Aus diesen Wahlen kann fast jeder etwas Schönes mitnehmen

Was man nach kantonalen Wahlen gerne tut: Vernationalisieren. Was bedeutet der Erfolg der Basler FDP bei den Grossratswahlen für die Mutterpartei? Geht es mit der SVP jetzt definitiv aufwärts? Und ist die Geschichte der GLP bereits wieder vorbei? Einige Versuche am Basler Beispiel.

Selbst die Grünen durften in Basel etwas jubeln. (Bild: Michael Würtenberg)

Was man nach kantonalen Wahlen gerne tut: Vernationalisieren. Was bedeutet der Erfolg der Basler FDP bei den Grossratswahlen für die Mutterpartei? Geht es mit der SVP jetzt definitiv aufwärts? Und ist die Geschichte der GLP bereits wieder vorbei? Einige Versuche am Basler Beispiel.

Im Verlauf des Montagnachmittags veröffentlichte die Nachrichtenagentur SDA eine Übersicht über alle acht kantonalen Gesamterneuerungswahlen, die seit der grossen nationalen Sause vom Herbst 2011 stattgefunden haben. Das Verdikt scheint eindeutig: Die Grünliberalen machen sagenhafte Sprünge (20 Sitze plus), die SVP sagenhafte Verluste (20 minus), die SP (16 plus) und die FDP (2 plus) etwas vorwärts, die CVP (13 minus) und die Grünen (10 minus) etwas rückwärts.

Das Newsnet hatte die Übersicht der Nachrichtenagentur kaum aufgeschaltet, da wurde sie bereits auf Twitter kritisiert. Es gehe ja kaum an, dass einzig die absoluten Mandate zum Vergleich hinzugezogen worden seien und nicht auch die Wahlanteile, monierte etwa der Blogger Philippe Wampfler. Auch werde in der Übersicht die Ausgangsgrösse der jeweiligen Partei nur am Rande thematisiert – und damit ein ziemlich schräges Gesamtbild geschaffen.

Vergleichsprobleme

Beim Gesamtbild, da beginnen die Probleme. Im Kanton Nidwalden politisiert die SVP nicht gleich wie im Kanton Basel-Stadt, die Grünliberalen in der Ostschweiz sind nicht die gleichen wie in der Romandie. Kantonale Wahlen werden durch kantonale Befindlichkeiten entschieden. Dennoch sind bei allen Wahlgängen, auch bei jenen im Kanton Basel-Stadt auf mindestens zwei Ebenen nationale Tendenzen zu erkennen. Zum einen auf einer vagen, faktischen Ebene. Zum anderen im Bestreben der nationalen Parteigrössen, den Wahlausgang zum eigenen Vorteil auszulegen.

Bleiben wir kurz auf der Ebene 1. Was bei allen acht Gesamterneuerungswahlen festgestellt werden konnte: Die Grünen und die CVP erleben harte Zeiten. Seit mit Fukushima der Atomausstieg mehrheitsfähig geworden ist, sind die Grünen auf Sinnsuche. Man müsse sich neu erfinden und das auch richtig kommunizieren, sagen etwa Co-Präsidentin Regula Rytz oder die bald höchste Schweizerin Maya Graf; nur scheint das im Moment noch nicht zu funktionieren. Dass die Grünen in Basel-Stadt ihre Sitze (bei abnehmendem Wahlanteil) halten konnten, haben sie in erster Linie der Schwäche der Grünliberalen zu verdanken.

Was will die CVP?

Auf einem gleichen Weg befindet sich die CVP. Dieses Wochenende hat die Partei ihr Hundert-Jahr-Jubiläum begangen – doch zu feiern gibt es schon lange nichts mehr. Ähnlich wie bei den Grünen ist auch der CVP der antriebsstiftende Sinn abhanden kommen. Für was steht diese Partei? Was will sie? Ist sie nun sozial-christlich oder doch eher konservativ-liberal? Die Parteiexponenten stehen dem eigenen Niedergang etwas hilflos gegenüber. Markus Lehmann, CVP-Nationalrat und Präsident der kantonalen Partei, gab am Sonntag der BaZ zu Protokoll, dass er sich die Niederlage seiner Partei nicht erklären könne. Aus den anderen Kantonen tönte es am Wahltag ähnlich.

