Basel-Stadt streicht Fachstelle und legt sich mit Behinderten an

Der Kanton will die Fachstelle für Behinderte aufheben und stösst damit die Betroffenen vor den Kopf. Alles halb so wild, beschwichtigt Regierungspräsident Guy Morin.

Viele Basler mit einer Behinderung fühlen sich vom Kanton nicht mehr ernst genommen. Mit einer Petition wehren sie sich jetzt gegen die Sparmassnahme. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Kanton will die Fachstelle für Behinderte aufheben und stösst damit die Betroffenen vor den Kopf. Alles halb so wild, beschwichtigt Regierungspräsident Guy Morin.

Während der vergangenen zwölf Jahre leitete Martin Haug die Fachstelle «Gleichstellung von Menschen mit Behinderung». Wenn es nach dem Willen der Regierung geht, wird dieses Jahr sein letztes sein.

Aufgrund von Steuerausfällen muss der Regierungsrat 69,5 Millionen Franken einsparen und hat auch bei der Fachstelle von Haug den Rotstift angesetzt. Darüber sprechen darf Haug nicht, Anweisung der Departementsleitung.

So bleibt die Frage unbeantwortet, ob er die Ansicht der Regierung teilt. Diese schreibt in ihrem Bericht, die Notwendigkeit eines Beauftragten für Menschen mit einer Behinderung sei «nicht mehr gegeben».

Die Massnahmen und Ansätze für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen würden in den verschiedenen Departementen bereits erfolgreich umgesetzt. Regierungspräsident Guy Morin formuliert es so: «Martin Haug ist gewissermassen Opfer seines eigenen Erfolgs. Die Stelle hat so gute Arbeit geleistet, dass sie überflüssig geworden ist.»

Entschieden anderer Ansicht sind Behindertenorganisationen und Betroffene selbst. Sonja Häsler ist Rollstuhlfahrerin und schätzte die Fachstelle in den vergangenen Jahren als Anlaufstelle für ihre Anliegen. Die Begründung der Regierung bezeichnet sie als schlechten Witz.

«Mit der Streichung nimmt man den Schwächsten ihre stärkste Stimme innerhalb der Verwaltung.»


Sonja Häsler, Rollstuhlfahrerin

«Mit der Streichung nimmt man den Schwächsten ihre stärkste Stimme innerhalb der Verwaltung.» Der Kanton sei noch lange nicht so weit, dass die Anliegen der Behinderten überall in der Verwaltung verankert seien, sagt Häsler.

Mit dieser Ansicht ist sie offenbar nicht alleine. Im Internet zirkuliert eine Petition zum Erhalt der Fachstelle, die bisher 1700 Personen unterzeichnet haben. Zu den Initianten gehört auch Georg Mattmüller, SP-Grossrat und Geschäftsleiter des Behindertenforums Basel.

In einem Punkt ist er mit der Regierung einig: Die Anliegen der Behinderten sind in den Departementen angekommen und werden dort auch gehört. «Sie gehen aber noch immer häufig vergessen, und nicht überall ist das Bewusstsein gleich ausgeprägt vorhanden. Die Aussage, es brauche keine Fachstelle mehr, ist eine haltlose Behauptung.»

Morin sieht es anders

So gross die Aufregung auf der einen, so klein ist sie auf der anderen Seite. Guy Morin, Vorsteher des Präsidialdepartements, kann die Bedenken von Mattmüller und Häsler nicht teilen. Die Themen und Anliegen von Menschen mit einer Behinderung, sagt Morin, seien voll und ganz in den Fachdepartementen angekommen.

«Den Anwalt für Behinderte braucht es in der Verwaltung nicht mehr. Die für die Planung und Umsetzung der Massnahmen verantwortlichen Mitarbeiter wissen, was sie zu tun haben.» Er sei überzeugt, den betroffenen Menschen werde durch die Aufhebung der Fachstelle kein Nachteil entstehen.

«Den Anwalt für Behinderte braucht es in der Verwaltung nicht mehr.»

Guy Morin, Regierungsratspräsident

Ganz ersatzlos wolle er die Fachstelle dennoch nicht aufheben. Morin plane eine Meldestelle für Menschen mit einer Behinderung, «eine Art Briefkasten in der Verwaltung».

Damit wollen sich die Behindertenorganisationen und Georg Mattmüller aber nicht zufriedengeben. Der Grossrat hat die Hoffnung nicht aufgegeben und will das Thema noch einmal in den Grossen Rat bringen. «An einer Diskussion im Parlament kommen wir nicht vorbei.»

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