Mit der IBA Basel 2020 haben die Stadtplaner der Region ein neues Instrument zur Lösung alter Probleme geschaffen. Das vorläufige Resultat ist ein Zettelkasten kunterbunter Ideen – doch Neues findet man kaum.
Ein Sonntagnachmittag im Rhein-Center in Weil am Rhein gleich hinter der Grenze. Im «Kinopalast» stauen sich die Menschen vor den Kassen bis zur Treppe. Der Grossteil der Kinogängerinnen und -gänger stammt von der anderen Seite der Landesgrenze, wo der Kinobesuch viel teurer ist.
Die allermeisten von ihnen sind mit dem eigenen Auto angefahren – rasch über die Grenze und direkt hinein in die Einstellhalle. Das postmoderne Bauungetüm ist auch ganz auf die autofahrenden Gäste angelegt. Die Einstellhalle ist der einzige offene Zugang an einem Sonntag: Direkt rein- und wieder zurück, lautet das Prinzip, ohne dass man den Himmel über Deutschland oder die Umgebung zu Gesicht bekommt.
Das ist eine der Realitäten im Zusammenleben in der trinationalen Region Basel. Der deutsche Teil ist Shopping-Ort. Und nicht viel mehr.
Man kann das auch positiv sehen, wie der Reporter des «Tagesspiegels» aus dem fernen Berlin, der das Dreiländereck als eine Art Garten Eden in Europa beschreibt: «Wohnen in Frankreich, wie Gott es vielleicht auch tun würde, arbeiten in der Schweiz, weil die Gehälter dort göttlich sind, und einkaufen in Deutschland, weil die dortigen Verhältnisse im Vergleich zu den beiden anderen Nachbarn paradiesisch niedrig sind.»
Der Jetzt-Zustand als Win-win-win-Situation also? Nicht ganz. Die autofahrenden Grenzgänger verstopfen die Basler Strassen, die Behörden in Weil machen sich Sorgen, wenn Basel gleich vor den Stadttoren einen neuen Megacity-Stadtteil plant, und die Einwohner von Huningue beklagen sich über Lärmbelästigungen, wenn in den Zwischennutzungsgebieten auf Basler Hafenareal Musik erklingt.
«Gemeinsam über Grenzen wachsen»
Das sind altbekannte Probleme in der Dreiländerregion. Vordergründig klopft man sich gegenseitig auf die Schultern, betont man das einzigartige Zusammenleben in der trinationalen Agglomeration. Dahinter aber herrscht Misstrauen. Unterschiedliche Normen, Gesetze und letztlich auch Mentalitäten erweisen sich immer wieder als Stolpersteine, wenn es darum geht, gemeinsam konkret etwas anzupacken. Diese Hindernisse konnte die Initiative Regio Basiliensis ebenso wenig aus der Welt schaffen wie der Thinktank Metrobasel oder all die anderen Planungsausschüsse, die sich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit widmen.
Mit der IBA Basel 2020 kommt ein neues Instrument zur Grenzüberwindung ins Spiel. IBA ist die Abkürzung für Internationale Bauausstellung – ein Instrument, das in Deutschland entstanden ist, um städtebauliche Probleme über institutionelle Grenzen hinweg gemeinsam anzugehen. Da gibt es sehr erfolgreiche und vielbeachtete Vorbilder. Etwa die IBA von 1927 in Stuttgart, die mit der Weissenhofsiedlung eines der bedeutendsten Zeugnisse des sogenannten Neuen Bauens zur Folge hatte, oder die IBA Emscher Park von 1989 bis 1999, die zur Neuerschliessung von Schwerindustriebrachen im Ruhrgebiet als Wohn-, Kultur- und Freizeitraum führte.
Aus einem Topf von 130 eingereichten Vorschlägen wurden 43 ausgewählt.
Als ein solches Leuchtturm-Prinzip ist die IBA Basel nicht angelegt. Sie hat sich das Motto «Gemeinsam über Grenzen wachsen» auf die Fahnen geschrieben. «Die IBA wurde von der Politik einberufen, um die Zusammenarbeit über die Grenzen zu vitalisieren», sagt der abtretende IBA-Geschäftsführer Martin Jann.
Das ist eine recht abstrakte Aufgabe, die man nun mit einer kleinteiligen Projektauswahl zu erfüllen versucht. Das zeigt sich bei der aktuellen Projektschau 2013, die 43 Projektideen präsentiert, die aus einem Topf von über 130 eingereichten Vorschlägen ausgewählt worden sind. Da finden sich kleine «Softprojekte» wie ein Stadtplan, der von Kindern und Jugendlichen gestaltet werden soll, neben Riesenprojekten, wie die «Entwicklungsvision 3Land», die sich als Masterplan für die Entwicklung des Dreiländerecks beim Rheinhafen zu einem trinationalen neuen Megacity-Stadtteil versteht.