Für den Berner Politikberater Mark Balsiger, der sich am Sonntag immer wieder per Twitter in das Basler Wahlgeschehen eingeschaltet hatte, ist denn auch nicht das dürftige Abschneiden der CVP und der Grünen überraschend. Erstaunlich sei viel mehr, dass die GLP, sonst bislang die Nutzniesser der Schwäche der beiden Parteien, ihre Mandate nur knapp halten konnten. «Gerade im urbanen Raum hat die GLP das grösste Potenzial. Es ist mir ein Rätsel, warum sie das ausgerechnet in Basel nicht nutzen konnten.»

Die Erklärung des FDP-Präsidenten

Für FDP-Präsidenten Philipp Müller, und hier verlassen wir die Ebene der vagen Fakten und betreten jene der bestmöglichen Interpretationen, ist das schwache Abschneiden der Basler GLP hingegen sonnenklar. «Je grösser die Herausforderungen für die Schweiz werden, desto eher trauen die Menschen den traditionellen und grossen Parteien zu, die Probleme auch zu lösen.» Müller hat zwei gute Sonntage hinter sich. Seine Partei legte im Aargau zu und seine Partei legte auch in Basel zu. «Vor den Basler Wahlen war ich sehr, sehr skeptisch», sagt Müller, «und jetzt bin ich sehr, sehr froh. Auch die Liberalen haben vorwärts gemacht und die gehören ja auch zu uns.» Besonders freute den FDP-Präsidenten, dass sein Freisinn auf kantonaler Ebene immer noch besser gestellt ist als die SVP. «Wir haben 553 Sitze in kantonalen Parlamenten. Die SVP nur 543. Wir eilen denen davon!»

In Zeiten der Krise

Das sieht Martin Baltisser, SVP-Generalsekretär, naturgemäss etwas anders. Man sei in einer Konsolidierungsphase, schon klar, aber gerade die Basler Wahlen und auch jene im Aargau vor einer Woche hätten doch gezeigt, dass es auch für die SVP noch Luft nach oben gebe oder zumindest ein Halten auf hohem Niveau möglich sei Abgesehen davon trifft sich Baltissers Interpretation aber ziemlich genau mit jener von Müller. In Zeiten der Krise, «denken Sie an den Euro, denken Sie an die Probleme im Asylwesen», da würden die Menschen den etablierten Kräften im Allgemeinen und der SVP im Speziellen vertrauen. «Haben wir doch, was Europa und die Asylfrage betrifft. exklusive Positionen in der Schweizer Parteienlandschaft.»

Altbekannte Phänomene

Erfolg haben diese «exklusiven Positionen» aber nur bei den Parlamentswahlen. Die SVP-Kandidaten für den Regierungsrat Patrick Hafner und Lorenz Nägelin blieben chancenlos und landeten weit abgeschlagen auf den Rängen 9 und 10 (woraus die BaZ ein «beachtliches Resultat» machte, aber das ist eine andere Geschichte). Es ist ein altbekanntes Phänomen. «Die klaren Positionen in der Parlamentsarbeit führen zu einer gewissen Polarisierung – und das macht es bei Mehrheitswahlen manchmal schwierig», sagt Baltisser.

Apropos Polarisierung und apropos schwierig: Entgegen dem nationalen Trend, den die «Zeit» nach den Verlusten der Sozialdemokraten im Aargau beschrieb, hat die SP in Basel-Stadt nicht nur nicht verloren, sondern die Regierungsratswahlen souverän und die Grossratswahlen klar gewonnen. Auch das sei eine Folge der Polarisierung, sagt Mark Balsiger aus Bern, «von aussen betrachtet, war der Basler Wahlkampf von Sicherheitsthemen dominiert. Das mobilisiert traditionellerweise nicht nur die Wähler der SVP, sondern auch jene der Gegenkraft.» Ob das auch für die nächsten kantonalen Wahlen gilt? Oder gar die nationalen Erneuerungswahlen von 2015?

Wer kann das schon wissen.

Quellen

Die Agenturmeldung der SDA auf dem Newsnet

Die Twitterkritik eben jener SDA-Meldung

Die «Zeit» über das Drama der Sozialdemokratie

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