Basel hat die höchsten Gesundheitskosten der Schweiz – und unternimmt nichts dagegen

Basel-Stadt hat das kostspieligste Gesundheitswesen der Schweiz. Trotzdem lehnt Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger Eingriffe ins teure System ab. Dass es anders geht, zeigt der Kanton Waadt.

Prämienhölle: Nirgendwo in der Schweiz fliesst so viel Geld ins Gesundheitswesen wie in Basel-Stadt.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Basel-Stadt hat das kostspieligste Gesundheitswesen der Schweiz. Trotzdem lehnt Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger Eingriffe ins teure System ab. Dass es anders geht, zeigt der Kanton Waadt.

In keinem Kanton sind die Krankenkassenprämien für die Grundversicherung höher als in Basel. Und im Herbst steht wie alle Jahre die nächste Erhöhung an. Nicht nur Basel-Stadt scheint gefangen in der Spirale steigender Gesundheitskosten, aber in keinem anderen Kanton hat sie sich derart hochgedreht:

  • 545 Franken und 61 Rappen kostete die durchschnittliche Krankenkassenprämie in Basel-Stadt 2016. Im zweitteuersten Kanton Genf bezahlten die Versicherten 22 Franken weniger. 
  • Kein Kanton kennt eine höhere Ärztedichte. In Basel kommt ein Arzt auf 235 Einwohner, doppelt so viele wie im Schweizer Durchschnitt.
  • In keinem Kanton lassen sich die Bewohner derart häufig stationär behandeln. Die Hospitalisationsrate liegt bei 172 Patienten auf 1000 Einwohner, der Schweizer Durchschnitt liegt bei 133. Selbst die Kantone Baselland und Tessin, die eine ältere Bevölkerung aufweisen als Basel-Stadt, kommen nicht annähernd an diesen Wert. Die Hospitalisationsrate der Baselbieter liegt bei 155, jene der Tessiner bei 144.
  • Auch in Nischen wie der Physiotherapie steht Basel unangefochten an der Spitze. 138 Franken bezahlt jeder Versicherte im Jahr für Physio. Der Schweizer Durchschnitt liegt bei 103 Franken.

Seit der Markt spielt, steigen die Kosten noch stärker

Die Zahlen sind exorbitant und vor allem im stationären Bereich extrem kostentreibend. Sie zeigen, dass die neu geregelte Spitalfinanzierung mit der Entlassung der Spitäler in die wirtschaftliche Unabhängigkeit 2012 nicht den gewünschten Effekt hatte: Die Kosten steigen seither noch stärker an.

Dazu kommt, dass der Hauptteil der Spitalkosten von der Allgemeinheit getragen wird. Die Versicherten müssen nicht einmal die Hälfte davon bezahlen: 55 Prozent werden in Basel-Stadt über Steuergelder finanziert.

Wie das Marktversagen funktioniert, wie sich die Mediziner ihre Einkünfte trotz ausgerufenem Kostendruck garantieren, zeigt sich in einem kleinen Teilbereich. Als den Ärzten 2010 weniger für interne Laboruntersuchungen abgegolten wurde, erhöhten diese die Zahl der Untersuchungen drastisch. Der Druck half, seit 2013 erhalten die Praxisärzte einen Zuschlag auf ihre Untersuchungen. Der Kostenanstieg allein in diesem Segment seit 2010: 20 Prozent.

Das Beispiel zeigt, dass es nicht wie oft behauptet nur die wachsenden Ansprüche der Patienten sind, welche die Kosten in die Höhe treiben. Höhere Gesundheitskosten lassen sich nicht gleichsetzen mit besserer Gesundheitsversorgung. Das sagt zumindest Pierre-Yves Maillard, Gesundheitsdirektor des Kanton Waadt.

Der SP-Politiker will sämtlichen Medizinern, die Geld von der Grundversicherung erhalten, ein Budget vorgeben, das sich an den durchschnittlichen Umsätzen der Vorjahre orientiert. Überschreitet ein Arzt das Budget, soll er seine Leistungen nur zu einem deutlich reduzierten Tarif abrechnen können. 

Erfolgreiche Eingriffe im Waadtland

Maillard glaubt nicht an die Wirksamkeit der Tarifverhandlungen. Senke man die Entschädigungen für Behandlungen, steige einfach die Zahl der Behandlungen, sagt Maillard in der SRF-Sendung «Echo der Zeit». Sein Kanton deckelt die Budgets der Spitäler seit 20 Jahren mit beachtlichem Erfolg. Die Waadt befindet sich nach Jahren an der Spitze mittlerweile im schweizerischen Mittelfeld bei den Spitalkosten. Nach einem starken Anstieg der Behandlungskosten in privaten Praxen sollen nun auch diese reguliert werden.

Maillard will seinen Kanton zum Laboratorium im Kampf gegen steigende Gesundheitskosten machen. Er sagt: «Seit 2012 steigen die Gesundheitskosten in der Schweiz jährlich um 1 Milliarde Franken. Es kann nicht sein, dass sich Politik, Bund und Krankenkassen darum foutieren, etwas daran zu ändern.»

Gar nichts mit Maillards Ansatz kann sein Basler Amtskollege Lukas Engelberger anfangen – obwohl Basels Bewohner deutlich mehr für ihre Gesundheit bezahlen als die Waadtländer: «Eine derart starke betriebliche Regulierung der Spitäler im Kanton Basel-Stadt läuft meiner Ansicht nach dem marktwirtschaftlichen Grundgedanken des KVG zuwider und würde die Autonomie der Spitäler stark einschränken», sagt der CVP-Politiker.

Und trotz den Erfolgen im Kanton Waadt, wo Spitäler etwa eine Bewilligung einholen müssen, um teure Gerätschaften anzuschaffen, meint er: «Die Wirkung dieser Instrumente wäre sehr fragwürdig, wenn sie nicht gesamtschweizerisch eingesetzt würden.» Engelberger setzt im Spitalbereich auf die geplante Fusion mit dem Kanton Baselland.

Auch Budgetvorgaben für Ärzte lehnt Engelberger ab. Und ebenso die Idee einer kantonalen Einheitskasse, für die in der Westschweiz eine Initiative lanciert worden ist.

Mickrige Prämienverbilligungen

Den Preis für das Verwalten des Kostenanstiegs bezahlt in Basel-Stadt der Mittelstand. Während der Kanton bei den Krankenkassenprämien einsam an der Spitze steht, fällt er bei den Prämienverbilligungen ab. Rechnet man alle Bezüger von Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen heraus, kommt man auf eine im nationalen Vergleich unterdurchschnittliche Zahl an Versicherten, die Unterstützung erhalten.

Ein Zweipersonen-Haushalt etwa erhält nur bis zu einem gemeinsamen Einkommen von 71’000 Franken einen Rabatt. Und auch dieser liegt bei diesem Einkommen bei mageren 22 Franken pro Monat und Person. Im aktuellen Bericht des Amts für Sozialbeträge, das Christoph Brutschin (SP) untersteht, heisst es zufrieden, die Anspruchskriterien würden in «Basel-Stadt eher restriktiv gehandhabt». 

Dabei lohnt sich auch bei den Verbilligungen ein Blick auf den Kanton Waadt: Dort sollen die Krankenkassenprämien künftig nicht mehr als 10 Prozent des steuerbaren Einkommens ausmachen dürfen.

Nächster Artikel