Basler Hafen: Ein Festival zu Ehren von André Auderset – und ein Kapitän, der hier gerne an Land geht

André Auderset hat Einsprache gegen Konzerte im Hafen erhoben – weil das den Tourismus stören würde. Ein Besuch vor Ort zeigt hingegen ein anderes Bild, ja, ein holländischer Kreuzfahrtkapitän spricht sich sogar klar für die Belebung am Ufer aus.

(Bild: Marc Krebs)

André Auderset hat Einsprache gegen Konzerte im Hafen erhoben – weil das den Tourismus stören würde. Ein Besuch vor Ort zeigt hingegen ein anderes Bild, ja, ein holländischer Kreuzfahrtkapitän spricht sich sogar klar für die Belebung am Ufer aus.

Klybeck Basel, Mittwoch, 24. Juni 2015, 20 Uhr. Wo sich früher getunte Autos Strassenrennen lieferten, heulen an diesem Abend keine Motoren auf, sie dröhnen nur, monoton, im Bassbereich. Es sind die Motoren zweier Kreuzfahrtschiffe, die an der Uferstrasse vor Anker liegen. Ein Blick hinter die dicken Glasscheiben des australisch geführten Schiffes Scenic Opal zeigt, dass einige Gäste gerade beim Kaffee sitzen, andere geniessen ihr Abendprogramm. Ein Duo steht vor zahlreichen Wassergläsern. Alles klar, it’s Showtime!

Auf der anderen Strassenseite ist es noch ruhig. Rund 50 Baslerinnen und Basler geniessen die Abendsonne und ein Feierabendgetränk in der Marina Bar. Dahinter, im Brachland zwischen Bar und Skaterpark Portland, macht sich ein italienischer Cantautore bereit. Bald tritt er auf die Bühne und eröffnet mit seinen Canzoni eine Reihe, die bis zum Wochenende andauert und im Internet unter dem Slogan «André Audersetlis Summer Of Love» angekündigt worden ist. Untertitel der Gastspiele: «Viel Lärm um nichts».

Shakespeare am Land und im Wasser

Das ist eine Anspielung auf William Shakespeares gleichnamige Komödie. Und zugleich auf den Konflikt, den der mitfühlsame Auderset hier am Rhein unten ortet. Nicht die Motoren dröhnen ihm in den Ohren, sondern die Ankündigung von Late-Night-Konzerten. Gegen eine Bewilligung, wonach zehn Mal jährlich Freiluftkonzerte bis 24 Uhr (und zweimal bis 2 Uhr) stattfinden sollen, hat er unlängst kurz vor Ablauf der Frist Einsprache eingereicht (wir haben berichtet).

Warum Auderset einen Konflikt ortet, versteht hier unten keiner so genau. Ist dem Mann, der als LDP-Grossrat für ein liberales Lebensgefühl einstehen sollte, tatsächlich gelebte Freiheit suspekt? Früher jedenfalls war er selber Gast, erzählt Wirtin Caroline Rouine. Nachdem sie mit der Marina Bar vor fünf Jahren als erste Zwischennutzerin damit begonnen hatte, das triste Brachland mit Leben zu erfüllen, da kam auch Auderset vorbei, um die Abendsonne und den Feierabend zu geniessen.

André Auderset: Früher Gast, heute Gegner

Doch als er unlängst ein letztes Mal vorbeikam, da kündigte er Missmut und Widerstand an. Im Namen der Schweizerischen Vereinigung für Schifffahrt und Hafenwirtschaft. Auderset ist deren Geschäftsführer und Redaktor, präsidiert wird die Vereinigung von alt Regierungsrat Ralph Lewin (SP). Nun könnte man meinen, dass eine Basler Vereinigung für Hafenwirtschaft ebensolche unterstützen würde, denn wem dient schon Nowhereland, wie es zuvor eines war. Auch wirtschaftlich?

Doch die Gefahr sieht Auderset wie einst im Mittelalter vom Wasser her kommen. Und zwar sei es die Gefahr von Klagen in Millionenhöhe, wie vor einer Woche publik wurde. Auderset fürchtet, die Konzerte könnten den Tourismus beeinträchtigen, weil Personal und Gäste der vertäuten Passagier- und Hotelschiffe in ihrer Nachtruhe gestört würden. Daher muss er die Bewilligungen verhindern.

Die Crews gehen seit den Zwischennutzungen gerne an Land

An diesem Mittwoch, als die Sonne allmählich untergeht, ist auf den beiden Schiffen noch keine Spur von Nachtruhe, als die italienische Sängerin und Gitarristin A Lazy Cat um 21 Uhr einige schöntraurige Lieder singt. Ihr Konzert hat Zimmerlautstärke. Ein paar Leute horchen ihren Klängen, zwischen Unkraut und Holzpodesten.

