Die Kleinbasler Dealerbande ist der Staatsanwaltschaft nur dank modernster Technik ins Netz gegangen. Die eingesetzte Handyüberwachungsmethode, der Imsi-Catcher, ist allerdings höchst umstritten – und es fehlt die gesetzliche Grundlage.
Die Anklageschrift zum Fall der Kleinbasler Dealerbande, die letzte Woche zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurde, enthält eine brisante Information – die allerdings kaum auffällt: Die Festnahme des Bandenchefs ist der Staatsanwaltschaft (Stawa) nur dank modernster Technologie gelungen. Den Standort des Dealers ermittelte sie nämlich mit einem sogenannten Imsi-Catcher.
Mit dem Imsi-Catcher können Mobiltelefone dank einem raffinierten Trick überwacht werden: Das Gerät gibt sich gegenüber dem Handy als Mobilfunkantenne aus. Dadurch, dass sich die Ermittler mit dem Imsi-Catcher zwischen den Nutzer und das Handynetz schalten, können sie die gesamte Kommunikation abfangen. Man kann zwar ganz normal weitertelefonieren, SMS schreiben und im Internet surfen, doch die Polizei liest unbemerkt mit. Die Beamten haben auch die Möglichkeit, den gesamten Mobilfunk innerhalb des Einzugsgebiets zu blockieren oder Überwachungssoftware auf einzelne Geräte zu überspielen.
Mit dem Imsi-Catcher können die Strafverfolgungsbehörden also nach Verdächtigen fischen. Doch statt der Harpune wird das grosse Treibnetz eingesetzt. Mit entsprechendem Beifang. Denn der Imsi-Catcher erfasst alle Mobiltelefone in seinem Radius, nicht nur das gesuchte. Die Technologie ist deshalb höchst umstritten. Datenschützer und Überwachungskritiker halten ihren Einsatz in den meisten Fällen für unvereinbar mit den Grundrechten.
Der Imsi-Catcher gibt sich gegenüber dem Handy als Funkmast aus. Ist das Mobiltelefon erst mal im Einzugsgebiet des Imsi-Catchers, läuft der gesamte Datenverkehr durch das Überwachungsgerät. (Bild: Causa Finita)
Der Zürcher Anwalt Martin Steiger ist auf Rechtsfragen im digitalen Raum spezialisiert und entschiedener Gegner der eingesetzten Technologie: «Mit einem Imsi-Catcher kann die Polizei zum Beispiel im grossen Stil Personenkontrollen durchführen oder Mobiltelefone überwachen. Die vielen Betroffenen erfahren nichts davon, nur die Beschuldigten werden – wenn überhaupt – nachträglich informiert. Das stellt meines Erachtens einen schweren, ungerechtfertigten und unverhältnismässigen Eingriff in die Privatsphäre dar.»
Für den Einsatz gibt es derzeit keine rechtliche Grundlage. Das entsprechende Gesetz, das «Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs», kurz Büpf, enthält keine ausdrückliche Regelung. «Das räumt sogar der Bundesrat ein, weshalb das Büpf derzeit revidiert wird», sagt Steiger. Die Gesetzesrevision wurde am vergangenen Freitag vom Parlament in Bern gutgeheissen. Netzaktivisten sprechen von einer «verpassten Chance». Ein überparteiliches Komitee hat ein Referendum angekündigt.
«Ein schwerer, ungerechtfertigter und unverhältnismässiger Eingriff in die Privatsphäre.»
Trotz fehlender gesetzlicher Grundlage ermitteln Behörden in der ganzen Schweiz mit Imsi-Catchern, wie die NZZ im November aufzeigen konnte. Während die Kantonspolizei Zürich sich bereits zwei solcher Geräte angeschafft hat, verfügt die Stawa über keine entsprechende Ausrüstung, wie Sprecher Peter Gill sagt. «Die Stawa wendet sich im Bedarfsfall an andere Korps.»
Im aktuellen Fall der Dealerbande wurde in Basel erstmals der Einsatz eines Imsi-Catchers publik. Bis jetzt war lediglich bekannt, dass die Stawa «äusserst selten oder nie und nur in Fällen von Schwerstkriminalität» auf Imsi-Catcher zurückgreift, wie Gill im November gegenüber der BaZ sagte.
Entscheide fallen in der «Dunkelkammer»
Im «Bedarfsfall» ersucht die Stawa beim Zwangsmassnahmengericht (ZMG) um eine Bewilligung für den Einsatz. Doch Anwalt Steiger hält die ZMG für «Dunkelkammern». «Die dort gefällten Entscheide und Urteile werden nur in Ausnahmefällen veröffentlicht. Dadurch entziehen sich diese Gerichte der Diskussion und der Kontrolle durch die Öffentlichkeit.»
Steiger ist nicht der einzige Kritiker. Auch der Basler Datenschützer Beat Rudin hat seine Zweifel, was die Verhältnismässigkeit des Einsatzes von Imsi-Catchern angeht. Gegenüber der BaZ sprach er von erheblichen «Kollateralschäden», weil zwangsläufig auch «Unverdächtige und Unschuldige» erfasst würden.
Doch Rudin ist als Datenschützer bei laufenden Strafverfahren nicht involviert, da das Informations- und Datenschutzgesetz in diesen Fällen nicht zur Anwendung gelange. Den Einsatz von Imsi-Catchern wolle er dennoch «bei der nächsten Gelegenheit zur Sprache bringen», sagt Rudin. Er tausche sich regelmässig in informellen Gesprächen mit der Stawa aus.
Es ist fast unmöglich, offizielle Auskünfte über die hiesige Praxis der Strafverfolger mit Imsi-Catchern zu bekommen. Eine ausführliche Anfrage an die Stawa wird von Gill nur knapp beantwortet. «Der Imsi-Catcher ist eine technische, geheime Überwachungsmassnahme, welche bei Verbrechen gemäss Artikel 280 der Strafprozessordnung eingesetzt werden kann.»
Darüber hinaus ist nichts zu erfahren, was nicht ohnehin schon bekannt gewesen wäre. Auf die Frage, weshalb die Informationen so knapp ausfallen, sagt Gill lediglich: «Dazu gibt es von unserer Seite nicht mehr zu sagen.»