Ein heterogenes Gebilde
Das Ganze hinterlässt einen verzettelten, leicht diffusen Eindruck. «Verzettelt würde ich nicht sagen, das klingt zu negativ», sagt der Basler Regierungsrat Hans-Peter Wessels, Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements und zusammen mit der Lörracher Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm und dem Président du Conseil Général du Haut-Rhin, Charles Buttner, Co-Präsident der IBA Basel 2020. Der Begriff «heterogen» ist seiner Ansicht nach zutreffender. «Und das stört mich gar nicht, weil dies auch der Vielfältigkeit unserer trinationalen Region entspricht.»
«Bottom-up» lautet das Zauberwort – also «von unten nach oben». Damit sei man der Befindlichkeit der trinationalen Region näher als bei einem Top-down-Prinzip, heisst es. Entsprechend will auch Jann, der abtretende Geschäftsführer der IBA, diese Heterogenität positiv besetzt wissen. «Damit, dass wir einen öffentlichen Projektaufruf gestartet haben, haben wir Neuland betreten, sind wir Avantgarde im Rahmen solcher Planungsprozesse», sagt er.
Bestehende Projekte sammeln und weiterbringen
Ziel der IBA Basel 2020 ist es also nicht, auf eigenem Mist gewachsene neue Leuchttürme entstehen zu lassen, sondern bestehende und angedachte Projekte zu sammeln, zusammenzuführen und zu bündeln. Ist die IBA also letztlich nicht viel mehr als eine Stelle, die Etiketten vergibt und viel Geld kostet? «Die meisten Projekte würden auch ohne die IBA existieren», gibt Wessels zu. Aber die IBA könne helfen, solchen Initiativen mit Fachwissen zu unterstützten, ihnen Modellcharakter zu verleihen und ihre Realisierungschancen zu erhöhen.
Im Moment wirkt die IBA noch eher wie ein Luftschloss mit ganz vielen Türmchen.
Und dieses Fachwissen wird denn auch reichlich angezapft. So hat die IBA ein Hochschullabor geschaffen, dem 15 Universitäten mit rund 40 Instituten aus den drei Ländern angehören. Das wissenschaftliche Kuratorium ist prominent besetzt, im politischen Lenkungsausschuss sitzen alle wesentlichen Exekutivvertreter und der technische Ausschuss vereinigt alle wichtigen Planungsbeamten. Nach einer «schlanken trinationalen Organisation», wie die Verantwortlichen schreiben, klingt dies nicht.
Ist die IBA also die Zauberformel zur Lösung alter Probleme? Im Moment wirkt sie von aussen noch eher wie ein Luftschloss mit ganz vielen Türmchen, die auf den ersten Blick nicht so recht zusammenpassen wollen. In einer breiteren Bevölkerung vor allem in der Stadt Basel wurde die IBA bislang kaum wahrgenommen.
Basel-Stadt als Hauptgeldgeber
Dabei ist Basel-Stadt neben der EU (über das Interreg-Programm) Hauptgeldgeber. Für die erste Phase von 2009 bis 2012 zahlte der Kanton rund 1,8 Millionen Franken an das Budget von 4,76 Millionen Franken. Zu den Gelgebern gehören auch deutsche und französische Kommunen und politische Gebietschaften, der Schweizer Bund, der Kanton Aargau, nicht aber – und das ist doch ein grosser «Tolggen» im Regioheft – der Kanton Basel-Landschaft, der nichts mit der IBA zu tun haben möchte.
Die Verantwortlichen möchten sich aber durch die mangelnde Ausstrahlung ihre gute Laune nicht verderben lassen. «Die IBA präsentiert sich im Moment noch als recht abstraktes Konstrukt», sagt Wessels. Ziel sei es aber noch nicht, eine breite Öffentlichkeit, sondern spezifisch interessierte Kreise anzusprechen. Und für die Konkretisierung und damit automatisch verbundene Erhöhung der Aufmerksamkeit verblieben ja noch sieben Jahre Zeit. Und zumindest beim Motto «Gemeinsam über die Grenzen wachsen», also bei der Stärkung der Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden und Fachgremien, habe man grosse Erfolge vorzuweisen, betonen Wessels und Jann unisono.
Ein gemeinsames Problem der drei Randregionen Basel, Südbaden und Elsass konnte auch die IBA nicht aus der Welt schaffen. Sie liegen alle weit von den nationalen Zentren Bern, Berlin (oder Stuttgart) und Paris entfernt. Das zeigt sich zum Beispiel beim ausgewählten Projekt der grenzüberschreitenden Verlängerung des 3er-Trams. Aus Paris kam nun zwar das Ja zum Vorhaben – allerdings befristet auf einen Projektbeginn bis 2015. In Bern kümmerte dies die zuständigen Behörden wenig. Sie verweigerten der Tramverlängerung im Agglomerationsprogramm den notwendigen Prioritätsstatus.
Die vornominierten und nominierten Projekte der IBA Basel 2020 sind in einer Projektschau im IBA-Haus an der Voltastrasse 30 zu sehen. Die Ausstellung dauert noch bis 8. November (Öffnungszeiten: Mo–Fr, 10–19 Uhr, Mi bis 20 Uhr und Sa, 10–17 Uhr). Auf dem Programm stehen zahlreiche Führungen durch die Projektschau und an die Projektorte in der Dreiländerregion. Mehr Informationen: www.iba-basel.net