Sehnsuchtsvolle Melodien sind es, die wir zurück auf der Strasse nur noch als Loreleyecho wahrnehmen. Sehnsüchtig schauen einige Gäste vom Schiffsdeck der «Scenic Opal» rüber. Denn sie können nicht mehr an Land gehen heute – um 22 Uhr ist Abfahrt, es geht zurück nach Amsterdam, wie mir ein Crewmitglied mitteilt. Woher kommen die Gäste? «From Canada and Australia.»

Ehe er ein Tau löst, noch rasch die Frage: Stören sich die Leute daran, dass Musik gespielt wird? «Which Music?», fragt der Schiffsmaat. 

Zurück zur Marina Bar. Ist André Auderset schon hier? Nein, niemand hat ihn gesehen. Er wird vermisst an diesem Abend, zumal die Gastspiele dieser Woche ihm zu Ehren «André Audersetlis Summer Of Love» getauft wurden. Warum eigentlich? Musiknetzwerker Willy Moch sagt: «Weil wir ihm dankbar sind. Dankbar dafür, dass er auf die Zwischennutzungen im Hafen aufmerksam gemacht hat.»

Was manche Gäste stört: Der Maschinenlärm im Hafen

Zurück an den Bach, rauf aufs zweite Schiff. Dieses fährt unter niederländischer Flagge und bleibt über Nacht vor Anker. Mit Gästen aus Grossbritannien, wie Kapitän Joeri Uffink bereitwillig erzählt. Er kennt Basel gut, den Hafen sogar sehr gut: Seit zehn Jahren führt ihn seine Arbeit immer wieder hierher. «Wir sind alle zwei Wochen hier», sagt der Kapitän des Kreuzfahrtschiffs William Shakespeare, das zwischen Köln und Basel pendelt und schon Zehntausende Touristen hierher geführt hat.

«Seit zehn Jahren fahre ich nach Basel. Die Bars hier haben uns noch nie gestört.»
Kapitän Joeri Uffink 

Stört ihn der Betrieb an Land, der seit einigen Jahren Einzug gehalten hat? «Keineswegs. Früher mussten wir ein Taxi bestellen, wenn wir ein Bier trinken wollten. Heute sind wir froh, dass hier am Ufer etwas passiert ist, dass Leben eingekehrt ist. Ich gehe am Feierabend rasch an Land – auch die Gäste sind froh über die Veränderung, denn der Empfang in Basel ist für alle Reisenden viel freundlicher geworden.» 

Aber stört es sie denn nicht, dass hier auch Musik erklingt? «Ich kann gar nichts hören», entgegnet Uffink, zuckt die Schultern und sagt: «Wie gesagt: Wir sind froh, dass sich hier etwas entwickelt hat.»

Allmählich gilt es, André Audersets Ehre zu retten. Doch wie? Es hilft nur noch das billige Mittel der Suggestivfrage:

Es kann doch nicht sein, dass sich Ihre Passagiere in Basel nachts noch nie gestört haben?

«Nun, es hatten sich auch schon mal Gäste beschwert», gibt Uffink zu. «Manchmal müssen wir weiter unten ankern, im Hafen beim Dreiländereck. Da kam es auch schon vor, dass einige Gäste am frühen Morgen vom Maschinenlärm geweckt wurden. Das führte zu Beschwerden, auch störten sich Gäste an der Schrottplatzatmosphäre dort.»

Kapitän Uffink entschuldigt sich, er muss weiter arbeiten. Seine Gäste rauchen auf dem Deck eine Pfeife, spielen Karten, lassen den Abend ausklingen. Sie kriegen nicht mit, wie die italienischen Musiker um 21.55 ihre Gitarren einpacken und auch der Abend an Land friedlich endet. Die Schiffsgäste, sie werden später vom Wasser in den Schlaf geschaukelt, begleitet vom grossen Om der sanft brummenden Schiffsmotoren.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass André Auderset vielleicht wirklich recht hat: Manche internationalen Kreuzfahrtgäste haben in Basel ein Problem mit dem Lärm. Nur verortet er diesen Lärm an der falschen Stelle.

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Summer Of Love an der Uferstrasse 80. Das weitere Programm:

– Donnerstag, 25. Juni, ab 17 Uhr.
Chillen und Jammen 

– Freitag, 26. Juni:
KING LEGBA AND THE LOAS
BIKINI GIRLS

– Samstag, 27. Juni:
THE SEX ORGANS from OUTER SPACE

 

Posted by The Sex Organs on Friday, 20 March 2015


– Sonntag, 28. Juni:

PREKMURSKI KAVBOJCI 

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