Die Reduktion der Kontingente für Fachkräfte aus Drittstaaten trifft Basel besonders hart. Jetzt fordert Christoph Brutschin den Bundesrat auf, diese Massnahme dringend zu überdenken.
Anfang September kam die Warnung, jetzt gilts ernst: Die Kontingente für Fachkräfte aus Drittstaaten sind aufgebraucht. Ist ein Unternehmen in Basel beispielsweise auf eine amerikanische IT-Spezialistin angewiesen, muss es mit der Anstellung bis nächstes Jahr warten. Projekte müssen also verschoben oder können gar nicht erst in Basel lanciert werden.
Doch die Situation mit den Kontingenten in Basel hat sich seit Längerem zugespitzt. Bereits seit 2014 sinkt die Zahl der Kontingente, die nach Basel vergeben werden, wie eine Datenauswertung zeigt. Während vor drei Jahren noch fast 950 Kurz- und Langzeit-Aufenthalterkontingente (bis zu einem Jahr bzw. dauerhafte Bewilligungen) genutzt wurden, werden es in diesem Jahr wohl keine 600 mehr sein.
Basel übermässig hart betroffen
Dabei werden gemäss Staatssekretariat für Migration knapp 50 Prozent der Kontingente von Unternehmen aus der Chemie- und Pharmabranche, knapp 40 Prozent von Industriedienstleistern (zum Beispiel IT) und ungefähr 10 Prozent von Unternehmensberatern beansprucht. Ein Grossteil der Industriedienstleistungen steht ebenfalls im Zusammenhang mit der Pharma.
Die vom Bundesrat nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative angeordnete Massnahme, die Kontingente von 8500 auf 6500 zu kürzen, trifft den Kanton Basel-Stadt mit voller Härte. Doch damit nicht genug: Die Firmen sind angesichts der verschärften, politischen Lage zögerlich geworden. Ein neues Forschungsinstitut? Eine neue Produktentwicklungsabteilung? Im Zweifelsfall entscheiden sich Unternehmen heute oftmals gegen Basel beziehungsweise gegen die Schweiz.
Nicole Hostettler, Leiterin im Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA), beobachtet diese Entwicklung mit Sorge und spricht von einer «Unsicherheit» bei den Unternehmen. «Im Bewusstsein um die Knappheit der Kontingente haben die Firmen begonnen, gewisse Produktionen oder Produktionsketten nicht mehr oder nur teilweise in die Schweiz zu bringen.» Sie wisse, dass einige Unternehmen strenge Auswahlprozedere für internationale Projekte eingerichtet haben, um nur die «wirklich essentiellen Projekte» in der Schweiz anzusiedeln.
«Unternehmen haben bereits angefangen gewisse Produktionen nicht mehr in die Schweiz zu bringen.»
Der Bundesrat legt die Kontingente jährlich neu fest und bestimmt in einer Verordnung, welcher Kanton wie viele dieser Kontingente zugute hat. Der Kanton Basel-Stadt kommt bei dieser Verteilung erstaunlich schlecht weg, wie die aktuelle Verordnung zeigt.
Nur gerade 136 Aufenthaltskontingente, davon lediglich 52 unbefristete, wurden Basel in diesem Jahr zugeteilt. Zum Vergleich: Zürich (655) bekommt fast das Sechsfache und sogar St. Gallen (197) und das Tessin (148) werden gemäss Verteilschlüssel besser gestellt. Das Basler Kontingent hat denn in diesem Jahr auch nur gerade bis im März gereicht.
Beim AWA ist man nicht glücklich über diesen Verteilschlüssel, der sich aktuell hauptsächlich an der Anzahl Beschäftigten in einem Kanton bemisst. «Es wäre wichtig, auch andere Kriterien wie die wirtschaftliche Entwicklung oder die internationale Ausrichtung der Wirtschaft, des Forschungsstandorts oder einzelner Firmen zu berücksichtigen», sagt Hostettler.
Bisher war dieser Verteilschlüssel nicht ausschlaggebend, weil Basel auf die Reserven des Bundes zurückgreifen konnte. Dieser behält jeweils die Hälfte aller Kontingente zurück, damit die Kantone bedarfsgerecht versorgt werden können. Doch seit der Reduktion ist diese Reserve so knapp geworden, dass Basel zum ersten Mal den Bedarf nicht mehr decken kann. Die Frage nach dem Verteilschlüssel rückt damit ins Zentrum.
Einmalige Notsituation oder ein längerfristiges Problem?
Aus Sicht von Basel-Stadt sei es wünschenswert, dass der Bundesrat die Kontingente für 2017 wieder erhöhe und dass der Verteilschlüssel angepasst werde, sagt Hostettler. Sie beschäftigt vor allem eine Frage: «Können wir die fehlenden Kontingente 2016 als einmalige Notsituation betrachten oder wird es längerfristig knapp?»
Unterstützung erhält die AWA-Chefin dabei von ihrem Departementsvorsteher, SP-Regierungsrat Christoph Brutschin. Dieser weibelt in Bern zusammen mit anderen Volkswirtschaftsdirektoren dafür, dass der Bundesrat die Reduktion der Kontingente rückgängig macht. «Ab 2017 muss etwas geschehen. Wir bekommen sonst ein ernsthaftes Problem», sagt Brutschin.