Basel ist wegen der Umsetzung der Einwanderungsinitiative in Alarmbereitschaft

In den nächsten Wochen entscheidet der Bundesrat, wie er die Masseneinwanderungsinitiative umsetzen will. Für die Region Basel steht einiges auf dem Spiel. Wirtschaftsvertreter und Politiker kriegen kalte Füsse.

Der Grosse Rat kämpft gegen Drittstaat-Kontingente. Was will er tun, wenn der Bund Kontingente für Grenzgänger einführt? (Bild: Hans-Jörg Walter)

In den nächsten Wochen entscheidet der Bundesrat, wie er die Masseneinwanderungsinitiative umsetzen will. Für die Region Basel steht einiges auf dem Spiel. Wirtschaftsvertreter und Politiker kriegen kalte Füsse.

Seit bald einem Jahr bewegt das Thema landauf landab die Gemüter: Die Schweiz hat entschieden, die Zuwanderung zu begrenzen. In Basel ist es besonders eine Frage, die die Gemüter bewegt: Was passiert, wenn von 70’000 Grenzgänger plötzlich einige zuhause bleiben müssen?

Im Herbst hat der Bundesrat ein Verhandlungsmandat verabschiedet, die Schweizer Diplomaten sollten der EU ein erstes Mal auf den Zahn fühlen. Und die EU sollte mit den Plänen der Eidgenossen angefreundet werden. Was bis jetzt ein Abtasten war, wird ab Februar Realität.

In den nächsten Wochen präsentiert der Bundesrat seinen Vorschlag zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Danach müssen die Verhandlungen mit der EU wieder aufgenommen werden. Viele Überraschungen wird es vermutlich nicht geben. Das Ziel ist weiterhin die Quadratur des Kreises: Zuwanderung eigenständig steuern und gleichzeitig die bilateralen Verträge mit der EU beibehalten.

Die Krux liegt in der Formulierung des Masseneinwanderungs-Artikels, der von «Höchstzahlen und Kontingenten» für Ausländerinnen und Ausländer spricht. Fixe Kontingente sind mit der Personenfreizügigkeit nicht vereinbar, das hat die EU dutzendfach klar gemacht.

SRF-Beitrag 1.12.2014: Wirtschaft und Sozialpartner wollen Schutzklausel

 

Das neue Zauberwort heisst «Schutzklausel»: ein Zusatz, der in das Personenfreizügigkeitsabkommen aufgenommen werden soll. Der Zusatz ist eine «Ventilklausel plus», er tritt dann in Kraft, wenn beispielsweise die wirtschaftliche Lage angespannt ist. Ab einem gewissen Punkt kann dann die Zuwanderung begrenzt werden.

Die entscheidende Frage bei der Schutzklausel bleibt, nach welchem Kriterium man eine Schwelle festlegen will. Nimmt man den Wanderungssaldo in Europa, den Ausländeranteil, oder die Arbeitslosigkeit? Will die Schweiz die Schutzklausel als Zusatz zur Personenfreizügigkeit einfügen, muss sie alle 28 EU-Staaten auf ihrer Seite haben. Denn die Klausel gilt nicht nur für die Schweiz, sondern für alle EU-Staaten.

Astrid Epiney, Professorin für Völkerrecht an der Universität Fribourg, meint, es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die EU mit einer solchen Schutzklausel anfreunden könnte. Die Variante sei immer noch «schwer zu verhandeln, aber es ist zurzeit vielleicht die vielversprechendste Variante aus Schweizer Sicht». Auch Wirtschaftsverbände setzen auf die Karte «Schutzklausel».

Zahl der Grenzgänger nicht reduzieren

In Basel steigt derweil die Anspannung auf den Bundesratsentscheid. In der Region dreht sich fast alles um die Grenzgänger-Frage. Per Definitionem sind Grenzgänger zwar keine Einwanderer – sie wohnen ja ausserhalb der Schweiz. Im Verfassungsartikel der SVP-Initiative heisst es jedoch, «Grenzgängerinnen und Grenzgänger sind einzubeziehen». Und das bereitet einigen Baslern Sorgen.

Regierungsrat Christoph Brutschin (SP) hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Kontingente verhindert werden können. Falls sie doch eingeführt würden, will er immerhin separate Kontingente für Grenzgänger. Und diese «Kontingente sollen ausgehend von der heutigen Situation definiert» werden – also keine Reduktion der Grenzgänger enthalten.

Die SP-Ständerätin Anita Fetz ist weniger optimistisch. Sie sei «nicht sehr zuversichtlich», dass die Grenzgänger bei der Zuwanderungsbegrenzung aussen vor bleiben.

SVP soll konstruktiv mitarbeiten

Fragt man bei SVP-Nationalrat Sebastian Frehner nach, tönt es anders. Ihm liegt in erster Linie «eine vernünftige Einwanderungspolitik» am Herzen. Einen Widerspruch zum wirtschaftlichen Interesse des Stadtkantons sieht er darin nicht. Er meint, die Wirtschaft denke manchmal nicht so weit, Politiker müssten da eingreifen, wenn es sie braucht.

Was passiert wenn etwa 70’000 Grenzgänger, die jeden Tag aus dem Elsass und Südbaden in die Region pendeln, mit Kontingenten belegt werden und ein Teil davon nicht mehr einreisen darf?

Der Direktor der Handelskammer beider Basel, Franz Saladin, warnt vor einem solchen Szenario: «Dies hätte sehr schnell, sehr starke Einschränkungen für die Wirtschaft zur Folge.» Er hofft, dass sich die SVP nach dem Bundesratsentscheid nicht querstellt. «Ich erwarte von den Initianten, dass sie konstruktiv an der Umsetzung mitarbeiten und die Fakten nüchtern betrachten.»

Das sind klare Worte des Wirtschaftsvertreters. Ähnlich sieht es Manuel Friesecke von der trinationalen Organisation Regio Basiliensis: «Die Nordwestschweiz ist in Sachen Grenzgänger – mit dem Tessin – in einer Ausnahmesituation. Und diese Situation muss der Bund berücksichtigen.»

Drittstaaten-Kontingente gekürzt

Kein gutes Omen für Basel ist der Entscheid, den der Bundesrat im Dezember fällte. Es sollen weniger Einwanderer aus Drittstaaten – also von ausserhalb Europas – in die Schweiz einreisen. In der Region Basel sorgte das für einen Aufschrei. Letzten Mittwoch gab der Grossrat eine Resolution an den Bundesrat auf den Weg, der die Drittstaaten-Beschränkung rückgängig machen soll.

Mit der Beschränkung wollte der Bundesrat ein erstes Zeichen für die Umsetzung der SVP-Initiative setzen. Das kam in Basel nicht gut an. Mit dem Vorschlag, der in den nächsten Wochen kommt, hat der Bundesrat die Möglichkeit, ein positiveres Zeichen zu setzen. Es ist fraglich ob ihm das gelingt.

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Interaktive Karte: Grenzgänger in den Kantonen Basel-Stadt und Baselland.

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