreich nennt, werden es sich nicht nehmen lassen, ihre Kooperationsbereitschaft von einer weiter gehenden Autonomie abhängig zu machen.

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