Auf Kosten der Prämienzahler

Krankenkassen und Spitäler vereinbaren mit dem Segen der Kantone überhöhte Tarife. Das geht auf Kosten der Prämienzahler.

Je höher der von Krankenkassen und Spitälern vereinbarte Tarif, desto grösser ist die Belastung der Prämien. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Krankenkassen und Spitäler vereinbaren mit dem Segen der Kantone überhöhte Tarife. Das geht auf Kosten der Prämienzahler.

Effizienter werden sollte das Gesundheitswesen. Die Kosten sollten nur noch ansteigen statt explodieren. Doch jetzt zeigen sich die Nebenwirkungen des neuen Systems mit den Fallpauschalen, in denen die Experten einmal das Heil gesehen haben.

Konkret geht es um Spitalaufenthalte. Seit 2012 werden diese völlig neu finanziert. Das Büro des Preisüberwachers kritisierte bereits im Herbst, die Basler Spitäler kassierten zu viel – allen voran das Kantons­spital Baselland an den Standorten Liestal, Bruderholz und Laufen, mit um 13 Prozent zu hohen Tarifen. Die TagesWoche berichtete online.

Der Preisüberwacher ist mit seiner Einschätzung nicht allein. Recherchen der TagesWoche zeigen, dass ­Baselbieter Spitäler auch für Tarif­suisse, den wichtigsten Zusammenschluss der Krankenkassen, viel zu teuer sind. Tarifsuisse mit mehr als zwei Drittel Marktanteil verlangt eine sogenannte Baserate von 9500 Franken. Diese Baserate dient als Berechnungsgrundlage für die Rechnungen stationärer Spitalaufenthalte. Jede ­Diagnose – vom Beinbruch bis zum Herzinfarkt – hat ein eigenes Kostengewicht.

Dieses wird dann mit der ­Baserate multipliziert. Und da gibt es interessante Unterschiede: Der Kanton Zürich beschloss vor Kurzem eine Baserate von 9480 Franken. Die Krankenkassen der HSK-Gruppe (Helsana, Sanitas und KPT) hingegen bezahlen fürs Kantonsspital Baselland eine Base­rate von 10 140 Franken.

Die Zürcher Spitäler müssen mit deutlich weniger auskommen, obwohl sie hohe Löhne zahlen müssen. Professor Reto Schleiniger von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) untersuchte in einer neuen Studie die Schweizer Spitäler und wies nach, dass sich jene aus dem Kanton Zürich von allen anderen abheben: Sie sind deutlich effizienter.

Zürcher Spitäler müssen mit deutlich weniger auskommen.

Doch Effizienz ist mittlerweile gar nicht mehr das oberste Ziel. Die Krankenkassen und Spitäler haben ein Schlupfloch gefunden, um den Kostendruck auf die Spitäler zu dämpfen: Sie schliessen mit Spitälern nicht nur für die Grundversicherung Tarifverträge ab, sondern auch für die Zusatzversicherungen für halbprivat und privat Versicherte.

«Kassen können daran interessiert sein, höhere Tarife zulasten der Grundversicherung zu zahlen, wenn sie mit dem Spital exklusiv günstigere Konditionen für ihre Zusatzversicherten aushandeln können», sagt Felix Schneuwly, Krankenkassenexperte des Internet­vergleichsdienstes Comparis. Im Klartext: Krankenkassen verdienen ihr Geld vor allem mit den Zusatzversicherten. Profitieren sie für diese von günstigeren Konditionen, nehmen sie überhöhte Tarife für die Grundversicherung in Kauf – auf Kosten der Grundversicherten.

Kanton interveniert nicht

Das sollten die Kantone eigentlich verhindern. Denn sie müssen die Verträge zwischen Krankenkassen und Spitälern genehmigen. Doch die Kantone sind nicht unabhägig: Sie sind an den Kosten für stationäre Spitalaufenthalte direkt und indirekt­ beteiligt. Zum einen bezahlen sie rund die Hälfte an die Rechnungen, zum anderen subventionieren sie Spitäler über sogenannte gemeinwirtschaftliche Leistungen.

Die Kantone sind deshalb nicht daran interessiert, ihre Spitäler allzu sehr auf Effizienz zu trimmen. Im schlimmsten Fall droht ihnen, dass sie am Ende auf ungedeckten Kosten sitzenbleiben. «Wäre der Kanton nur Kostenträger und nicht auch Spital­besitzer, würde er bei diesen Tarif­genehmigungen eher auf der Seite des Preisüberwachers stehen», sagt Felix Schneuwly.

Gegen «Hauruckverfahren»

Das Kantonsspital Baselland weist den Vorwurf zurück, das Spital habe mit der HSK-Gruppe einen überhöhten Tarif für die Grundversicherung abgeschlossen und im Gegenzug günstigere Konditionen für Zusatzversicherte gewährt. Die Baserate sei angemessen, und die Vertragsverhandlungen über Grund- und Zusatzversicherungen seien unabhägig voneinander erfolgt, erklärt Urs Roth, Leiter Tarife und Verträge.

Die HSK-Gruppe betont, sie habe mit dem Kantonsspital Baselland eine Baserate vereinbart, die jedes Jahr leicht sinke. «Wir sind nicht nur an möglichst tiefen Kosten interessiert, sondern an einer möglichst guten Versorgung für unsere Kunden», schreibt sie in einer Stellungnahme. Die Versorgungsstrukturen sollten zwar effizienter werden, den Tarifpartnern müsse dafür aber Zeit zugestanden werden. «Ein Hauruckverfahren dient niemandem.»

Und Urs Knecht vom Rechtsdienst der Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion sagt: «Die Baselbieter Kantonsspitäler sind nicht überzahlt, sonst hätten wir die Tarife nicht genehmigt.» Doch selbst er weiss nicht genau, von welchen Konditionen die HSK-Gruppe für ihre Zusatzver­sicherten profitiert. Das bleibt das Geheimnis zwischen Krankenkassen und Spital.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.05.13

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